Partytalk

Eine Party in Ottensen, November 2023. Eine interessierte Gruppe lauscht einer jungen Frau die von einer ganz besonderen Pilgerreise erzählt. Die Freundin einer Freundin, deren Freundin eine Freundin kennt …….kurzundgut das Leben nimmt seinen Lauf.

Der Partytalk wird ein paar Tage später zum 2er Brainstorming und ich Teil einer Pilgergruppe die einen besonderen Weg vor sich hat: 160km bis in die Cathedrale nach Santiago de Compostela. 10 Tage um jeden Pilgertag ein Stück der Last loszulassen die jeder trägt.

„Was wird passiert sein, sich verändert haben wenn du in der Cathedrale in Santiago de Compostela angekommen bist?“

Einfach Loslassen

Im März 2007 war mein Rucksack für den Jakobsweg gepackt. Vor meinem Umzug sollte es endlich soweit sein. Eine Freundin hatte mir ihr gesamtes Equipment geliehen – sie war während eines Sabbatical den Weg aus unserer norddeutschen Kleinstadt bis nach Santiago de Compostela gelaufen. Abenteuer pur- zumindest noch zu dieser Zeit.

Es gibt für den Camino Frances ein VorHarpe Kerkeling und ein NachHarpeKerkeling. Ich mochte den Film. Die Prominenz und ihre Auswirkungen auf den Pilgerweg haben mich davon abgehalten ihn zu gehen. Chronologisch gab es zahlreiche Verhinderungsszenarien: neuer Job, Selbstfindungsformate in Nahundfern und immer wieder auch Pilgern. Pilgern im Norden.

„Brauchst keine Karten oder Reiseführer mitnehmen für den Camino Frances. Immer den Anderen hinterher:“ ratschlagte ein erfahrener Pilgerer. Der lang gehegte Wunsch verblasste allmählich, übermalt durch unzählige Wanderungen auf der Via Baltica in meiner neuen Heimat.

Zuviel los, zu viele Menschen, Zuviel Urlaubstage, zu viele andere Pläne, habe ich noch etwas vergessen? Einfach loslassen.

Morgen gehts auf die erste bzw. letzte Etappe des Camino Francais. Ich bin aufgeregt und glücklich das der Weg zu mir gekommen ist.

same same but different

In der 3. Novemberwoche liegen 20 Tage Lockdown light und zwei Ministerpräsidenten Konferenzen hinter uns. In Amerika hat ein demokratischer Kandidat die Wahl zum 46. amerikanischen Präsidenten gewonnen.

Bei unserem morgendlichen Frühstücksgespräch wird die Zeit langsam knapp um die tägliche Informationsflut auszutauschen und abzugleichen. Unserem Jahrgang entsprechend sind das in erster Linie die Sendungen des öffentlich-rechtlichen TV, der ausge(er)wählten Tagespresse und Nachrichtenformate. Völlig unzeitgemäß? Findet zumindest mein Sohn. Einmal in der Woche bringt er uns auf den einzig wahren, den youtuber Stand des Weltgeschehen. Da hilft nur zuhören und gleichmäßig ein-und auszuatmen.

Wie Balsam für meine Nerven sind dann Erklärungen und Einordnungen von Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund, wie in der von mir täglich konsumierten Kulturzeit. Politiker und Wissenschaftler wie Epidemologen, Virologen und Modellierern, die Zahlen in Modellen darstellen, wandern derweil abendlich durch alle Talk Formate. Die Journalisten, die sogenannte 4. Macht im Staat, wetteifern mit den klügsten Fragen, um die detailliertesten Antworten, das Lüften von politischen Plänen und Verstrickungen, Erläuterung wissenschaftlicher Studien für jedermann.

Einatmen -und Ausatmen!

Mit Ausrufen des Lockdown zeigt sich am Monatsbeginn wieder die Sonne und die Stadt in den schönsten Herbstfarben. Wir bleiben zu Hause/same. In den Supermärkten wird das Toilettenpapier knapp, Hamsterkäufe/ same. Hotel und Gaststätten müssen schließen/ same. Theater, Oper und Kino sind geschlossen/same. Einzelhandel, Friseure, Kitas und Schulen bleiben geöffnet/different. Quarantäne und Testpflicht für Auslandsreisen/ different.

Das lautstarke Ringen der Ministerpräsidenten um diese Entscheidungen macht es nicht besser. Was für die einen höchstens geht ist für die anderen das Minimum. Die Live Übertragung der Zoom Konferenz der Ministerpräsidenten zeigt das Ausmaß der Uneinigkeit. Grundlage für alle Maßnahmen ist die Höhe der Neuinfektionen, die sogenannte Inzidenz, von Modellierer als anschauliches Diagramm dargestellt. Die Kurve geht Ende Oktober steil nach oben und fällt nach drei Wochen Lockdown gering ab. Es bildet sich ein Plateau.

Stoff für noch mehr Kontroverse, da der Wert nicht wie angekündigt sinkt. Und ob er überhaupt sinken muss, und durch welche Maßnahmen, und welche sind gerechtfertigt, und welche bezahlbar, und welche gerecht, und welche rechtens, undundund. Und ehe man sich versieht steht man inmitten der Verschwörer und Querdenker, oder?

Größtes Aufreger Thema ist allerdings die Verordnung zum Tragen des MundNasenSchutz. Begonnen mit dem Tragen im Einzelhandel nach Aufhebung des Lockdown, gab es in Hamburg zwischenzeitlich ein Papier mit Straßennamen und Abschnitten zwischen festgelegten Hausnummern wo Maskenpflicht besteht. Kein Scherz!

Nicht zuletzt die Mantra ähnliche Wiederholung der Virologen über die unbestrittene Wirksamkeit des MundNasenSchutz registriere ich in meinem Umfeld als überwiegende Akzeptanz. Bei mir sieht das so aus: Alltagsmaske draußen mit großem Abstand zu anderen, ffp2/3 im öffentlichen Nahverkehr und Arbeitsbereich mit Kunden oder Klienten. Zur Wirklichkeit gehören aber auch die Menschen, die keine tragen oder unter der Nase/ dem Kinn tragen.

Womit ich bei dem größten Unterschied zum Lockdown im Frühjahr bin/different. Am MundNasenSchutz wird die Freiheit in unserem Land festgezurrt. Der Wandel unserer Demokratie zur Diktatur wird lauthals skandiert, natürlich ohne Maske. Bei Demonstrationen in Berlin und anderen Großstädten nutzen Andersdenkende Menschen den Moment um ihre rechten oder queren Gedanken zu äußern. Beim Thema Impfen ist die Auseinandersetzung dann endgültig auf dem Höhepunkt.

Corona Test und häusliche Quarantäne ist in diesem Herbst auch in unserer Familie angekommen. Bange 7 Tage bis in allen Fällen das negative Ergebnis da ist. Besonders herausfordernd für meine Berliner. Quarantänezimmer, Besuchszeiten für die anderen Elternteile und Isolation von Geschwistern.

Trauriges Ergebnis ist die Absage unseres Familientreffen am 2. Advent in Berlin.

Rückwärts Staunen

Der Sommer 2020 hat sich Ende August nach vier Wochen Sonnenschein und Temperaturen um 30 grad Celsius verabschiedet. Schon ist wieder die Rede von DER Hitzewelle, ich nenne es Hochsommer. 

Sonnenschein vom Aufstehen bis ins Bettgehen, Freibad Liegewiesen die in den Sommerferien zu Sandsteppen werden, Sonnenbrände die einen nur bäuchlings schlafen lassen, geschmolzene Butterbrote, fettige Pommes frites, doofe Jungs, undundund „ach du unbeschwerte Kindheit“.

Das war ein wenig weit zurückgeschaut.

Rückblick, Zwischenstand, Ergebnis wie auch immer man es nennen mag, mich drängt es zu einem Blick zurück. Der Trendforscher Matthias Horx hat zu Beginn der Pandemie ein interessanten Artikel veröffentlich in dem er eine Re-gnose angestellt hat. Der Blick aus der Zukunft zurück ins Heute. Total interessant. 

Ich habe mich ganz unwissenschaftlich, aber durchaus strukturiert mit meinem Corona Rückblick zu Veränderungen/ Entwicklungen Ökonomie, Digitalisierung, Gesellschaft, Kultur, Lebensraum beschäftigt. 

Wie habe ich mich verändert oder was hat mir geholfen durch die Corona Zeit bis jetzt zu kommen. Ganz schön spannend diese Frage.

Hier in einem der angesagtesten Stadtteile dieser Stadt wird jeder Quadratmeter Fläche bebaut, Mehrfamilienhäuser aufgestockt, Dächer ausgebaut. Verdichtung der Großstädte heißt dieser Trend, den die Pandemie auf den Prüfstand gestellt hat. Abstand halten in dieser Dichte? Privilegiert wer sich mit einer 4köpfigen Familie 100qm mit Balkon leisten kann. Jeder der konnte hat im Frühjahr/Sommer 2020 die Stadt verlassen, temporär oder langfristig. Schrebergarten sind das neue „must have“ der jungen hippen Stadtbewohner. Alternative? Autos raus aus den Wohnquartieren und überall Rasenflächen. Es gibt viele spannende Projekte wie die Städte wachsen oder besser sich verändern können. 

Das Modell der Mega Citys wie ich es in den letzten Jahren in vielen Architektur Visionen gelesen oder gesehen habe; tolle Ausstellung in Leipzig;  dürfte mit der Pandemie zumindest in Frage gestellt sein. 

Mit Abstand betrachtet

Bescheinigung für Mitarbeiter als Nachweis der Notwendigkeit des Arbeitsweges im Falle von Kontaktbeschränkungen im Rahmen der Covid19-Lage. Meine ist Anfang März datiert. Sie fällt mir beim Aufräumen in die Hände und ohne weiter Nachzudenken werfe ich sie weg. 

Was für ein Dokument. Wird uns das jemand später glauben?

Seit den ersten und allmählichen Aufhebungen des Lockdown Mitte Mai hat mein Alltag wieder etwas Gewöhnliches. Erste Anzeichen, die Eintragungen in meinem Kalender. Wochenlang war er jungfräulich weiß und unbeschrieben. Allmählich finden sich dort wieder Einträge wie Friseur, Kosmetik und Fußpflege. Die Arbeitstage sind geblockt und private Termine mit Freunden und  Familie fröhlich auffallend markiert. Was fehlt? Kulturveranstaltungen. Die Newsletter des Schauspiel- und Literaturhaus machen wenig Hoffnung auf Live Veranstaltungen. Einziger Hoffnungsschimmer: Autokinos. Bilder alter Hollywood Streifen in denen smarte Darsteller in ihren Cabriolets mit angehängten Sound, Popcorn und Drinks vor einer Riesenleinwand in den Sonnenuntergang kuscheln bringen mich in Vorfreude. (Ganz so romantisch wird es bei uns nicht werden, aber davon später)

Die Statistiken der WHO und vieler anderer nationaler Gesundheitsämter melden weiterhin sinkende Infektionszahlen. Genau gegenläufig die rapide ansteigende Anzahl der Bürger, die ihre Meinung zu Corona und den Lockdown Maßnahmen auf Demos und in den sozialen Netzwerken kundtun. Unverständnis, Kritik, Sorge, Wut, Protest, Anklage, alles dabei. Medial am verbreitetsten die Verschwörungstheoretiker. Prominente, die sich bis dato mit ihrem Gesang oder gutem Essen einen Namen gemacht haben, weinen schmerzverzerrt vor laufender Kamera oder gehen bewaffnet in den Untergrund. Demokratisch gewählte Politiker werden als Diktatoren angeklagt.

What the f… is going on here? 

Zu Beginn der Corona Zeit hat mir eine Freundin gesagt, dass gesunder Menschenverstand hier nicht mehr angebracht sei. Ich versuche es trotzdem. Aufklärung und Information von Experten wie Sozialpsychologen die zur Verschwörungsmentalität forschen, helfen mir dabei: Kontrolle über das eigenen Leben zu haben oder ein hohes Bedürfnis nach Einzigartigkeit sind maßgebliche Erklärungen.

Eine Frage scheint uns alle aber wieder zu einen: was ist mit den wirtschaftlichen Folgen des Corona Lockdown? Sind wir uns auch einig, das unser Finanzminister ein positiv denkender Mensch ist? Okay!

Ich versuche es auch zu sein: in naher Zukunft wird das Jahr 2020 die Zeit sein gewesen sein, wo die Menschen verstanden haben, das Wirtschaftswachstum anders, der Umgang mit natürlichen Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft klüger gedacht werden muss.

Positives Denken genießt ja in unserer Familie nicht so ein hohes Ansehen, aber ich versuche es auch mit Verstand und Tatkraft, versprochen.

Allein im Hotel

Corona Tagebuch Woche 10

Eigentlich gehören wir nicht zu den SonntagTagesAusflüglern. Auf Staus und lange Schlangen vor und an den Vergnügungs Hotspots verzichten wir gerne. Bei schönem Wetter genießen wir unseren Balkon. „Abwohnen“ nannte das mal jemand.

Die Sehnsucht außerhalb der eigenen, in Corona Zeiten sicheren 4 Wände, etwas zu erleben ist einfach größer. Eine Fahrt ins Grüne, oder heißt das nicht Blaue? führt uns nach Worpswede. Die Strecke durch unsere heimische Landschaft mit Marschland, Moor und Geest läßt uns in dem Gefühl schwelgen „Oh wie schön ist diese Welt.“ Auf der Parallelstrecke A1 zwischen Hamburg und Bremen quälen wir uns zu anderen Zeiten durch die ewigen Baustellen, kein Gedanke an idyllische Landschaften und Schwärmereien.

Die Künstlerkolonie ist einer dieser SonntagHotspots. Haus im Schluh, Barkenhoff und Käseglocke heißen die berühmten Häuser der Künstler. Wir haben Glück, unser früher Aufbruch beschert uns jetzt ein paar beschauliche Stunden bevor die Oldtimer und Cabriolets mit Bremer Kennzeichen auftauchen. 

Damit wir unsere Prinzipien nicht gänzlich über Bord werfen, verzichten wir auf den Pfingstausflug und reisen, sozusagen antizyklisch, eine Woche früher nach Potsdam / Berlin. Vor einigen Jahren haben wir ein Landgut entdeckt und es zu „unserem Hotel“ erklärt. Es öffnet laut Corona Verordnung genau zu diesem Termin. Mitten in Brandenburg starten wir in die Post Corona Zeit: wir sind die einzigen Gäste. Unsere Gefühlsskala bewegt sich zwischen „super, alles nur für uns“, etwas Geisterhaftem „ gruselig so allein“ und viel Mitgefühl für die Hotelbesitzer „ Wie wollen die das überleben?“ 

Post Corona Betrieb auch im Museum Barberini in Potsdam, das seit ein paar Tagen wieder geöffnet ist. Zeitfenster online buchen, Tickets vorab bezahlen und ausdrucken. Und das alles mit viel Glück, die Karten / Zeitfenster sind ruckzuck vergeben. Wir genießen dieses schöne Haus und die Ausstellung Places von Monet, natürlich mit Maske, Abstand, Schlange stehen. Vielleicht macht es Sinn ein Kürzel dafür zu erfinden. Die „Ausstattung“ wird uns noch lange erhalten bleiben. MASCH oder SCHAMA oder SCHLABMA 

Die Welt öffnet sich wieder, aber wenig ist wie wir es vor Corona gekannt  und gelebt haben.

Anderthalb Meter

Corona Tagebuch Woche 9

In manchen Situationen hilft in dieser Woche nur das Herausholen und Aufzeigen eines Zollstocks. „ Das sind 1,5m!“ wie es der Fahrer der Hafenfähre gemacht hat. Auf den Fußwegen hilft nur der Sprung hinter eine Hecke, in den Hauseingang oder einen Haken zu schlagen. Kontaktabstand war gestern. Verlängert ist er durch die Bundesregierung bis zum 15.Juni. 

Brot, Oliven, Tomaten, Käse und zwei kühle Bier wandern in meinen kleinen Rucksack. Treffpunkt Anleger Alte Rabenstrasse. Fast schon ein Ritual, wenn das Wetter einladend und wir auf der Suche nach einer schnellen Auszeit nach Feierabend sind. „Wenn es zu voll ist drehen wir um, oder?“ Müssen wir nicht, der Steg ist locker besetzt und der Ausblick auf die Alster in der Abendsonne einfach schön.

Ein paar Meter weiter auf der Alsterwiese dann die Trend Veranstaltung, Outdoor Disco. Der sandige Weg an der Alster, Trend Sport Joggen und Radfahren. Trend Treffen an der Brückenmauer der Krugkoppel mit Kaltgetränk und Live Musik einer zweiköpfigen Corona Band. Die Musik eher Evergreen, Beatles. Wahnsinn was hier heute Abend los ist. Wir schwanken zwischen Entrüstung, Sorge und leiser Begeisterung für diese besondere Stimmung. Haken schlagen ist uns zu anstrengend und so wechseln wir auf die leere, schattige Straßenseite.

Abstandsregeln im Alltag scheinen uns leichter zu fallen. Im Stadtteil erlebe ich täglich geduldig wartende Menschen vor der Post, wo der Einlass in das 200qm große Postgeschäft durch Security für den Einlass von je einer Person geregelt wird. Beim Bäcker die gleiche geduldige, disziplinierte Schlange mit 3m Kontaktabstand, minimum. Letzteres führt bei uns zu einer Corona Brötchen Diät, ersteres zu weiterem Unmut auf unsere Beamte. Fehlt nur noch das Schild: Bitte/nicht/füttern.

Komm mir nicht zu nahe. Ist das die stumme Botschaft dieser Abstandsregelung? Wenn ich wie eine Boxerin ausweiche, mich auf das nächste Ausweichmanöver konzentriere, einen taktischen Haken schlage, sind dann die 1,5 Meter meine, deine oder unsere gemeinsame Sicherheit? 

Schon wird öffentlich diskutiert, ob wir uns zu einer Abstandsgesellschaft entwickeln. Ich mag es nicht, wenn mir jemand „auf die Pelle rückt“, aber immer diese 1,5m Distanz? Ich beobachte wütende Mütter, um deren kleine Kinder ein großer Bogen gemacht wird. Virenschleudern, was für ein Wort. Ältere Menschen die sich im Supermarkt ohne Mundschutz und Distanz an der Kassiererin vorbeischieben und bitter die Zustände beklagen. Abstandsregeln machen einsam.

Ich reiche dir die Hand. Im Supermarkt hat es der freundliche Security Mann versucht: „Sie sind doch jeden Tag hier und kennen die Regel. Halten Sie sich bitte daran.“ Ich kenne dich, ich weiß das du die Regeln kennst und sie manchmal nicht einhalten kannst, ist meine Übersetzung. Er hat versucht den Abstand zwischen sich und dem alten Mann zu verkürzen. 

Sobald die Hotels in Brandenburg wieder öffnen, wollen auch wir den Abstand zu Kindern und Enkelkindern verkürzen. Ein Treffen im Neuen Garten in Potsdam auf 1,5m Abstand ausgebreiteten Picknickdecken. Hoffentlich ist das der Oma nahe genug:)

…….was sonst noch war? Kosmetikhersteller beklagen einen drastischen Rückgang beim Umsatz von Lippenstift. Rote Lippen sind unter Mundschutz irrelevant.

In nebeligen Zeiten VIII

Corona Tagebuch Woche 8

Ich weiß, es ist keine Zeit Witze über Geld zu machen, aber das Bild von Dagobert Duck werde ich gerade irgendwie nicht los. 

Millarden Euro staatlicher Hilfspakete sind Größenordnungen die wöchentlich verabschiedet werden. Goldgräber Stimmung nennt es ein Kollege. 

Eine Formulierung, die der Handel und die großen Wirtschaftsunternehmen so sicher nicht gebrauchen würden. Insolvenz, Entlassung, Schrumpfung, Schließung sind die großen Schlagzeilen der Stunde. Eine Randbemerkung die Forderung nach Entschädigung für Mehraufwendungen alleinerziehender Mütter und Eltern im Homeoffice. 

Ganze Seiten füllen die Existenzsorgen der Kulturschaffenden. Nur wenige Musiker und darstellende Künstler sind durch feste Engagements/Verträge abgesichert. Wer nicht auftritt verdient nichts. Ich bin überrascht, wie groß die Anzahl selbständiger Kulturschaffender ist, die „von der Hand in den Mund lebt“. 

Die Kulturstaatsministerin schaut, nach Hilfsmaßnahmen befragt, was den Umfang und die Dauer betrifft „auf die lange Distanz“. Renommierte Künstler fragen öffentlich was uns Bürgern die Kunst wert ist und fordern das gesicherte Grundeinkommen.

Unternehmen wie Fielmann oder das Miniaturwunderland mit seiner riesigen Ausstellung in der Speicherstadt berichten, das sie von Rücklagen und/oder Umstrukturierungen ohne staatliche Hilfe auskommen werden. Große Dax Unternehmen fordern Hilfen, auch um die Dividenden ihrer Aktionäre zu sichern. Dividenden am Ende eines positiven Geschäftsjahres,  in einem schlechten Jahr entsprechend keine.  Was genau habe ich da nicht verstanden? 

Krisengewinner – muss unbedingt noch mit ins Corona Vokabular.

„Wie wird am Freitag das Wetter?“ Mal etwas Simples zum Nachdenken:)  Mäßig wird es, aber einen Ausflug wollen wir am 1. Mai Feiertag auf jeden Fall machen. Mit den Kindern war die Fahrrad Tour immer der Klassiker, Ziel eine Veranstaltung mit Bier und Bratwurst vom Grill. Etwas wehmütig denken wir zurück, nicht wegen der Wurst. 

Auf unserem Freizeit Navi stellen wir ein: die Stadt hinter uns lassen, eine Stück Landstraße mit dem Auto reisen und etwas Neues entdecken. Das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe – genau was wir uns vorgestellt haben. Zwei Stunden Spaziergang entlang der Elbe gesäumt von einem Hartholzauenwald, steilen Geestflächen und Wiesenlandschaft. Ganz allein mit Weißstorch, Kiebitz und Graureiher sind wir nicht, aber die vereinzelten Spaziergänger sehen wir nur in großem Abstand. Wieder eine großartige Corona Entdeckung und ein glücklicher Tag.

Corona Vokabular

gesellschaftliche vitalität / neue normalität / risiko ethik / weißes gold/ logarithmische kurve / shutdown / homeschooling  / social distancing/ trumpces / infektionskette / tracing app / prekäre freiwilligkeit / konjunktivbewältigung / triage / r-faktor / krisengewinner / spreader / durchseuchen / autarkiefähige räume / alu-hut / föderaler flickenteppich

In nebeligen Zeiten VII

Corona Tagebuch Woche 7

Wetterbetrachtungen haben ja eher den Charakter von Verlegenheitskommunikation. Ein strahlend blauer Himmel, so wie wir ihn seit sieben Wochen in Hamburg erleben, ist allerdings erwähnenswert.

Sinkende Emissionswerte, Erderwärmung oder andere Umweltphänomene scheinen mir als Erklärung unzureichend. Dieses strahlende Blau und die vielen Sonnenstunden sind fast wie tröstende Streicheleinheiten in Quarantäne Zeiten.

Der Hafen empfängt mich auf dem Weg zur Arbeit mit genau diesem Himmel. Ein Traumwetter. Touristen bevölkern die Brücke von der U-Bahn Landungsbrücken, genießen den Blick auf den Hafen und erkunden die Abfahrtszeiten der Barkassen – normalerweise. In Corona Zeiten alles menschenleer. 

Ich lasse die Hafenfähre ohne mich ablegen und gehe zu Fuß. Meine anfängliche Freude über die fehlenden Menschenmengen weicht schnell Beklemmung. Kaum Schiffsverkehr auf der Elbe, Barkassen die vor sich hindümpeln, keine laut anpreisenden Ticketverkäufer für die begehrte Hafen Rundfahrt und weiter hinten die Ladekrähe im Containerhafen, ohne die typische Hafenmusik, das hohe Piepen beim Be/Entladen. Hier, im Herzstück dieser Stadt, hat der Shutdown für mich das erste Mal etwas Beängstigendes. Am Abend auf dem Rückweg ist die Hafenmauer dann gesäumt von Großstädtern, die mit der „Corona Flasche Bier“ in der Hand die Abendsonne genießen. Zuversicht.

Die zweite Neuerung in dieser Woche ist die durch die Lockerung angeordnete Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr. Gleich der erste Speditionsfahrer bringt mich an diesem Arbeitsvormittag an meine Grenzen. Oder treffender, er hält sich nicht an meine, deutlich markiert durch einen Strich vor unserem Büro. „Alles totaler Quatsch hier mit diesen Maßnahmen, Mindestabstand und so. Von wegen Maske, bringt alles nichts.“  Meine Bitte sich entsprechend zu verhalten endet mit (s)einem Monolog über inkompetente Virologen, unfähige Politiker und unwissende Wissenschaftler. 

Woher hat der Mann sein fundiertes Wissen. „Kann man alles im Internet nachlesen. Aber auf den richtigen Seiten!“ Sein verschwörerischer Blick läßt mich die Frage, welches die richtigen seien, runterschlucken. Toilette, Türgriffe und Kugelschreiber kann ich danach desinfizieren, auf meiner Fassungslosigkeit bleibe ich sitzen.

Im Laufe der Woche verändert sich das Stadtbild deutlich. Viele Menschen tragen die Masken nicht nur wie vorgeschrieben, sondern durchgängig. Der Markt für selbstgenähte Alltagsmasken aus Baumwollstoffen boomt.  Wie schnell sich auch hier der modische Aspekt durchsetzt. Mein persönlicher Favorit ist eine knallrote ffp-3 Maske die eine ganz in schwarz gekleidete Dame trägt.

Die Schutzmaske, ein vom Ursprung her funktionales, pragmatisches Stück Schutzkleidung, wird zum Modeaccessoires und damit zu etwas Alltäglichem. Die Zeit, in der Corona als Krise erlebt wird, beginnt sich damit zu der viel besprochenen neuen Normalität zu entwickeln.

In nebeligen Zeiten VI

Corona Tagebuch Woche 6

Am Ostermontag die Frage „ Wo können wir spazieren gehen?“ An sonnigen Tagen wie heute ist die halbe Stadt in den stadtnahen Wäldern und Wiesen unterwegs. Die innerstädtischen Parks und der beliebteste Auslauf der Hamburger, die Außenlaster, sind belebt wie immer. Jogger die keuchend und schwitzend knapp die Spaziergänger passieren, scheinen so gar nicht den Corona Verordnungen zu entsprechen. 

Auf nach Finkenwerder. Ursprünglich eine Elbinsel ist es heute ein Hamburger Stadtteil. Schnell ist entschieden, das wir nicht mit dem Rad via Hafenfähre auf die Halbinsel kommen wollen. Das ist der beliebteste Weg, auch weil man dort weiter ins alte Land radeln kann. Was wir gesucht haben finden wir im Ostteil, mit dem Auto in 20 Minuten über die Elbbrücken zu erreichen, Natur pur (fast) nur für uns.

Die Landidylle weckt meinen langgehegten Wunsch außerhalb der Stadt zu wohnen oder wenigstens ein Freizeit Domizil zu haben, der Treffpunkt für die ganze Familie im Grünen. Die Kinder unserer städtischen Nachbar Wohnungen haben ihren täglichen Treffpunkt im Gemeinschaftsgarten. Während die  „wilde Hatz“ tobt träumen wir uns zurück an die Elbe zwischen  Apfelbaum Plantagen und bunten Fachwerkhäusern.

Mittwochnachmittag findet eine weitere Telefon Konferenz der Landesminister mit der Bundeskanzlerin statt. Wie so oft  versuchen Journalisten im Vorfeld jeder Art von Experten Prognosen zu entlocken oder stützen sich auf sichere Quellen im Internet.  Meine Nachbarin weiß schon am Vormittag welche Beschlüsse erst in einigen Stunden verkündet werden. Wissensvorsprung ist die neue Währung.

In der anschließenden Pressekonferenz erfahren wir von Frau Merkel die neuen Corona Anordnungen. Wie immer wenn die Lage ernst ist, im Ton sachlich und die Lippen schmal. Der bayrische Ministerpräsident gewohnt blumig und ausschweifend mit einer ordentlichen Portion Eigenlob. Halt die BlauweißKöniglichen:) Mir gefällt der norddeutsche Tonfall des Hamburger und des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters besser. 

Der Inhalt der Pressekonferenz bleibt, unabhängig von der Tonfärbung, erstmal unklar. Welche Läden dürfen wann öffnen, welche Schüler wann zur Schule, Maskenpflicht oder Gebot? Zwei Tage später verkünden dann die Ministerpräsidenten der Länder was im jeweiligen Bundesland gilt. Einheitlich solidarisch geht anders.

Das Sorgen und Kümmern um sich selbst zeigt sich in der Corona Krise in jeder Größe. Angefangen bei den Schlachten ums Klopapier im Supermarkt bis zur Beschaffung von Desinfektionsmittel und Mundschutz durch Regierungen. Absoluter Höhepunkt das durch die amerikanische Regierung „gekaperteFlugzeug“ beladen mit Schutzmasken. America first.

Innerhalb der europäischen Union kann von Solidarität auch keine Rede sein.   Jedes Land „sorgt für sich selbst“ und versucht dabei kompetenter als der Nachbar zu sein. Weltweit agierende Organisationen die internationale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, sozialen und humanitären Gebiet fördern soll, treten in dieser Zeit erst gar nicht in Erscheinung.

In Deutschland scheinen die Politiker auf Kommunaler-Landes- und Bundesebene keine Chance verstreichen zu lassen sich zu positionieren und zu profilieren. Ein Schelm der Böses dabei denkt.

In nebeligen Zeiten V

Corona Tagebuch Woche 5

Ein Krankheitsfall macht es notwendig, das ich mit dem Auto zu meiner Familie nach Nordrhein-Westfalen fahre. Am Sonntag ist die Autobahn zwischen Hamburg und Bremen so leer, wie ich es aus den 80ern an einem LKW freien Sonntag kenne. Sportwagen Fahrer können ihre Pferdestärken heute richtig ausfahren. Ich genieße bei mäßigem Tempo das stressfreie Fahren ohne Überholmanöver und Konzentration auf den fließenden Verkehr. Prima zum Gedanken nachhängen: wie kann ich in den nächsten Tagen in der neuen häuslichen Situation mit Kontaktabstand und Infektionsschutz umgehen. Gerade in emotional schwierigen Zeiten tut eine innige Umarmung gut. Darauf möchte ich aber aus Sicherheitsgründen verzichten. 

In der 100.000 Einwohner zählenden Stadt am Niederrhein sind die Straßen deutlich belebter als in Hamburg. Menschen flanieren bei schönem Wetter durch die Stadt und den angrenzenden Stadtpark. Beliebter Treffpunkt der Rosengarten. Vor dem Eiscafe stehen Menschen weniger in Form einer Schlange als in lockerem 50 cm Abstand. Da hätten die Hamburger protestiert: Abstand einhalten! Das gleiche Bild in den nächsten Tagen auch im Supermarkt. Ich merke, wie schnell ich mich in dieses Gefühl des „es ist doch nichts“ reinziehen lasse. In der häuslichen Situation meiner Familie versuche ich mit Desinfektionsspray meine Ängste in Schach zu halten. Nachts kreisen dann die Sorge um die Gesundheit meiner Lieben mit den Ängsten vor Covid 19 im Reigen. 

Vor der Nachtruhe stellen wir uns in der SeniorenWohnAnlage alle an ein offenes Fenster um nach dem Glockengeläut der Kirche einer Dame und ihrer Blockflöte zu lauschen. Das Steigerlied, eine Hymne in dieser Bergbau Region, können fast alle mitsingen. Eine schöne Idee, berührend, und geklatscht wird zum Schluß genauso enthusiastisch wie im Eimsbütteler Quartier.  

Außerhalb meines kleinen Kosmos beschäftigt sich die Welt in dieser Woche mit den wirtschaftlichen Folgen des Lockdown. Die Rede ist vom Maß und Mittel der Anordnungen, der Rechtmäßigkeit der Kontaktsperre, Virus gegen Freiheit, Ende der Globalisierung, Weltwirtschaftskrise.

Drei Wochen Konsumverzicht und die Welt scheint am Abgrund zu stehen. Mir ist bewußt, das die Folgen des Lockdown weit über diese drei Wochen hinausreichen werden. Die Prognose für das ewig gewünschte Wirtschaftswachstum muss nach unten korrigiert werden. Soll ich/ sollen wir  jetzt doppelt soviel konsumieren damit diese Entwicklung gedämpft wird? Wollten wir nicht alle weniger konsumieren um die Umwelt zu schonen? In den fünf Wochen Corona habe ich auf wenig bis nichts verzichtet. Was also kaufe ich wenn die Läden geöffnet sind und warum?

Wenn man seinen Lebensunterhalt so wie wir im Einzelhandel verdient, hat die Antwort auch etwas mit der Parabel vom Glashaus, den Steinen und der Frage wer drinnen sitzt zu tun.

In einem interessanten Artikel lese ich von der Gemeinwohl-Ökonomie und Wirtschaft mit Haltung. Gedanken, die Hoffnung machen von jungen Menschen, die die Zukunft neu und anders denken.

Meine Woche endet mit ein bißchen Oster Konsum: Schokohasen mit Glöckchen, bunte Eier und Schokokuchen aus eigener Herstellung. Ein Kollege meines jüngsten Sohn ist Covid19 positiv getestet und Corona damit auch in unserem Leben angekommen. Unser Osterbrunch fällt aus, statt dessen gibt es eine große Tasche mit OsterKöstlichkeiten to go für meinen Sohn. Gesund bleiben!

Gedanken in Bewegung

Sieben Fragen

Persönlicher Verzicht und Einschränkung aus Solidarität zu unseren Mitmenschen, besonders zu den Älteren. Ist das nicht viel, was wir da von der jüngeren Generation erwarten, die selbst durch Corona nicht oder wenig gefährdet ist.

„Ihr stehlt uns die Zukunft“, ist ein Vorwurf der Fridays for Future Bewegung. Und nun Corona.  Da könnte sich das Problem von alleine lösen. Provokant? 

In einer/m Stadt /Stadtteil der überwiegend von den Jahrgängen ab 1980 bewohnt wird, erfahre ich meinen Lebensraum zunehmend bedroht. Vielleicht liegt es daran, das ich hier nicht am rechten Platz bin?  „Und nun müssen wir wegen dir/euch auch noch zuhause bleiben, damit wir dich/euch nicht anstecken.“  

Im Utilitarismus ist eine Handlung moralisch, wenn sie den größtmöglichen Gesamtnutzen aller Betroffenen maximiert. Ich möchte mich in dieser Frage gerne bei Kant einordnen der, sehr vereinfacht, sagt, das nicht die Folgen einer Handlung moralisch sein müssen, sondern die Handlung selbst.

Eine Frage die unsere Gesellschaft auch nach Corona noch beschäftigen wird.

Freiheitsbeschränkung & Freiheitsberaubung! Der Vorwurf wird täglich lauter. Weitergeleitete YouTube Videos von Freunden mit kritischem Fragen und alternativen Betrachtungen zu Covid-19 und den Maßnahmen der Bundesregierung erreichen mich täglich. Ein Land voller Experten?

Was ist los mit mir? Bin ich nicht informiert, bin ich zu wenig politisch, hinterfrage ich nicht genug, bin ich zu bequem? Was passiert wenn ich all die Videos anschaue und mit Anderen der Meinung eines YouTube Experten folge. Revolution,  Sturz der Regierung?

Täglich erreichen mich Newsletter von  Institutionen die in meinem Leben einen festen Platz haben. Meditation, Yoga, Fitness, Theater, Konzerte, Gottesdienste, Museen. Alles kann nun live im Netz genutzt werden, auch um die wirtschaftlichen Folgen des Shutdown abzumildern.

Corona wird die Entwicklung zu überwiegend digitalen Angeboten weiter vorantreiben und meine Hoffnung, weiterhin in schönen Innenstädten zu Bummeln und Einzukaufen , ins Kino und Theater zu gehen, Museen zu besuchen, Literatur in Lesungen zu erleben, Konzerte zu besuchen schwindet zunehmend. Dystopisch?

Die ständig wachsende Anzahl an Cafés und Lokalen läßt mich vermuten, das diese Form des analogen Zusammentreffens in Zukunft attraktiv sein wird. Der täglichen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen wird online gedeckt. Nicht meine Welt.

In Gesprächen mit meinen Eltern höre ich Lobeshymnen auf die guten alten Zeiten. Will ich da jetzt einstimmen? Eine offene Haltung, Gespräche mit jungen Menschen, im besonderen mit meinen Kindern und Enkeln, und meine besonnene Art zu handeln werden mir den Weg in neue Zeiten weisen. 

In nebligen Zeiten IV

Corona Tagebuch Woche 4

Nahrungsmittel und Hygiene Artikel nennen unsere Politiker systemrelevant. Für mich persönlich sind das auch Bücher und Blumen. Diskussionsbedarf.

Die Schlangen vor den Supermärkten und Drogerien zeugen in dieser Woche nicht von Hamsterkäufen sondern vom reglementierten Eintreten. Wir haben verstanden und uns überzeugen können, dass es keine Versorgungsengpässe gibt und geben wird. Auch weil die Berufsgruppen, die unsere tägliche Versorgung gewährleisten, die Kassiererinnen, die Lagermitarbeiter, die LKW Fahrer u.ä. ihren Job machen. 

Sollten diese Menschen nicht an ihrem Gehalt merken, das sie systemrelevant sind? Die großen Supermarkt- Ketten kündigen Bonuszahlungen für ihre Mitarbeiter an, steuerfrei sichert die Politik zu.

In New York hat in den 90ern ein Generalstreik der Müllabfuhr zu einem Umdenken geführt. Der damalige Bürgermeister sorgte dafür, das die Müllmänner jetzt bis zu 50.000$ im Jahr verdienen. Ihre Arbeit gewährleistet die Sauberkeit und Hygiene Standards für alle New Yorker. Was könnte systemrelevanter sein?

Setzen wir auf die Liste der noch zu diskutierenden Punkte.

Kultur, oder besser die Abwesenheit von Kultur ist ein großes Thema. Ich gehe gerne zu Lesungen oder ins Theater. Aus der ursprünglichen Verabredung mit meinem Freund, einmal monatlich eine Kulturveranstaltung zu besuchen, ist ein eher unregelmäßiger Rhythmus geworden. Aber allein der Umstand es zu können tut gut. Das Feuilleton, analog und digital, ist mein liebster Lesestoff, das Stapeln von ungelesene Büchern die Konsequenz und in Corona Zeiten meine Rettung.

Innerhalb weniger Tage haben Kulturschaffende das Netz für sich erobert. Autoren, die ihre Bücher schon nicht mehr auf der Leipziger Buchmesse vorstellen konnten, lesen aus ihren Neuerscheinungen. Musiker musizieren solo aus ihren Wohnzimmer oder als Orchester über Videochats.Theater und Konzerte spielen vor leeren Rängen und übertragen dies live im Netz. Verbunden ist damit ein Aufruf, diese Zeit zusammen gut zu überstehen. Künstler und Kreative werden es nur durch unsere Solidarität, auch nach der Krise, und den Soforthilfen der Regierung schaffen.

Leere Ränge auch in Sport- und Fußballstadien. Mein Mitgefühl haben all die Sportler die auf einen Wettkampf in 2020 trainiert haben. Die Trainingspläne sind auf genau einen Zeitpunkt optimiert. Für den Hobby Sportler, war ich auch schon, traurig, für die bezahlten Profis tragisch. Die Olympischen Spiele in Japan sind um ein Jahr verschoben. 

Apropos verschoben. Das Abitur sollte erst ausfallen, dann „notweise“ abgehalten werden und ist jetzt um zwei Wochen verschoben.  Die Abiturienten*innen sehen ihre Zukunftschancen gefährdet.

Der Unterricht für Schulkinder findet zur Zeit online statt. In jüngeren Jahrgängen werden wöchentlich Mappen mit Schulunterlagen verschickt, die zuhause bearbeitet und zurückgeschickt werden. Die Lehrer bzw. Schulbehörden befürchten andernfalls ein nicht nachzuholendes Defizit im Schulbetrieb. Ich höre und lese von Müttern, die sich mit der Aufgabe inhaltlich und zeitlich überfordert fühlen. „ Es gibt zur Zeit nichts Anspruchsvolleres als Homeoffice, Privatunterricht und Kinderbetreuung!“ lese ich im Blog einer Mutter eines achtjährigen Mädchens. 

Mein ältester Sohn macht mit seiner Frau und drei Kindern Homeoffice. Die Fotos, die mich fast täglich erreichen, zeigen eine entspannte und vor allem gesunde Familie. Ich bin froh, dass alle Kinder verantwortungsvoll mit der Situation umgehen, sich gegenseitig unterstützen und wir alle in gutem Kontakt miteinander sind. 

In nebligen Zeiten III

Corona Tagebuch Woche 3

Am Sonntagabend hat unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel eine zweite Ansprache im Fernsehen gehalten. Kommt nun die von vielen befürchtete und erwartete Ausgangssperre?

Ab Montag gilt eine Kontaktsperre für alle Bundesländer: Versammlungsverbot im öffentlichen und nicht öffentlichen Raum, physischer Kontakt mit nur einer Person ausgenommen Familien. Nur Bayern hat im Alleingang eine Ausgangssperre eingeführt. „Mir san mir“ ist im bayrischen Dialekt wohl die Grundlage dafür.

Nach einer anfänglich zeitlichen Begrenzung der Öffnungszeit von Lokalen und Cafés nun die komplette Schließung. Speisen zum Mitnehmen dürfen verkauft werden. Wir gehen selten auswärts Essen, aber wenn ich an die stets gut gefüllten Restaurants und Cafés hier im Stadtteil denke, ist das eine harte Maßnahme für die überwiegend jungen Städter. 

Am Samstag in eine gute Freundin im europäischen Ausland plötzlich und völlig unerwartet verstorben. Schnell wird uns bewußt, das wir weder zur Trauerfeier fliegen könnten, noch uns zu einer privaten Trauerfeier im engeren Freundeskreis hier in Hamburg zusammenfinden werden.  Welche Tragweite die Schutzmaßnahmen unserer Regierung haben, spüren wir jetzt allzu deutlich. In meiner Kirche verabschiede ich mich mit einem kleinen Ritual von meiner Freundin. In anderen Kirchenbänken sitzen vereinzelt Menschen im stillen Gebet. Ganz hinten höre ich ständiges „Geplapper“, zwei Verkäufer der Obdachlosen Zeitung HinzundKunz. Ich bin nicht in der Stimmung ein Heft zu kaufen. Schwere Zeiten für die zahlreichen Obdachlosen in dieser Stadt.

Das Wetter ist ja im kühlen, oft regnerischen Hamburg immer ein Thema. In dieser Woche, Mitte März, mit 12 grad ungewöhnlich warm und sonnig. Für die verhängte Kontaktsperre und den Aufruf zuhause zu bleiben kontraproduktiv. Die Parks und sonstigen Grünflächen sind nachgefragt, glücklich wer einen Balkon oder eigenen Garten hat. In den nahegelegenen Schrebergärten genießen Familien mit Kleinkindern ihr Idyll. Ich bin ein bißchen neidisch, genieße den Sonnenschein aber auch bei meinem Spaziergang. Der Serotonin Spiegel steigt, ein bißchen Hochgefühl das wir  alle gebrauchen können.

Das der Verlust von physischem Kontakt Auswirkungen hat kann man in dieser Woche spüren. Experten bestätigen das virtueller/digitaler Kontakt kein Ersatz ist. Meinungsverschiedenheiten im Freundeskreis und Auseinandersetzungen mit Nachbarn über Nichtigkeiten, auch über den Gartenzaun hinweg, zeigen wie schwierig die Kontaktlosigkeit für viele Menschen ist. Am Abend sind sich alle wieder einig in unserem Carré. Abendlicher Applaus und Jubel für die Menschen die unser tägliches Leben mit ihrer Arbeit aufrechterhalten.

Durch Zufall entdecke ich am Ende der Woche, das unsere favorisierte Eisdiele Eisliebe geöffnet hat. Mit einem Becher köstlichstem Eis mit Sahne spaziere ich durch den Stadtteil. „ Hat Eisliebe geöffnet? Das ist ja ein gutes Zeichen!“ werde ich von einer Dame angesprochen. Eine Begegnung in dieser Stadt wie ich sie sehr schätze, zugewandt und freundlich. Sie freut sich mit mir und sicher auch auf ihr Eis an diesem Nachmittag. 

In nebligen Zeiten II

Corona Tagebuch Woche 2

Shutdown! alle Geschäfte außer Supermärkten, Drogerien, Apotheken, Blumen, Friseuren, die unser alltägliches Leben versorgen, bleiben geschlossen. Wir schließen unseren Laden auch; besetzen abwechselnd das Büro und bleiben telefonisch und per Mail erreichbar.

Das WorldWideWeb funktioniert.

Wir kommunizieren in unseren sozialen Netzwerken, der Online Handel boomt. Ist das jetzt der Moment den Online Handel als Segen und Chance zu begreifen? Ich entscheide mich beim Buchhändler um die Ecke anzurufen. Schon am Nachmittag werden mir die bestellten Bücher per Bote gebracht. Den schon länger gewünschten Frühjahrs Mantel bestelle ich dann doch im Onlineshop des Herstellers. 

Mit meiner 5- jährigen Enkelin zu skypen und eine Live Übertragung aus dem Planetarium im Netz zu schauen ist neu und zugleich beglückend. „Schickst du mir mal wieder einen Brief?“ ist allerdings ihre drängendste Frage. Wie lange wir das noch machen werden, uns ganz analog per Post Texte schicken mit hübschen Bildern, bunten Sternchen und farbigem Glitzer Klebeband. Kleiner Nostalgie Abstecher.

In dieser Woche schließen die Kirchen, Fitness Clubs und alle Institute für Yoga, Pilates, Meditation und vieles mehr. Wie halten wir uns jetzt fit? Joggen ist die Antwort. Wir entscheiden uns schnell noch einen Hometrainer zu bestellen. 2:1 für den Online Handel. 

Schließung der Ländergrenzen innerhalb Europas, innerhalb Deutschlands und Reduzierung des Flugverkehrs schränken unserer Bewegungsfreiheit weiter ein. Unser geplanter Osterurlaub auf Sylt wird storniert. Zuhause zu bleiben ist der ausdrückliche Wunsch der Bundesregierung,  der durch Kampagnen vieler Prominenter  mit Songs, Videos unterstützt wird.  „Wir sind hier, bleibt ihr zuhause“ ist ein Aufruf der Ärzte und Pflegenden. Ich verhalte mich so, auch wegen meiner Vorerkrankung die mich zur Risikogruppe zählen läßt. Liebevolle Anfragen meiner Kinder nach einem möglichen Lagerkoller kann ich bis jetzt verneinen. Ein täglicher Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein hilft mir dabei.

Unsere wöchentliche Beschaffung von Lebensmittel haben wir in einen Supermarkt verlagert, der weniger Zulauf hat. Zusätzlich wird die Menge der Einkäufer begrenzt. Wir bilden draußen eine Schlange, 2m Abstand zum Vordermann. Einkaufswagen werden für jeden Kunden einzeln desinfiziert, Klebebänder auf dem Boden markieren Mindestabstände. Die Kassierer haben eine Plastikwand als Schutz vor Speicheltröpfchen. Bestimmte Waren sind auch in dieser Woche ausverkauft. Die Einkaufsmenge pro Artikel / Person ist begrenzt und wird an der Kasse kontrolliert und einbehalten. Wie sagte jemand so treffend: „Hamstern rückwärts.“

In dieser Woche haben wir einen Geheim – Tipp entdeckt: ein Delikatessen und Großhandel für Lebensmittel am Fischmarkt. Nudeln ohne Ende und viele Leckereien mehr. Der Name Frische Paradies könnte nicht treffender sein in diesen Tagen.

In nebelige Zeiten I

Corona Tagebuch – Woche 1

In den ersten unklaren Tagen der Ankunft Corona in Deutschland wird mein fünftes Enkelkind geboren. Einschränkungen im Krankenhaus gibt es noch nicht. Ich fahre nochmal nach Berlin um den neuen Erdenbürger und die vier anderen Enkel zu sehen. 

Husten, Nase laufen, Niessen? Bloß nicht, alles ganz unpassend jetzt.  

Drei Tage später auf der Rückfahrt, im RBB die Gewissheit: Schul- und Kita Schließung, Theater und Kinos geschlossen, Konzerte werden abgesagt. Am Nachmittag das gleiche Szenario für Hamburg. Auf der Autobahn zwischen Berlin und Hamburg ist meine Welt noch in Ordnung, der Wagen schnurrt dahin, die Musik ist nach meinem Geschmack, und Corona wohl auf einem anderen Stern.

Seit Anfang der Woche geht dieses verrückte Gerücht mit dem Klopapier und den Nudeln um. Wir überzeugen uns am Abend selber: diese Regale sind leer. Wochenendeinkauf ist unser Plan oder darf es noch etwas mehr sein? Ich kann mich dem Gedanken, was wir im Notfall, was immer das 2020 in Mitteleuropa bedeuten mag, brauchen nicht entziehen. So landen Obst im Glas, Toast, Käse und Wurst mit Ablauf Mai, muss man drauf achten:)  in größeren Mengen auch im Wagen. Stehen Chips und Schokolade auch auf der Liste vom Bundesministerium für Ernährung? 

„ Ich lege doch jetzt keinen Hamstervorrat an“, nein zu denen möchte ich nicht gehören. Nur das Notwendige funktioniert aber auch nicht. Wohl überlegt sollte es auch sein, kopflos gestatte ich mir nicht. Was da so alles los ist zwischen Sorgen-losigkeit, Sinnvoll-los, Un-solidarisch. 

Ähnliche Gedanken meine ich auch bei anderen Einkäufern zu erkennen. Denen die nur 3 Dinge mit Leichtigkeit zur Kasse schieben, denen die offen über die Hamsterkäufer lästern und wütend die leergekauften Regale absuchen und alles dazwischen.

Lebensmittelvorräte anlegen ist das Gebot der Stunde. Das Medikamente auch gehamstert werden ist mir heute noch nicht klar. Desinfektionsmittel sind schon seit einer Woche ausverkauft. Ich bin noch zuversichtlich das Nachschub kommt. 

Am Freitag dieser Woche fühlen wir uns mit gut gefülltem Kühlschrank und zwei kleinen Flaschen Handdesinfektion gut gewappnet. 

Fernsehen, Radio, Internet, Zeitung egal welches Medium ich an diesem beginnenden Woche bemühe, Corona ist allgegenwärtig. Keinen Nachrichten vom immer noch andauernden 3-jährigen Krieg in Syrien, keine Meldungen vom Flüchtlingsstrom der an der europäischen Grenze in Griechenland festsitzt. Die Bilder und Zahlen aus China, dem ersten und Ausgangsland der Epidemie, schockieren und lassen uns mutmaßen wie und wie schnell die Verbreitung in Europa sein wird.

Am Samstag rechnen wir in unserem Geschäft mit wenigen Kunden und der Entscheidung der Bundesregierung, alle Geschäfte zu schließen. Beides erweist sich mehr als berechtigt. 

fraglich fromm, gewiß frei

1968 starben innerhalb von zwei Jahren eine Millionen Menschen während  einer Grippepandemie. 2002 /2003 war die erste Pandemie des 21. Jahrhunderts.

In meinem Tagebuch möchte ich die Ereignisse im März/ April 2020 für meine Enkelkinder festhalten. Ich bin sicher, das sie alle Informationen über die Corona Grippepandemie im Jahr 2020 zukünftig in einer News cloud nachlesen können. Mein Tagebuch erzählt davon was Zahlen, Daten und Fakten nicht können: wie ich/ wir diese Zeit erleben.

 

Halleluja singen gehen

Wir treffen uns um 18.00 am Pilgerwegweiser der St. Jacobi Kirche. Er zeigt in die Himmelsrichtung vieler bekannter Pilgerstätte wie Santiago di Compostella, Jerusalem (5100km). Die Hafencity, unser heutiges Ziel, liegt nur einen Steinwurf entfernt. Abendlicher Pilger Spaziergang.

Ich freue mich Bernd und Michaela, eine Israel Mitreisende, wiederzusehen.

Halleluja

Hallel wie Hallal wie Loben

U wie wir

Ja wie Jave wie Gott

Wir loben Gott

Und das tun wir mit Hilfe unserer Liederzettel und Bernds Ermunterung nach Kräften, auch falsch, mitzusingen. “ Daraus wird dann irgendwann richtiger Gesang.“ Solange werde ich in die Brummer Gruppe von Bernd eingeteilt. Trifft es ziemlich.

Unser erster Stopp zwischen modernen, hoch aufragenden, eng stehenden Häusern der Hafen City. Die Sonne kann uns in der Häuserschlucht nicht erreichen. So stehen wir im zugigen und kalten Schatten und denken über Bernds Frage nach:“ Was macht es mit uns, wenn wir Halleluja singen?“ Gott zu loben und zu danken ist den meisten der kleinen Pilgergruppe vertraut und sie erzählen davon.

Das gemeinsame Singen macht mir Freude. Dieses Wort Halleluja lässt sich wirklich schwungvoll singen. Bernd ist mit dem „Sound“ zufrieden.

Zwei der jüngst angelegten Parks in dem ehemaligen Industriegebiet sind unser Ziel. Vom Brachland zur blühenden Oase. Der LohsePark verdankt seinen Namen dem Architekten Lohse, der die nahe gelegenen Elbbrücken erbaut hat. Hier herrscht heute Sommerabend Stimmung. Lange, fest installierte Stuhlreihen laden zum Sitzen und Klönen ein. Die Bäume, Pflanzen und  Rasenflächen scheinen hier natürlich hinzugehören, obwohl sie erst vor ein paar Jahren in diesem Brachland angepflanzt wurden. Halleluja.

Breite Straßen, die klangvolle Namen wie Shanghai Allee u.ä. tragen und die U-Bahn Hafencity zeigen den urbanen Charme dieses neuen Stadtteil. Allmählich erreichen wir das Ende des bebauten Abschnitt. Jenseits der Elbe der kleine Grasbrook. Dort war Olympia geplant. In den nächsten Jahren wird auch hier ein weiteres Wohnquartier entstehen.

Der Baakenhafenpark ist unser nächster Stopp. Vor der Entwicklung des Hamburger Hafen weiter elbaufwärts, war hier der Hafen. Baaken,  Wegweiser und Warnzeichen für Schiffer bei der Einfahrt in Häfen, sind die Namensgeber des Gelände.

Bernd will mit uns den Sportbereich des Parks erkunden. Beeindruckend was der Freizeit Sportler hier vorfindet: Fitnessgeräte, Basketballfeld, Trampoline, Rennstrecke für Läufer. Klassische Schaukeln und Sandkästen fehlen auch nicht. Der kleine Berg ist in dem flachen Gelände ein Höhepunkt. Bernd und sein Pilgerstab finden ihren „vertrauten Platz“.

Inmitten der Obstbäume picknicken Anwohner und genießen die grüne Oase zwischen Elbe, Baustelle und Schotter. Noch merkt man dem Baakenhafenpark an, dass er auf dem Reißbrett geplant wurde. Ich bin gespannt, wie es sich in 1-2 Jahren anfühlt.

Auf unserem Rückweg entdecken wir das Hostel von dem Bernd erzählt hat. Die Zimmer mit Elbblick sind sicher toll, zur „Landseite“ allerdings abenteuerlich.

Genau hier singen wir zwischen Bauzäunen unser letztes Halleluja von Leonard Cohen. Eine 4er Gruppe junger Männer mit Ghettoblaster hält mit ihrem Lied, nennen wir es umgangssprachlich, lautstark dagegen.  Was die Jungs wohl gedacht haben? Ein Haufen alter Leute die mit ihrem Pastor Halleluja trällern? Ihr primitives Geschrei irritiert mich. Bernd schenkt ihnen ein Lächeln und spricht weiter über die Geschichte von Nathan und David. Halleluja

Auf dem Hinweg habe ich die Gedenktafel des Hannoverscher Bahnhof im Lohse Park schon entdeckt. Bis 1906 war er der Bahnhof für alle Personenzüge die bei Hamburg die Elbe überqueren wollten; danach einer der wichtigsten Güterbahnhöfe.

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Die Gleise und der alte Bahnsteig erinnern hier aber auch an die Deportation von Juden, Sinti und Roma zwischen 1940 und 1945. Mitten in diesem neu entstandenen Park eine Gedenkstätte aus der schmerzlichsten Vergangenheit dieser schönen Stadt, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft  und Religion heute einträchtig zusammen leben.

Kühlungsborn – Warnemünde

Auch der 3. Morgen auf unserer Ostsee- Rad -Tour weckt uns mit strahlendem Sonnenschein. Heute sind alle früh auf den Beinen um schon um 9.00 auf dem Rad zu sitzen. Plattfuß! Brigitte hat einen platten Vorderreifen.

Dieser Umstand verschafft mir etwas Zeit für die Organisation meiner Rückfahrt mit der Bahn. Laut DB lassen sich keine Fahrradkarten für die heutigen Verbindungen Rostock/ Hamburg buchen. Okay, also ein Ticket ohne Fahrradkarte und auf mein Glück vertrauen. Erfahrene Bahn/Radreisende berichten von übervollen Fahrradabteilen, Staus vor den Fahrstühlen beim Umsteigen und knapp verpaßten Zügen.

Nach knapp 30 Minuten ist das Rad geflickt und wir starten nochmal neu. Entlang der Küste geht es über Heiligendamm nach Warnemünde. Heute am Freitag radeln viele Urlauber die kurzen Etappen zwischen den Badeorten gemütlich dahin. Wir teilen uns den schmalen Weg mit ihnen und den Profi Wochenend-Radler-Gruppen. Nicht zu übersehen in ihren neongelben, grünen, orangen und pinken Trikots. Dezente Grau-und Naturtöne sind den vornehmen Gästen im Grand Hotel Heiligendamm vorbehalten. „Den Badischen“ genügt ein ferner Blick auf die Seebrücke und Hotelanlage.

Die letzten 8 km bevor ich die Gruppe in Warnemünde verlasse. Mit der Fähre überquert diese hier die Warnow auf ihrem Weg nach Fischland. Alle begleiten mich vorher durch das Stadtzentrum Richtung Bahnhof. „Hübsche Cafés und schöne Laden gibt es hier“. Meine Begeisterung wandelt sich in blankes Entsetzen als wir den Bahnhof und das Kreuzfahrt Terminal in unmittelbarer Nähe erreichen. Zwei der Giganten liegen dort vor Anker und „spucken“ tausende Passagiere aus. Nichts wie weg hier.

Ich entscheide mich spontan in die abfahrtbereite S-Bahn einzusteigen. Das verschafft mir in Rostock etwas mehr Zeit zum Umsteigen. Eine kurze Umarmung mit meiner Freundin, der Gruppe schicke ich aus der Bahn liebe Grüße und Wünsche für die Weiterfahrt.

Der Umstieg in Rostock ist auf dem gleichen Bahnsteig, super. Mehr super gibt es dann aber nicht: der Zug ist voll mit Strandurlaubern, Schülern auf Klassenfahrt, Kinderwagen und Fahrrädern. Ich schaffe es auch noch hinein. Froh, dass es geklappt hat, lasse ich mich in den Heimat Bahnhof rollen.

Boltenhagen – Kühlungsborn

Das Landhotel Ferienpark bietet alles was der Ostsee Radler braucht: einen sicheren Schuppen für´s Fahrrad, eine gute Dusche, handfeste Mahlzeiten und ein (halbwegs) gutes Bett zur Regeneration. Alle Zimmer im 70- er Jahre DDR Charme, herrlich.

Pünktlich um 9.30 aufsitzen – „autsch tut mein Po weh“. Erst geht es eine steile Abfahrt zur Ostsee runter und da merke ich es, meine Trinkflasche ist an der Rezeption stehengeblieben. Die Triathlon Flasche lasse ich auf keinen Fall zurück. Umdrehen und  fröhlich im kleinsten Gang den Aufstieg nehmen. Frühstart.

Der Ostsee Radweg ist auf diesem Abschnitt das erste Mal direkt hinter dem Strand. Wir passieren Campingplätze, ein Kinderland-Spielparadies, eine Beach Lounge und Parkplätze mit ausreichend Kapazität für Strandbesucher. Eine Überquerung  der Landstraße bringt uns wieder in Wiesen, Felder, Häusern umsäumt von Stock-und Kletterrosen. Und immer wieder kleine Ausblicke auf weiße Segel am Horizont. Kirschbäume mit reifen Früchten laden zum Halt ein, leider sind sie in Mannshöhe alle abgepflückt. Landidylle in Mecklenburg-Vorpommern.

In der Ferne sehen wir dann Industrie, die Vorboten von Wismar. Kurz vor der Stadtgrenze durchfahren wir eine Schrebergarten Kolonie. “ Lieder der Nacht für uns gemacht, aha“ schmettert da Marianne Rosenberg. Das traut sich kaum noch jemand so laut und öffentlich zu dudeln. Mich freut´s und der Ohrwurm ist garantiert.

Meine Freundin und ich wollen unbedingt etwas von der Stadt sehen. Zum  Marktplatz schaffen wir es mit den Anderen, auch um kurz eine Kaffee Rast zu machen. “ Den Hafen sollte man sich auch unbedingt anschauen!“ findet kaum Echo in der Gruppe, aber……wir kommen an ihm vorbei. Ein kurzer Blick auf die bunten Kutter und schwimmenden Fischgeschäfte. Fischbrötchen? Essen wir beim nächsten Wismar Besuch. Heute radeln wir weiter, vorbei am Industriegebiet mit riesiger Werft Halle und Halden von Holzstämmen zur Verarbeitung von Paletten. Riecht wenigsten gut nach frischem Holz.

“ Jetzt fahren wir den Radweg parallel zur Straße.“ stimmt uns Alex auf die nächsten Kilometer ein. Mit kleinem Gang bergauf, runterrollen lassen und dann rechtzeitig mit großem Gang Schwung holen und mit kleinem Gang bergauf. Langsam habe ich den Bogen raus.

Südlich von Rerik schlängeln sich der Weg entlang des Salzhaff. Schönes Fotomotiv die Mühle am Salzhaff. Ein Haff bildet sich durch einen Sandhaken, Nehrung, der das Haff vom Meer abtrennt. Das Brackwasser enthält 12 Promille Salz, Salzhaff. Im Hafen von Rerik gönnen wir uns eine zweite Pause und ich mir einen Ostsee Flip, Sanddorn mit einer Kugel Vanilleeis. Kurz die Meerjungfrau bestaunen und wieder rauf auf´s Rad Richtung Tagesziel Kühlungsborn.

Sowas kommt von sowas. Meine Freundin und ich haben in voller Fahrt die Abzweigung verpasst und werden dafür auf unserem kleinen Umweg mit den zwei höchsten Erhebungen des Tages „belohnt“. Nach knapp 70km erreichen wir das schöne Seebad Kühlungsborn. Unsere Pension liegt an der Seebrücke ganz am Ende des Ortes. Alte Bäder Architektur, strahlend weiß verputzt, gepflegte Parkanlagen, einladende Strandpromenade, hellblaue Strandkörbe und nette Gäste wohin wir schauen. Unsere Unterkunft ist auf den ersten Blick nicht so strahlend weiß. Die Zimmer, Frühstücksraum und Café zeigen dann den sanft renovierten alten Glanz. Hellblaue Stoffe und viele andere kleine Details machen es zu einer Pension nach meinem Geschmack. Hier würde ich jederzeit wieder einkehren. Der Preis inklusive eines gesunden Frühstück machen es perfekt.

Vor dem gemeinsamen Abendessen genießen wir beiden Frauen die Sommerabend Stimmung am Strand. Ein perfekter Tag!

Ostseeküsten – Radweg 2

Als die Anfrage meiner Freundin aus Wiesbaden kam, mit ihr und vier Freunden den Ostseeküsten Radweg, zumindest in Teilen,  zu fahren bin ich sofort begeistert.

Die Strecke direkt „vor unserer Haustür“ ist jenseits von Lübeck Neuland für mich. Die alten Ostseebäder reihen sich wie Perlen an einer Schnur. Schon beim Vorlesen entstehen Bilder von schöner alter Bäder Architektur, endlosen Stränden, weißen Segeln und viel Natur.

Meine  Freundin Sabine hat die notwendigen professionellen Fahrradrucksäcke zum Ausleihen. Das übrige Equipment habe ich, es ist dem beim Pilgern sehr ähnlich. Apropos, ich bin gespannt welche Parallelen es sonst gibt.

Treffpunkt 9.20 Lübeck Hbf. An einem Wochentag sind kaum Radler in der  Regionalbahn. Ich kann mich im Fahrradwaggon bequem ausbreiten, Müsli und einen ersten Kaffee genießen und das Hamburger Abendblatt lesen. Kurzurlaub. Am Bahnhof einen kurze Vorstellungsrunde und schon heißt es Aufsitzen. Voraus fährt Alex, der die Fahrradkarte hat und auch sonst den Plan, hoffe ich. Der Endpunkt der Tagesetappe ist nämlich noch ungewiss, ein Quartier nicht gebucht.

Innerhalb der Stadt muss jeder konzentriert fahren. Das Überqueren von Ampeln und Kreuzungen ist in der 6er Gruppe nicht nur für uns eine Herausforderung. Der Ostseeradweg zeigt sich allmählich in schmaleren Straße und rutschigen Sandwegen. Der erste Sturz – ohne Schäden für Fahrer und Rad. Durch Wald und Feldwege geht es Richtung Travemünde.

“ Ich laufe vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Deutschlands.“ erzählt uns eine Wanderer an einer Weggabelung. “ Am Ellbogen auf Sylt bin ich gestartet.“ 400km ist er in 2 Wochen bis Lübeck gelaufen. In Garmisch werden es am Ende 1400km sein. Während ich ihm noch nachschaue werden mir zwei Dinge klar: Wandern ist meine Reiselust. Mir fehlt der Mut eine große Pilgerung alleine zu machen.

Gegen Mittag sehen wir von weitem das „Wahrzeichen“ Travemündes: das Hochhaus mit riesigem Logo Maritim Hotel. Eine typische Bausünde aus den 60er Jahren. Die Wiesbadener gönnen sich eine Stück Niederegger Torte inmitten des Fußgänger Trubel. Mir bleibt der Charme dieses Ortes verborgen. Auf einer Bank Blickrichtung Ostsee genieße ich mein Lunchpaket.

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Mit der Fähre, öffentlicher Nahverkehr,  geht es herüber nach Privall, einer 3km langen Halbinsel. Der Ostseeradweg führt hier entlang der Steilküste, bergab bergauf. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Die alte Radfahrer Weisheit, dass der Wind immer von vorne kommt, bewahrheitet sich heute erfreulicherweise nicht. Der ständige Höhenunterschied fordert schon meine ganze Kraft.

Für den Rest des Tages ist das mein Ausblick: links unzählige Zugänge zum Strand mit kleine Ausschnitten der Ostsee, rechts Roggen, Weizen, Gerste und Raspfelder mit blauen und roten Farbtupfen. Kornblumen- und Mohnblüten.

Am späten Nachmittag erreichen wir unsere Tagesetappe Boltenhagen. Bevor wir unser Quartier in weiteren 8km Entfernung Richtung Wismar erreichen, genießen meine Freundin und ich ein Stück Kuchen in einem Traditions Café in Strandnähe.

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Neve Shalom – Tel Aviv – Hamburg

4.30 Bethlehem Abrahams Herberge. Der Ruf des Muezzin ist heute morgen besonders laut, das Minarette steht direkt vor unserem Zimmer. Nach zehn Tagen fühlt sich der Ruf  „Allaaaaah“ alltäglich und vertraut an.

Ähnlich ergeht es mir beim letzten Kofferpacken. Viermal haben wir in dieser Zeit das Quartier gewechselt. Sachen raus und rein, suchen, umschichten, neu sortieren. Weniger wäre hier sicher mehr gewesen.

Beim Verlassen der Stadt sehe ich die Mauer, die das Westjordanland von Israel trennt. Sicherheitsmaßnahme. Passieren kann nur, wer eine Genehmigung von der Israelischen Regierung hat. Innerhalb der Stadt teilt die Mauer Straßen und Wohngebiete und schafft Ghettos. Im Vorbeifahren entdecke ich das Graffiti `Flower Thrower` des Amerikaners Banksy an einer Tankstelle.

Das Mauer- Thema findet in unserer Gruppe keinen Platz. Bertil begnügt sich mit dem Hinweis, dass es sie gibt. Ein schweres und schwer erklärbares Thema in diesem Land. Der letzte Programmpunkt vor unserer Abreise ist das Dorf Neve Shalom. Hier leben palästinensische und jüdische Familien gleichberechtigt und friedlich miteinander. Das Ungesagte von heute Morgen bekommt nun doch noch Raum.

Rita, ein Gründungsmitglied und im Vorstand tätig, begrüßt uns in einem Gruppenraum des Dorfes. An Ihrer Seite junge Frauen um die 20 Jahre alt, auch ihre Tochter ist dabei. Rita spricht mit Stolz von der „next generation“. Seit den 1970 er Jahren leben hier auf den Hügeln von Latrun jüdische und palästinensische Familien gleichberechtigt und friedlich miteinander. Nun sind es ihre Kinder, die die Idee weiterleben und das Projekt in die Welt tragen. Wenn dieser Schritt gelingt, wird das Dorf weiter bestehen und seine Projekte Früchte tragen. Die Anfrage von ca. 90 weiteren Familien, die sich in nächster Zukunft hier ansiedeln wollen, trägt auch dazu bei.

Im Dorf gibt es eine binationale, bilinguale und interreligiöse Grundschule. Arabische Kinder sprechen meist jüdisch – umgekehrt nicht. Man versteht sofort wie elementar die Zweisprachigkeit in diesem Frühstadium ist. „Education is the main thing!“ Die Friedensschule, das Peace College, Sommercamps für Praktikanten und Studenten sind weitere „main things“. Mittlerweile spricht Rita über eine Stunde und ermahnt uns sie zu stoppen, da Sie noch stundenlang von ihren Projekten und dem „change of minds“ erzählen könnte. Da haben wir keinen Zweifel. Unter www.wasns.org kann jeder mehr darüber erfahren.

“ Wo betet ihr?“ Wie funktioniert hier, was im übrigen Land zu Aus-und Abgrenzung führt? „A simple basic place – the common language is silence – sit on  the floor, cloth your eyes and be with your confession.“ Dieser einfache Ort ist eine Kugel mit fünf runden Fenstern zum Himmel, für alle großen Weltreligionen eins. Bernd stellt seinen Pilgerstab in die Mitte und wir folgen Ritas Rat: setzen uns auf den Fußboden, genießen den Ausblick und die Stille.

„All celebrate the holy days and talk about light.“

Unsere Pilgergruppe versammelt sich im angeschlossenen Hotel zum letzten arabischen Mittagessen und dann heißt es Abschied nehmen. Bernd läßt unser Pilgerreise nochmal vor unserem inneren Auge ablaufen, bevor wir in die unpersönliche Atmosphäre des Flughafen eintauchen. Ich nutze die Gelegenheit um Bertil mit einer Umarmung zu verabschieden. Adel, unser Busfahrer, wird mit einem Trinkgeld, großem Applaus und Dank verabschiedet. „Alla da?“ war seine tägliche Frage, die wir ihm heute lachend  zurückgeben. „Alla da!“

Bertil bringt uns bis zur letzten Kontrolle – noch einmal umdrehen und winken. „Wir sehen uns nächstes Jahr in Tel Aviv!“

Battir – Beit Sahur – Bethlehem

Vor unserer Abreise ein letzter Blick in den wunderschönen Garten des Lutheraner Hospiz. Ich möchte noch einmal nach Jerusalem kommen und wieder hier wohnen. Eine Oase inmitten der Altstadt mit traumhaftem Ausblick.

Durch die palästinensischen Autonomiegebiete geht es auf der Straße 60, die von Nazareth nach Hebron in Nord/südlicher Richtung führt, zu den Hirtenfeldern und der Geburtskirche in Bethlehem.

Wir befinden uns jetzt in einer sogenannten A- Zone des Westjordanland. Direkt nach dem Checkpoint weist ein übergroßes Straßenschild darauf hin, dass Israelis hier keinen Zutritt haben. Sie steht unter alleiniger Verantwortung der Palästinenser, die B-Zone unter administrativer palästinensischer Verwaltung und israelischer Sicherheitsverantwortung, die C-Zone in israelischer Verwaltung und Sicherheitsverantwortung. Ausgehandelt als Oslo Abkommen soll die A-Zone ein erster Schritt in Richtung zwei Staaten Lösung sein.

Die Terrassengärten von Battir sind unser erster Stopp. Sie gehören zum Unesco Welterbe. Zu allen Zeiten haben Menschen hier Landwirtschaft betrieben. Im Tal zieht sich der Weg durch Olivenhaine. „Sieht aus wie auf Mallorca.“ Mediterrane Landschaft.

Zeit für eine Geschichte aus der Bibel. Ahab, Isebel und ein Weinberg. Inmitten der Weinreben um uns herum passend. „Ahab begehrte Nahobs Weinberg. Als dieser sich weigert sich von dem Erbe, das Gott seinen Vätern geschenkt hatte, zu trennen, veranlasst Isebel seinen Tod und gebot Ahab, den Weinberg in Besitz zu nehmen.“ Es geht um Gewalt, Blut vergiessen, Demütigung, Verrat. „Ahab demütigte sich vor Gott“

„Warum erzähle ich euch diese Geschichte? Gott ist nicht in der Gewalt, nicht in dem Geschrei, nicht in dem Geschrei der Hamas. Gott ist in dieser friedlichen Natur. Gottes Werk ist vollbracht wenn Frieden herrscht“.

Bernds Erklärung läßt uns etwas ratlos zurück. Menschen haben das alles in sich. In kleinen Gruppen wird die Diskussion nach dem Warum und Wieso weitergeführt. Zwei Pilgerinnen sprechen von Jesus, als ob er täglich an ihrem Küchentisch säße. Ich bin irritiert über soviel Gewissheit.

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Nächste Station an diesem Tag ist Daher`s Weinberg. Es ist die Farm des Palästinensers Daoud Nassar, der dort das Friedensprojekt Zelt der Nationen betreibt. Die Familie Nassar darf keine Gebäude auf ihrem Grund und Boden errichten. In unmittelbarer Nähe entstehen monumentale israelische Siedlungen. Daher´s Toiletten sind Holzverschläge mit kompostierbaren Behältnissen. Wasser und Strom beschaffen sie selber. Seit über 20 Jahren „halten sie diese Stellung“ auf ihrem Land, wo sie ökologischen Obst, Gemüse-und Weinanbau betreiben. In einem einstündigen Vortrag erklärt uns einer der Brüder das Projekt. Bei einem abschließenden Rundgang erstehen wir die Früchte ihrer Arbeit: Rotwein, Kräuter, Marmelade, Mandeln. Viel Applaus und Anerkennung gibt es von der Gruppe.

Daoud Nasser reist durch die ganze Welt um sein Projekt bekannt zu machen und Spenden zu sammeln. Ich habe ein paar seiner Prospekte mitgenommen um in Hamburg davon zu erzählen.

Unweit von Bethlehem, in Beit Sahur, besuchen wir die Hirtenfelder auf denen, laut Überlieferung, den Hirten die Geburt Jesu verkündet wurde. Hier ist die Situation mit den arabischen Händlern unangenehm. Ein Junge mit einem kleinen Schaf auf dem Arm versucht sich als Fotomotiv zu verkaufen. Hirtenflöten passend zum Hirtenfeld. Wir flüchten zur Franziskaner Kapelle.

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Der Stern von Bethlehem. Im Planetarium in Hamburg kann man sich den Sternenhimmel der Heiligen Nacht erklären lassen: das gemeinsame Leuchten von Jupiter und Saturn.

Die untergehende Sonne bescherrt uns eine leuchtende Kirchenkuppel. Mehr Erhellendes gibt es hier nicht zu entdecken. Bertil spricht von einer Höhle, in der sich die Hirten aufgehalten haben. Ställe hat es zu Christi Geburt Zeiten hier nicht gegeben. Die Überlieferung der Krippe im Stall kommt aus Italien und ist auf Franz von Assisi zurückzuführen.

Nochmal vorbei an den Arabern, die auch ihren Teil vom Christus Tourismus in Israel bekommen wollen, und dann auf nach Bethlehem. In einem völlig überfüllten Parkhaus wird der Bus abgestellt. Die Stimmung ist sofort bedrückend. Das erste Mal auf dieser Reise gibt es eine Anweisung von Bertil: „Zusammenbleiben und zügig laufen!“ Das Halbdunkel und die finster blickenden Mienen der Araber lassen uns den Rat gern befolgen.

Durch einen 1,2m hohen Eingang betreten wir die Kirche. Damit sollte im Mittelalter verhindert werden, das Ritter zu Pferd in die Kirche kamen. Im Inneren ist alles „weihnachtlich dekoriert“. Die Ikonostase, der griechisch orthodoxe Altar, ist beeindruckend. Vor dem Eingang zur Geburtsgrotte mit dem 14 zackigen Geburtsstein, wartet eine indonesische Gruppe auf Einlass. Bertils Plan, hier möglichst spät zu erscheinen, um die endlose Warteschlange  zu vermeiden, scheint aufzugehen. Ja, wenn da nicht die Indonesier wären. Je zwei von Ihnen legen sich in der Grotte unter den Altar und lassen sich fotografieren. Ich gehe nicht in die Grotte – Platzangst, Zeit mich umzusehen.

Ein zum Abschluss von uns angestimmtes Lied wird von einer Kirchen Aufsicht unterbrochen. “ Christen sind hier sicher willkommen?“ kann Bernd seinen Unmut schwer unterdrücken. „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht einmal in deinem Herzen, so bliebest du verloren“.

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5.00  Lutheraner Hospiz. Die Hälfte unserer Gruppe wartet im Foyer auf Pastor Lohse. Er hat uns freigestellt ihn heute Morgen zu begleiten. Die Straßen liegen im gelblichen Dunkel, außer uns scheint niemand unterwegs zu sein. Auf dem Vorplatz strömen dann aus allen Richtungen Menschen zum Eingang der Grabeskirche.

Die Grabeskirche ist in den Händen von sechs christlichen Konfessionen: die Hauptverwaltung haben die griechisch-orthodoxe, die römisch-katholische, vertreten durch den Franziskaner Orden, und die armenisch-apostolische Kirche. Die im 19.Jahrhundert hinzugekommene syrisch-orthodoxe, die Kopten und die äthiopisch-orthodoxe Kirche haben nur kleinere Schreine. Protestantische Kirchen sind nicht vertreten. In Fernsehreportagen habe ich gesehen, wie der Anspruch der großen Religionsvertreter in Streitigkeiten endet, wenn es um die Einhaltung der Gottesdienst-Zeiten geht oder um die Schlüsselgewalt. Mit Frömmigkeit und Nächstenliebe hat das wenig zu tun. Heute morgen bin ich allerdings zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Die Dimension der Kirche, Bilder, Kronleuchter, Kerzenständer, Öllampen, Altäre, Fresken, alles in beeindruckender Größe.

Bernd hat mir schon vorher erzählt, dass er einen Stein in die Grabhöhle Jesu legen möchte. Wer weiß welche das ist? Ich habe mir nichts vorgenommen, lasse mich treiben, beobachte und nehme die Stimmung in mich auf. Alle flüstern nur, gehen andächtig und ehrfürchtig. Golgotha – das Kreuz, durch eine kleine Öffnung unter einem Altar kann man den Felsen berühren. In die Gruft kann man hinabsteigen. Ich sehe Menschen, die tief bewegt sind, auf Knien liegend, die Hände zum Himmel strecken, Gebete sprechen und Felsen berühren. Wie vielfältig die Möglichkeiten sind zu seinem Gott zu beten. Anderthalb Stunden später streben wir hinaus, hinein werden es immer mehr. Mir fällt ein junges Pärchen, beide Anfang 20, auf.“ I can’t believe this holy shit.“ verkündend, eilt der junge Mann seiner Freundin hinterher.

“ Das ist eine tolle Geschichte mit der kleinen Leiter da oben. Die Kirche wird abends von innen verschlossen. Derjenige verläßt sie dann über diese kleine Leiter am oberen Fenster. Am Morgen das gleiche Prozedere rückwärts. Der Schlüssel wird seit Jahrhunderten von einer muslimischen Familie aufbewahrt. Eine andere muslimischen Familie öffnet und schließt die Kirche.“ erklärt uns Bernd. Kompetenzgerangel. Auf dem Dach der Kirche befindet sich das koptische Kloster. Nicht sehr einladend. Die grünen Türen sind Eingänge zu verschiedenen Schreinen. Vor einer betet eine Äthiopierin.

Jerusalem ist erwacht. Wir kehren zum Hospiz zurück um mit den anderen Pilgern zu frühstücken.

Die Morgenandacht halten wir auf einem der zahllosen begehbaren Dächer der Stadt. “ Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Bernd beginnt diesen Tag mit dem Satz aus dem Lukas Evangelium. Es geht um die Auferstehung Jesu. Ich begreife die Frage auch in Bezug auf unsere Reise.

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Hewenu schalom alejchem/ hewenu schalom alejchem/hewenu schalom alejchem/hewenu schalom, schalom, schalom,alejchem. Wir wollen Frieden für alle, Frieden für die Welt.

Mit Blick über die Stadt gibt Bertil uns eine grobe Orientierung: das muslimische Viertel mit seine Kuppeldächern, das christliche mit seinen roten Ziegeldächern und das jüdische mit seinen neuen Gebäuden. Die Kirchtürme, Kreuze und Minarette stehen dicht beieinander und ergeben eine bunte, friedliche Vielfalt – von hier oben.

Unser Weg führt Richtung Zionstor zum Zionsberg. Vorbei an der freigelegten ehemaligen Hauptstraße aus römisch-byzantinischer Zeit. Cardo Maximus. Die Straße war mehr als 22m breit. Vor den Geschäften zur Hälfte überdacht, die andre Hälfte für die Fuhrwerke. Der Cardo bildete die Nord/Südachse der Stadt in römischer Zeit vom heutigen Damaskustor zum Misttor.

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Durch das Javator geht es auf den Berg Zion. Wir besichtigen die Kirche Dormitio, zu Ehren der Entschlafung Maria, das Grab des König David, und den Abendmahlsaal.

Die Fresken in der Krypta stellen Frauen aus dem alten Testament dar. Bertil nennt sie Power- Frauen. Die will ich sehen. Leider gibt es keine weiteren Erklärungen, die Namen Rut, Ester und Isebel machen die Runde. Hausaufgabe. Im Saal des letzten Abendmahl können wir uns einen großen Esstisch, an dem Jesus mit seinen Jüngern das Mahl eingenommen hat, vorstellen. Der Raum hat etwas „Alltägliches“. Ganz im Gegensatz zum Erdgeschoß, wo der Sarkophag des Propheten David steht. Männer und Frauen haben getrennten Zugang – Kopfbedeckung und Schulterbedeckung bei den Frauen ist vorgeschrieben. In einem Haus finden wir hier Synagoge, Moschee und ein christliches Relikt. Bernd spricht von den Schichtungen in Israel.

Von der Dachterrasse eines öffentlichen Gebäudes können wir einen ersten nahen Blick auf den Tempelberg mit der al-Aqsa- Moschee, dem Felsendom und der Klagemauer werfen. Bilder, die wir alle aus den Medien kennen. Krisenbericht- Erstattung im Nahen Osten. Sie sind zum Symbol für Gewalt und Angst geworden. Kleine Auseinandersetzungen, so Bertil, werden großformatig in die Welt gesendet. Die Macht der Bilder hat mich jahrelang von dieser Reise abgehalten. Ich bin froh hier zu sein.

Dort wo heute der Felsendom steht, wurde erst der Salomonische Tempel und nachfolgend der Herodianische auf dem künstlichen Plateau erbaut. An der Klagemauer, dem Rest der Mauer die das gesamte Areal umgab, beklagen die Juden den Verlust ihres Tempel, zerstört von den Römern. Geschichte in Kurzfassung. Seit der 2. Intifada im Jahr 2000 haben nur noch Muslime Zutritt zu ihrem Heiligtum, dem Felsendom, und der al-Aqsa-Moschee. Der Tempelberg ist der umstrittenste, heilige Ort der Welt.

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Durch eine Sicherheitsschleuse gelangen wir auf den Vorplatz der Klagemauer, dem Hof der Völker. Am Eingang für weibliche Besucher werde ich aufgefordert, meine Kette mit Kreuz abzunehmen. Der kleine Platz ist dicht gedrängt mit Betenden/Trauernden. Den Männern steht doppelt soviel Platz zur Verfügung. Ich suche mir einen Stuhl und setze mich in das hintere Drittel. Die Distanz fühlt sich richtig an. Ich kenne keine der religiösen Riten, die die Juden hier praktizieren: Becher an einem Brunnen für Waschungen, Gebetsrituale und Gebetshaltungen, das Einstecken von kleinen Zetteln, rückwärts gehenden Frauen. Pastor Lohse spricht von Gebeten die durch Mauern gehen. Ein starkes Bild, und eine Hilfe für mich, die Klagemauer und die Klagenden zu verstehen.

Freier Nachmittag! Im Sommeroutfit einfach mal durch den Suq zu schlendern, die am Morgen gesehen Silberohrringe in einer kleinen Goldschmiede erstehen, Sachertorte und Einspänner im Österreichischen Hospiz genießen.

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Das hat gut getan, dem Kopf und der Seele eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Unsere Abendrunde spiegelt das wieder: es wir gekichert und laut gelacht über all die fröhlichen Erlebnisse beim Souvenir Shopping und Kaffeekränzchen. Gute Nacht Jerusalem.

 

Jerusalem

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Die Skyline von Jerusalem. Ein Ah!und Oh! geht durch den Bus. Wir nähern uns dem Höhepunkt unserer Pilgerung. Erstmal bleibt es aber ganz irdisch: Equipment wie Regenjacken, Sportschuhe, Wanderstöcke liegen zum spontanen Gebrauch immer im Bus. Heute muss alles mit, der Bus und Adel haben 2 freie Tage. Jeder stopft seinen Rucksack randvoll oder entscheidet sich, so wie ich, ein paar Dinge zurückzulassen. Am Java Tor, einem Eingang zur Jerusalemer Altstadt, holt ein Traktor die Koffer  ab und fährt sie durch die engen Gassen zu unserem Quartier, dem Lutheraner Hospiz. Die Sache mit dem kleinen Gepäck muss ich noch üben.

Zu den letzten Stätten die Jesus vor seinem Tod aufgesucht hat, gehört der Garten Gethsemane und die Kirche der Nationen, auch Todesangstbasilika genannt. Beides erreichen wir auf unserem Weg durch das Kidrontal, sanft hügelig mit wunderschönen alten Olivenbäumen.

Der Garten ist überraschend klein. Hier wurde Jesus in der Nacht vor seiner Kreuzigung von Judas verraten. Inmitten der schönen Blumen und der alten Olivenbäume herrscht heute eine friedliche Stimmung.  Der Felsblock auf dem Jesus vor seiner Verhaftung gebetet haben soll, ist in der Kirche zu finden. Antonio Barluzzi hat sie erbaut, den Namen haben ihr die vielen weltweiten Spender gegeben: Kirche der Nationen.

Durch das Damaskus Tor gelangen wir in die Altstadt. Wie schon gestern angekündigt, gibt es entlang der „aufgereihten Sehenswürdigkeiten“ nur kurze Stopps und Infos um eine grobe Orientierung zu bekommen.

Zisterne von Bethesda, Kirche St. Anna, Stationen der Via Dolorosa, Antonia Festung, Geißelungskapelle, Verurteilungskapelle, Grabeskirche, Erlöserkirche.

Die Zisterne von Bethesda ist einer der kurzen Stopps. Woher kommt denn dieser wunderbare Gesang? Bertils Erklärungen können mich nicht halten, ich gehe zurück zur Basilika St. Anna direkt gegenüber. Was für eine Akustik. Einer 20- köpfigen Gruppe Amerikaner begleitet von einer Chorleiterin verdanken wir diesen Genuss. Chorwechsel. Stille Nacht, heilige Nacht auf Spanisch oder Portugiesisch, mit einer umwerfenden Solistin- wow! Inzwischen ist unsere gesamte Gruppe hier eingetroffen. Bernd arrangiert eine kleine Zeitspanne für uns. Jede Gruppe kann nach Anmeldung hier singen, sollte aber nicht jede – wir begeistern wenig Zuhörer.

Die Kapellen der Geißelung und Verurteilung lassen uns wieder kurz stoppen. Es ist die 2. Station auf der Via Dolorosa, visavis der alten Antonia Festung, dem Ort der Verurteilung durch Pontius Pilatus, 1. Station auf dem Leidensweg Christi. Was bringt die Menschen dazu mit dem Kreuz auf dem Rücken die 14 Stationen bis zur Grabeskirche zu gehen? Kaum habe ich diesen Gedanken beendet, setzt sich die erste Gruppe in Gang. Frank flüstert mir noch zu, dass man ein Kreuz kostenlos und einen Fotografen buchen kann. Es wird Zeit zu gehen.

Bertil führt uns durch die belebten Gassen des Suq. Ich muss aufpassen an der Gruppe dranzubleiben. Ein Fotomotiv jagt das nächste. Hoffentlich finde ich mich morgen hier alleine zurecht? Die Grabeskirche ist unser letzter Stopp. Der Vorplatz ist vollkommen überfüllt und aus dem Inneren strömen die Menschen ohne Unterlass. Die Prozession trifft auch gerade ein. Morgen früh um 5.00 öffnet die Kirche und wir werden hier sein.

Unser Quartier liegt gleich um die Ecke. Die Zimmer sind klein und sehr schlicht. Entschädigt werden wir dafür mit einem atemberaubenden Blick von der Dachterrasse auf die Altstadt zwischen Felsendom und Grabeskirche.

Jordan – Wadi Qelt – Jerusalem

Nach der Anstrengung des gestrigen Tages haben Bernd und Bertil beschlossen, heute auf den Ab- und Aufstieg zum Kloster St. Georg zu verzichten. Gemeinsam, und nicht allzu erschöpft, vom Ölberg nach Jerusalem einzulaufen ist das Ziel. Vier Stationen werden heute mit dem Bus angefahren. Hop-on, hop-off.

Um Punkt 8.00 stehen der Bus vor Qasr el Yahud. Wir sind heute Morgen die erste Gruppe die zur Taufstelle am Jordan eingelassen wird, zeitgleich mit zwei jungen Soldatinnen mit Maschinengewehren. Sie treten ihren Dienst im Grenzgebiet zu Jordanien an.

Die Tribünen lassen schlimmes vermuten. Taufen finden hier vor großem Publikum statt. Wir stellen uns direkt am Jordan auf. “ Seit 2000 Jahren leben wir die Idee von Jesus Christus und verändern die Welt. Mit dem Segen erinnern wir an die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer.“ Unser Pilgerpastor zeichnet uns mit dem Wasser des Jordan ein kleines Kreuz auf die Stirn. Die Zeremonie ist schlicht und berührt.

An diesem konstruierten Ort verstehe ich, das es nicht darum geht, biblische Schauplätze zu besuchen. Unsere Zeremonie, die Lieder und Texte, unsere inneren Bilder hier im Heiligen Land geben diesen Orten ihre Bedeutung im Jetzt. Nationalpark und Tribünen hinoderher. Bernd‘ s Segnung ist ein Geschenk.

Einstieg und weiter zum Kloster St. Georg. Die Aussicht von einem Felsvorsprung ist großartig. Alle sind froh den Weg hinab/hinauf nicht laufen zu müssen.

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Das Kloster, so wie es heute aussieht, wurde 1878 von einem griechischen Mönch wiederaufgebaut. Vor dieser Zeit diente es Mönchen als wöchentlicher Treffpunkt um die Liturgie gemeinsam zu feiern. Die als Eremit lebenden Mönche liefen von Gipfelkreuz zu Gipfelkreuz, den sogenannten Laura Weg.

Das Wadi Qelt unterhalb des Klosters war ein belebte Pilgerstrecke zwischen Jericho und Jerusalem. Die Parabel des barmherzigen Samariter können wir uns hier vorstellen. Ein Mönch, der die Reisenden mit Nahrung versorgt, ihnen Unterkunft gewährt, ihre Wunden versorgt. “ Was würde er wohl heute in Hamburg machen? Er könnte sich um die Menschen im Stau auf der A7 kümmern, ihnen Tee bringen.“ Ich muss schmunzeln, typisch Bernd.

Einstieg und weiter zur Quelle des Wadi Qelt. Beduinen erwarten uns am Parkplatz. Bertil nennt sie Freunde. Entsprechend herzlich ist die Begrüßung. Die schönen Beduientücher wechseln schnell ihre Besitzer. Bernd läßt sich seines gleich fachmännisch umbinden. Nimmt man ihm ab, den Beduinen. Gut behütet laufen wir bei sommerlichen Temperaturen zur Quelle. Der Weg ist abschüssig und liegt im strahlenden Sonnenschein. Den Duft der üppigen Salbeisträucher am Weg würde ich am liebsten konservieren. Ein Blatt in meiner Wasserflasche begleitet mich dann den ganzen Tag.

Die Quelle ist ein herrlicher Rastplatz. Eine arabische Gruppe watet durch das kristallklare Wasser und wir? Na klar, Wanderstiefel aus und die Füße rein. Zisch! Das Quellwassr hat Trinkqualität, vielleicht nicht mehr die nächsten Tage.

Wir feiern das Abendmahl, so wie esJesus mit seinen Jünger vor dem Einzug in Jerusalem gemacht hat. Am Wasserkanal stehen wir uns in zwei Reihen gegenüber, Bernd zwischen uns auf einer kleinen Brücke. Ein besonders Setting. Die Stimmung ist andächtig – das ist kein Moment für Fotos. „Friede sei mit dir“ ist der Wunsch von und an jeden von uns. Bernd singt leise sein „ey man“.

Abendmahl
Abendmahl

Nach dem Aufstieg der letzte Einstieg für heute. Am späten Nachmittag sehen wir das erste Mal Jerusalem vom Westhügel des Ölberg.

“ Smile, you are in Jerusalem!“

Judäische Wüste – Zuckerweg – Wadi Og

Der zweite Tag in Jericho beginnt für uns in der Morgendämmerung. Der Muezzin ist unser Weckruf. Ungefrühstückt sitzen wir pünktlich um 5.30 im Bus. Die Lunch Pakete sorgen für Aufregung und Protest “ Das sollen wir alles tragen? Inklusive 2 l Wasser?“ Unsere Frühstück Rast liegt 1,5 Stunden Fußmarsch voraus. Morgenstund hat nicht immer Gold im Mund. Die Andacht  im Sonnenaufgang besänftigt die Gemüter wieder.

Nach Lucas trifft Jesus in Jericho den Zöllner Zachäus. Er ist Gast im Haus des Geldeintreibers, was die Massen erzürnt. Soweit meine Kurzversion. Bernd gibt uns die Frage mit auf den Weg, was wohl passiert wäre, wenn Jesus, wie in dieser Geschichte, nicht den Einzelnen sondern die Masssen bedient hätte. Wäre ihm dann in Jerusalem das Kreuz erspart geblieben?

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Wir starten zu einem 7-stündigen  Marsch durch die Judäische Wüste. Sie gehört nicht zu dem großen Wüstengürtel, ist eine  Regen-Schatten Wüste. Es ist mein erstes Mal in einer solchen Landschaft. Ich genieße die Ausblicke und fotografiere, fotografiere, fotografiere

Nabi Musa unser zweiter Rast. Heute wird an diesem Ort der Sarkophag von den Muslimen als Grabstätte von Mose verehrt – Gemäß den Aufzeichnungen ist Moses 120 Jahre alt geworden. Seine Grabstätte wurde niemals gefunden. Wir treffen auf Muslime, die in die dortige Moschee strömen. Zu Jesu Zeiten war hier die 1. Erappe auf dem Hadsch nach Mekka, also Pilgerherberge und Karawanserei.

Mokka mit Kardamom, köstlicher Morgenkaffee! Zur Wegzehrung noch eine Orange. Die Temperatur steigt stetig, 30 Grad werden wir heute erreichen.

Bernd gibt uns mit der Geschichte nach Markus den zweiten Impuls: der blinde Bettler Bartimäus erkennt Jesus in Jericho, in Jerusalem wird ihn niemand erkennen. Morgen werden auch wir in diese Stadt einlaufen – wir stimmen uns darauf ein. Jesus Weg.

Die Landschaft verändert sich, die Wüste wird Grün. Ich staune über kleine Wildanemonen und fotografiere, fotografiere, fotografiere

Unser Weg wird steiniger, wir wechseln in das Trockenflußbett. Die nächsten 3 Stunden laufen wir auf Geröll. Der Blick ist jetzt immer nach unten gerichtet, bloß nicht vertreten. Die Hitze und das unebene Gelände macht allen zu schaffen. Schattige Mittagsrast? Wo bitte ist hier welcher? Bertil weiß es natürlich. Eine kleine Höhle neben einer Wasserstelle, die den Schafhirten und ihren Tieren als Unterschlupf dient. Die letzte Etappe ist beschwerlich: die Sonne gnadenlos, die Steine ermüdend und unsere Stimmung schwindend. Eine Pilgerin will nicht mehr. Mit Hilfe eines „Beduinen Hubschraubers“ erreicht auch sie den kühlen Bus. Ein Beduinen Hirte hat uns beobachtet und ist ihr und Pastor Lohse, der mit ihr weit zurückgefallen war, zur Hilfe geeilt. Göttliche Fügung.

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Zur Erfrischung geht es jetzt noch ans Tote Meer. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Der Schädel brummt und der Gedanke an eine weitere Touristen Attraktion macht es nicht besser. Wird es auch nicht. Die üblichen Buskolonnen, hunderte Badegäste die sich vor Umkleidekabinen und Duschen drängen. Ich streike. Die meisten von uns lassen sich dieses Erlebnis nicht entgehen und ich halte es für sie auf ihren Handys fest.

Mein Foto für heute ist das des Bootsanlegers. Durch das Absinken des Toten Meeres auf 400m unter dem Meeresspiegel, hängt dieser in der Luft. Bei mir ist die Luft raus!

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Massada – Wadi David

„Der Nationalpark Massada ist ein Symbol jüdischer Kulturidentität und allgemein ein Symbol für den steten Kampf von Menschen gegen Unterdrückung und für Freiheit.“

Wir verlassen früh unser Hotel um nach anderthalbstündiger Fahrt den Nationalpark zu erreichen. Die Straße führt entlang des Toten Meer. Weite Trockenflächen liegen zwischen der Straße und dem 400m unter dem Meeresspiegel liegenden Meer. Adel muss mit seinem Bus eine abgestürzte Stelle der Fahrbahn umfahren. Der niedrige Wasserstand  verändert die Verhältnisse zwischen Salz-und Süßwasser, was Höhlräume in der Erde schafft die absinken. Ich bin mir nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe, das Ergebnis habe ich gesehen.

Am Natioanalpark erwartet uns die vertraute Bus Parade und der übliche Trubel. Wir haben aber nur Augen für den monumentalen Berg und einen kleinen Pfad der sich daran hochschlängelt, Schlangenpfad. Das ist unser Pilgerweg. Seilbahn fahren steht nur für unsere Kranken auf dem Programm.IMG_2459Auf der Ebene halten wir nochmal an – Morgenandacht. “ Ich stehe vor dir mit leeren Händen, Herr/ fremd wie dein Name sind mir deine Wege……Ich möchte glauben, komm du mir doch entgegen. “

Bernds Worte und der Aufstieg machen mir zu schaffen. Einer anderen Pilgerin, Engel, mache ich Mut. Während mein Blick dem Weg nach oben folgt, denke ich: “ Dieser schwere Weg.“  Es ist wie eine Schleuse die sich öffnet, die Tränen laufen und ich denke an all‘ die Kraft und den Mut den es gebraucht hat in meinem Leben. Es tut gut, mir das einzugestehen. Die Gruppe und Bernd respektieren mein Wunsch alleine zu laufen.

Erschöpft und glücklich erreichen wir den Gipfel. Bertil gesteht, dass nur wenige seiner Gruppen zu Fuß hier herauf kommen. Kleine Pavillons bieten Schatten und Wasserstellen Nachschub für unsere Flaschen. Ich habe keinen Kopf für die Fülle an Informationen zu dieser Festung. Herodes hat sie sich als Rückzugsort gebaut ohne sich hier länger aufzuhalten. Die Überreste zeugen von Baukunst, Luxus ( es gab ein Haman) und die Dimensionen vom Größenwahn. Erobert wurde die Festung von den Römern, die eine Rampe zum Transport ihres Wehrturm an die Westseite gebaut haben. Die beeindruckenden Zahlen an Soldaten, Kanonen, Proviant, Baumaterial usw. sind mir nicht in Erinnerung geblieben.

Runter geht es bekanntlich immer schneller. Knie und Achillessehnen melden sich, Voltaren muss es richten. In der Talstation ist man auf Massenansturm  vorbereitet, Schnellimbiss, Eis- und Kaffeestände versorgen uns mit dem Nötigen bevor wir auf unserem Rückweg das Wadi David besichtigen. Dieses Wadi ist kein Trockental, sondern ein Flussbett das dauerhaft Wasser führt. Selbiges fließt im porösen Sedimentgestein und tritt an unterschiedlichen Stellen an die Oberfläche. Nach der Anstrengung am Vormittag ist der Spaziergang  ein wohltuender Ausklang des Tages.

Jesreeltal – Jordantal – Jericho

 

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Abschied vom Kibbuzz Hotel. Am Ufer der weitläufigen Anlage habe ich einige Objekte von Kunststudenten entdeckt, die das Thema dieses Ort kunstvoll dargestellt haben.

Eine Kooperation von jüdischen und arabischen Studenten!

Heute habe ich das erste Souvenir erstanden: ein Granatapfel aus Ton. Der geneigte Leser wird aufschreien, Folkloristische Keramik. Ich konnte nicht wiederstehen.

Wir verlassen die Region um den See Genezareth. Durch die Jesreelebene geht es zum Berg Tabor, dem Ort der Verklärung Christi. Jesus trifft  Moses und Elia um mit ihnen alleine zu sprechen. „Hoffentlich gelingt uns das auch?“ Wir halten unsere Morgenandacht mit Blick auf 20 weitere Busse in der Parkbucht.

Die 350 Meter bis zum Gipfel erklimmen wir über einen schmalen, schlammigen Weg sozusagen querfeldein. Da kämpfen die trainierten Kraxler, die unsicheren mit Stöcken und alle zusammen gegen rutschigen Schlamm, Geröll und glitschigen Steine. Hat was sportliches und bringt Spaß. Um auf das Kirchengelände zu kommen, muss eine Mauer überwunden werden. Hilfestellung wird angeboten, angenommen oder dankend abgelehnt. Wär doch gelacht…..

Auf dem Tabor hat das Offenbarungsereignis stattgefunden, sehr wahrscheinlich oder möglicherweise auf einem anderen hohen Berg in Galiläa. Wer wird denn da so kleinlich sein?

Es geht um überirdisches Licht, welches die Szene überstrahlt, Gott der aus einer Wolke spricht: dies ist mein geliebter Sohn und das Versprechen niemandem davon zu erzählen. Bernd spricht von persönlichen Erlebnissen, die so besonders waren, dass er niemandem davon erzählen mochte oder nur Menschen denen er vertraut. Bertil spricht in der Kirche dann von Selbstzweifeln Jesu und Bestätigung die er von seinen Jüngern braucht um weiterzugehen nach Jerusalem.

Nach den Einführungen haben wir 30 Minuten für uns. Ich möchte mir das goldene Halbrund in der Kirche noch einmal anschauen. Die zum Segen erhobenen Hände Jesu rühren mich zu Tränen. Güte, Angenommen sein, Gesehen werden, Liebe, Zuversicht, alles bewegt sich in meinen Gedanken und in meinem Herzen.

Noch ein kurzer Blick von der Aussichtsplattform ins Jeesretal, der Kornkammmer Israels. Wir nehmen den schnellen Weg über die Straße zurück. Es ist Freitag, der Sonntag  der Muslime, die in Scharen zum Grill Picknick auf den Berg kommen. In den Kurven der Serpentinen stehen die Schirme der Paragleiter die über unseren Köpfe hinweg fliegen.

Hier am Tabor sehe ich das erste Mal Militär, zwei Hubschrauber die über unseren Köpfen kreisen.

Unsere Pilgergruppe verläßt Galiläa. In einer zweistündigen Fahrt durchfahren wie das Jordantal mit Ziel Jericho. Es ist die Straße  90 die vom Norden bis ans Rote Meer reicht. Auf dieser Strecke sehen wir im Osten immer die jordanische Grenze. Der Jordan, heute nur noch ein Flüßchen, bildet diese natürlich. Bertil spricht vom fruchtbaren Jordantal, wir sehen großflächige Obst – und Gemüseplantagen. Ein großer Teil wird bewässert und unter Folie angebaut. Jenseits des Jordan ist es genauso. Erstaunlich da hinter den anschließenden Bergen, jetzt nach der Regenzeit mit zartem grünem Flaum, die jordanische Wüste beginnt.

Wir passieren das erste mal einen Checkpoint und sind jetzt im Westjordanland, Plästinensergebiet in dem seit 1967 auch israelische Siedler leben.

Der Berg der Versuchung liegt an unserem Weg nach Jericho und so stoppen wir dort um uns aus der Ferne das Kloster Qarantal anzuschauen. Der christlichen Überlieferung nach soll Jesus hier den Versuchungen des Teufel widerstanden haben, während er 40 Tage fastete. Wir wollen im Halbdunkel den Versuchungen der arabischen Händler widerstehen, die sich strategisch klug an der Straße postiert haben. Frischem  Granatapfelsaft und Datteln erliegen einige dann doch.

Im griechisch orthodoxen Kloster lebt laut Bertil  nur ein Mönch. Besichtigen kann man es nicht. Touristen und andere Interessierte können mit einer Seilbahn ab Jericho hochfahren.

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Spät erreichen wir unser neues Quartier. Ich freue mich über ein gut ausgestattes Zimmer mit zwei 120cm breiten Betten. Das Kurzzeit Zusammenleben mit meiner Zimmergenossin klappt nicht sonderlich gut, jetzt haben wir wenigstens mehr Freiraum.

 

Magdala

Das Fischerdorf Magdala ist unsere letzte Besichtigung am See Genezareth. Es ist eine Fischerdorf, das erst vor wenigen Jahren entdeckt und ausgegraben wurde. Eine Stätte, an der Jesus zu den Massen gepredigt hat.

Bertil geht mit uns die Ausgrabungen der Synagoge ab. Die Attraktion ist der Magdala Stein. Er enthält die älteste, aus Stein gemeißelte, Menora der Welt und eine Darstelllung des zweiten Tempel in Jerusalem. Die Bundeslade mit den steinernen Tafeln soll genauso ausgesehen haben. Der genaue Bausatz dafür steht in der Bibel. Ein Deutscher hat die Lade nachgebaut und zu Fuß nach Jerusalem gebracht. Bernd überrascht immmer wieder mit seinen kleinen Zugaben.

In den Synagogen wurden zur Zeit Jesu keine Gottesdienste gefeiert. In ihnen wurden Hochzeiten gehalten, Opfer dargebracht und Pilger beherbergt. Die Schriftrollen, die Tora, aufbewahrt und gelehrt. Gottesdienste wurden nur im Tempel gefeiert. Bis zu dessen Zerstörung pilgerten die Juden zum Passah Fest nach Jerusalem oder hielten zuhause Shabbat. Erst 70 Jahre nach Christus begann die Tradition der Gottesdienste in Synagogen.

Auf dem Gelände ensteht neben den Ausgrabungen ein neues Pilgerhotel. Am See, in unmittelbarer Nähe, ist eine Kirche als Begegnungszentrum schon fertiggestellt. DucinAltum.

Durch das große Fenster hat man einen fantastischen  Blick auf den See. Das Becken im Anschluß läßt die Grenzen verschwimmen, der See scheint sich direkt anzuschließen. Wieder fasziniert mich die Kuppel, diesmal das Zentrum der Kirche. Die Farben sind untypisch – alles in Pastell. Nur die Bilder der Jünger sind Gold gerahmt, alle anderen Materialien  Kirchen untypisch, ganz leicht. Außergewöhnlich und gewöhnungsbedürftig der Altar in Bootsform. Er soll an die Predigten, die Jesus vom Boot aus gehalten hat, erinnern. Ich bin begeistert von dieser besonderen und, wie ich finde, modernen Form einer Kirche.

Karfanaum – Tabgha – Mensa Christi

Nazareth, Kanaan, über die Hörner von Hittin an den See Genezareth nach Karfanaum. Auf unserem Weg stellen wir uns vor, wie  Jesus diese Wege mit seinen Freunden gegangen ist. Er zieht weiter, bleibt aber in seiner Heimatregion.

In Karfanaum besichtigen wir die Ausgrabungen einer Synagoge. Wie immmer geht es bei solchen Funden um die Datierung , der Entstehung des Fundes und der originalen Bedeutung/ Nutzen. Ich kann mir die Fülle an Zahlen und Fakten nicht merken. Alleine in der Synagoge lasse ich das Gebäude auf mich wirken. Eine Besucherin, die sich vor dem zu vermutenden Altar auf die Knie wirft, um so fotografiert zu werden, läßt mich die „Flucht ergreifen“.

Karfanaum ist der Ort der wundersamen Heilungen. Bertil schlägt mit seiner Erläuterung wieder den Bogen zu einem Jesus, dessen Wunder einen sehr praktischen Grund haben: die Tochter des Rabbi zu heilen ist sicher genauso hilfreich für ihn, wie die Heilung eines Hauptmann. Aufzeichnungen, die 60 Jahre nach dem Tod Jesus begonnen wurden, können auch aus meiner Sicht hinterfragt und anders verstanden werden.

Das Ufo förmige Ungetüm ist die von den Franziskanern neu erbaute Petri Kirche auf den Ruinen des Haus von Petrus. Die kleine rote eine griechisch orthodoxe. Die Freiluft Kirche am See gefällt mir sofort. Ein Gotteshaus kommt hier selten allein – also auf zum nächsten.

Die Brotvermehrungskirche ist eine römisch katholische und gehört zum Benediktinerpriorat, Baustil byzantinisch. Es ist die vorletzte Besichtigung an diesem Tag und so kann ich mich nur noch für diese Außeansichten begeistern.

Die Kirche steht an der Stelle wo laut Mattäusevangelium die Brot- und Fischvermehrung bei der Speisung der 5000 stattfand. “ Jesus ist kein Zauberer.“ höre ich von Bertil. Wie wohltuend. Es wurde geteilt, was da war und alle sind satt geworden. So einfach war das. Bertil spricht von intuitivem Handeln anstelle eines Wunder. Seinen Vergleich mit der aktuellen Flüchtlingskrise nehmen wir als Gedanken mit.

Die Mensa Christi liegt direkt nebenan und wir müssen uns sputen noch eingelassen zu werden. Entsprechend kurz fällt die Besichtigung aus, auch weil wir keinen Platz mehr auf unserer Festplatte haben, wie das jemand aus der Gruppe formuliert. Die Kapelle erinnert an das Mahl das Jesus nach der Auferstehung mit seinen Jüngern gehalten hat. Petrus wird zu seinem Nachfolger bevollmächtigt.

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Die Kapelle ist um einen Felsen herum gebaut auf dem der Altar steht. „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen!“

Zwei  Frauen stürmen herein, ok gleich wird geschlossen, küssen den Felsen und lassen sich fotografieren. Showtime. Mir reicht’s für heute mit den (Schein)Heiligen.

 

Auf dem Berg Arbel

Bewahre uns Gott/ behüte uns Gott/ sei mit uns in allem Leiden. Voll Wärme und Licht/ im Angesicht/ sei nahe in schweren Zeiten.

Bewahre uns Gott/ behüte uns Gott/ sei mit uns vor allem Bösen. Sei Hilfe, sei Kraft/ die Frieden schafft/ sei in uns, uns zu erlösen.

Tiberias

6.00 Weckruf  – 7.30 Abfahrt zum Berg Arbel

Pilgern hat eben nichts mit Urlaub zu tun. Das Wetter schon – strahlender Sonnenschein 24Grad. Für die Rucksack Füllung heißt das Sonnenhut, Sonnencreme, 2 Liter Wasser, Ersatz T-Shirt.

Der Bus bringt uns auf den Berg Arbel, der am Westufer des See Genezareth liegt. Nach der Morgenandacht werden wir am Klippenrand, mit bestem Ausblick, zu einem steilen Abhang wandern, den wir über eingeschlagene Stahlseile herunterklettern. Begeisterung klingt anders, aber alle wollen es versuchen. Cliffhanger.

Die Stimmung in der Gruppe geht ihrem ersten Höhepunkt entgegen. Adrenalin. Der weitere Abstieg bleibt steil, ähnelt aber eher einem Wanderweg. OberschenkelMuskulaturTraining.

Mit Motorkraft und vier Achsen geht es danach zum Berg der Selipreisung, Besichtigung der Verkündigungskirche. Wir gruppieren uns bei traumhaften Wettter auf steinernen Treppen mit Blick auf die Landschaft um den See Genezareth. Urlaubsgefühl stellt sich ein aus dem uns der „Schlagabtausch“ von Bernd und Bertil über die Bergpredigt und die Neun Seligpreisungen reißt. In Bertils Erklärungen geht es immer wieder um den Ursprung des Christentum im Judentum, der sich wie ein roter Faden durch unsere täglichen Vorträge zieht.  Vorträge klingt nach Studienreise. Stimmt!

Die Zugabe von Pastor Lohse ist genau der Grund, warum ich sie mache: Dietrich Boenhöffer hat als einer der ersten im Hitler Deutschland publiziert, daß Jesus Jude ist. In dieser Zeit lebensgefährlich. Die Nationalsozialisten behaupteten, das Jesus Kelte sei, blonggeschopft mit blauen Augen.

Bei/in der Verkündigungskirche dreht sich alles um die Zahl Neun. Der Grundriss ist ein Oktagonal, die älteste Kirchenform. Spätere Kirchen wurden im Basilika Grundriss erbaut mit Haupt- und Seitenschiff.  Unterhalb der goldenen Innenkuppel sind die 9Seligpreisungen angebracht.

Die Mittagspause fällt heute großzügig aus. Mit Proviant aus einem nahen Supermarkt speisen wir auf kleinen Terassen vor unseren Zimmern mit Blick auf den See. Könnte ich mich dran gewöhnen. Aber der nächste Höhepunkt wartet schon, Bootstour mit traditionellem Jesus Boot.

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Wir genießen einen schönen, wenn auch leicht dunstigen Rundumblick. Bernd liest die Geschichte aus dem Matthäus Evangelium, kurz gefaßt: Jesus geht übers Wasser und ein Ungläubigen Petrus geht unter. “ Brauchen wir nicht alle abundan Hilfe um nicht unterzugehen, eine rettende Hand die uns in schwierigen Zeiten gereicht wird?“ Es wird ganz still auf unserem Boot. Es dauert eine ganze Weile bis wir uns wieder aus diesen Gedanken lösen.

Wie die Fischer hier damals gefischt haben? Die Demonstration folgt sofort – allerdings ohne Erfolg. Zurück an Land erwarten uns heute noch 3 weitere Besichtungen. Die Brotvermehrungskirche, die Mensa Christi und die Ausgrabung der Synagoge in Kafarnaum.

Hörner von Hittin – Taubental – See Genezareth

 

Heute verlassen wir Nazareth und unsere Unterkunft Golden Crown. Eine Legierung zwischen Bronze und Silber scheint mir für das Krönchen passender.

Im Osten verläuft die syrische  Grenzen hier in 60km Entfernung. Bertil erklärt die geographischen / kulturellen / religiösen Entwicklungen im Golan Gebiet. Die Zusammenhänge von Politik und Religion  sind Teil seines Verständnisses als Guide auf diesem Weg.

Die Normalität des alltäglichen, vorwiegend arabischen Lebens, rund um Nazareth lassen mich meine  Ängste schnell vergessen. Betriebsamkeit auf den Straßen (Hupen als Kummunikatiosmittel, zum verrückt werden ), Araber die vor ihren Läden auf Kundschaft warte, Fuballspielende Kinder. Alltag in Grenznähe.

Mit dem Bus geht es zum Kibbutz la Vie. Herrlich gelegen inmitten von Eukalyptusbäumen, von den Kibbuznik eigenhändig aufgerodet. Sie betreiben Bananenplantagen, Viehzucht und bauen Möbel für Synagogen. Hier starten wir heute unseren Weg über die Hörner von Hittin, gelegen auf einem Vulkankrater, durch das Taubental, das seinen Namen den Höhlen verdankt, die an Taubenschläge erinnern und zu allen Zeiten Menschen als Zuflucht dienten, hinunter zum See Genezareth.

Pastor Lohse hält unsere morgendliche Andacht unter freiem Himmel mit dem Bibeltext: „Wer Ohren hat, der möge hören“, auch insich. Diesen Rat möchte ich in den nächsten Tagen befolgen. Ein langer, abwechslungsreicher Weg mit traumhaften Ausblicken liegt vor uns.

Unser Busfahrer Adel erwartet uns mit PitaFalafeltaschen am vereinbarten Treffpunkt. Wir sind uns einig: Das ist ein wunderbarer Tag! 28 fröhliche, verschwitzte und leicht gebräunte Pilgerer  freuen sich auf unsere neue Unterkunft in einem Kibbutz Hotel direkt am See.

Jeder Tag wir mit einer Stimmmungsrunde und ein kleiner Andacht beendet. Bernds Worten schließe ich mich glücklich an: Danke für diesen Tag.

Zippori – Kanaan

Mit dem Bus geht es gegen Mittag zum 8km entfernten Nationalpark Zippori. Bertil unser Guide, Lehrer für Theologie und Germanistik, erklärt uns die wechselhafte Geschichte dieser antiken Stadt in Galiläa.

Es beginnt mit der Belagerung des Pharao Ptolemäus, dem folgt Alexander Jannäus, der sie gegen die Römer verteidigt hat, gefolgt von dem Prokonsul Syriens, Aulus Gabinius, der sie zum römischen Konzil ausrief. Herodes erobert die Stadt die später von Publius Quinctillius Varus zerstört wird. Herodes Antipas,  Herodes Sohn läßt sie wieder aufbauen als schönes Aushängeschild seiner Herrschaft.

Mir schwiert der Kopf von soviel Historischem- die Geschichtszahlen hat er natürlich auch parat. Ich steige wieder ein, als Bertil mutmaßt, dass Josef der Tischler hier gearbeitet haben könnte. Daß sein Sohn Jesus ihm geholfen hat, scheint wahrscheinlich. Somit sind wir also wieder „auf dem Pfad“ – Jesu Spuren.

Die 5 „Räume“ mit gut erhaltenen kunstvollen Mosaiken stammen aus der Byzantinischen Zeit und sind höchstwahrscheinlich……..richtig, ein Showroom. Ich kann es nicht fassen diesen Begriff hier zu hören. Schöner Wohnen im 5./6. Jahrhundert.

Wir beenden unseren Rundgang mit dem Abstieg in dieses beeindruckende Wasserreservoir.

Ein Picknick unter alten Olivenbümen, schöne Idee, stärkt uns für den ersten Abschnitt auf dem Jesus Trail nach Kanaan.

Beim Landeanflug auf Tel Aviv zeigt sich eine Landschaft wie ich sie aus Mitteldeutschland kenne: dichter tiefgrüner Wald. Durch einen dieser Wälder aus Eukalyptus, Kiefern, vereinzelten Zypressen und Oliven wandern wir jetzt. “ Alles nach 1948 aufgeforstet“  erklärt mir Beitel. Die roten Blüten die sich prächtig vom Wald/ Wiesengrund abheben sind Anemonen, eingerahmt von gelben wilden Senf am Wegesrand. Dazwischen blühen Alpenveilchen in allen Blautönen, die Natinalblume Israels. Wir zücken unser Smartphones.

Vereinzelt weggeworfene Autoreste und Picknichreste trüben nach wenigen Metern diese Idylle. Der Weg wird mehr und mehr zum MüllTrail. Von paradiesischen Landschaften rund um Nazareth kann hier keine Rede sein.

In Kannan ist die Hochzeitskirche unser Ziel. Hier hat Jesus während einer Hochzeitszeremonie sein erstes Wunder vollbracht Wasser in Wein zu verwandeln.

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Das Spruchband mit dem  Text aus dem Johannes Evangelium hebt sich wohltuend zu dem übrigen Geschehen rund um die Kirche ab. Asiatische Päarchen die ihr Ehegelübde im Schnellverfahren erneuern bestimmen das Bild – Rummelplatz Atmosphäre. Bernds kurze Andacht hilft in diesem unnatürlichen Szenario: es geht um besondere Formen der Spiritualität hier in Israel und um Zwischentöne.

Das Wanderoutfit gegen ein weißes Kleid und Goldpumps zu tauschen, ausstaffiert mit einer roten Rose in Cellophan, im 5 Minten Takt vor den Altar zu treten ist wohl nur hier möglich. Darauf schnell ein Glas Rotwein im SouvenierShop vis-a-vis.

Nazareth -Zippori – Kanaan

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Der erste Pilgertag beginnt um 6.30 per Weckruf. Nazareth ist wolkenverhangen und regnerisch. Ein trüber Ausblick. Eine halbe Stunde später folgt der nächste: im Frühstücksraum speisen ca. 100 Indonesische Gäste bester Laune und sehr gesprächig. Da hilft nur eins, Rückzug. Ich flüchte samt Frühstück zurück auf mein Zimmer. Willkommen im Pauschal Tourismus.

Das Pilgerprogramm beginnt mit dem Besuch der beiden Verkündugungskirchen in Nazareth: die Gabrielkirche und die Verkündigungsbasilika, beide erbaut an Wasserquellen an denen Maria selbiges geschöpft hat. Hier ist ihr der Erzengel Gabriel erschienen und hat ihr die Geburt Jesu verkündigt. Pastor Lohse spricht vom Wort, das Fleisch geworden ist.

Liebe – ist möglich wenn wir die Bilder loslassen die wir uns von (einem) Menschen machen, ist ein kurzgefasstes Zitat von Max Frisch. Mich hat diese Erkenntnis heute morgen zutiefst berührt. „Dies ist auch der Grund, warum ihr auf dieser PIlgerreise seid; euch anders und neu zu erleben und alte Bilder von euch loszulassen“, gibt Bernd uns mit in diesen Tag.

In der christlich orthodoxen Gabrielkirche werden während unseres Besuchs die Liturgien gesungen. Täglich wird so das  Wort Gottes in die Welt gegeben. Dieses Ritual ebenso wie das Küssen der Ikonen als Blick in den Himmel wecken ein Gefühl von Befremdung und Interesse.

Die Verkündugungsbasilika erreichen wir auf kleinen Gassen quer durch die Altstadt mit ihren Ständen voll Orangen, frischen Datteln, Distelwurzeln, goldverzierten Mokka Kännchen und schrillbunten und/oder blinkenden Souvenirs.

Die Basilika ist die größte Kirche Israels erbaut in den 60er Jahren im Stil des Brutalismus vom italienischen Archtiekten Giovanni Muzio. Es geht um Beton, viel Beton. Ob mich die Kirche nachhaltig beeindruck hat, kann ich heute noch nicht sagen. Die Kuppel, die einen fast emporzuziehen scheint, hat es auf jeden Fall.

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Marienbilder aus der ganzen Welt und wunderschöne Kirchenfenster sind mein fotografisches Souvenir aus dieser besonderen Kirche.

Und wo sind die anderen Pauschal Touristen? Alle hier auf dem Vorplatz der Kirche: eine Gruppe mit grünem Schal, eine mit roter Schirmmütze, eine mit weißen Kappen. Na also!

Auf unserem Weg nach ZIppori und Kanaan wartet noch viel Erzählenswertes. Soviel sei gesagt – es geht endlich auf den Jesus Trail, wandern.

Meinen Tag beschließt der Muezzin im frühen Abenddunkel in der Moschee mit grün/pink/lila Minarett direkt hinter unserem Hotel. Gute Nacht Nazareth.

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Tel Aviv – Nazareth

8.00 Hamburg – Neuschnee minus 5 Grad

18.00 Tel Aviv – Blühende Löwenmäulchen 25 Grad

9.00 Flughafen Fuhlsbüttel – Das Pilgerteam ist komplett. Die verbleibenden 1,5 Stunden bis zum Boarding brauchen wir für Sicherheits Checks. Erst der Allgemeine, den zweiten vor unserem Gate durch zwei Bundes Polizisten und den dritten vor unserem Wartebereich. Das Handgepäck wird nochmal gescannt, Personenscan mit Ausziehen( in einzelnen Fällen) in der Kabine. Israel Standards.

Lange, ungekämmte Wuschelhaare, tief sitzende Jogginghose, ungebügeltes T-Shirt, Kapuzenpulli, abgelaufenen Wanderschuhe. Aufgewecktes Gesicht, strahlenden Augen. “ Meine Freundin macht ihr freiwilliges soziales Jahr in Jerusalem und ich besuche sie für 2 Wochen.“ Irgendetwas an diesem jungen Mann, der sich mit mir eine 3- er Reihe im Flieger teilt, erinnert mich an meinen Enkel. Das ist sie, die Generation die ganz unaufgeregt und selbverständlich die Welt bereist. Das Nachtleben in Tel Aviv gehört genauso dazu wie Jerusalem und das Zelten am Toten Meer.

Beim Aussteigen trennen sich unsere Wege. Er wird gleich von zwei Polizisten rausgefischt, blödes Klischee, und wir folgen einem Mann mit grüner Tafel  schön brav wie die Lemminge.

Die Löwenmäulcher erfreuen noch kurz unser Herz bevor der Bus mit uns ins Dunkle verschwindet. Eine 6 -spurige Autobahn führt uns weit an Tel Aviv vorbei. Die Umgebung ist so unspektakulär wie in den Außenbezirken anderer Großstädte. Es geht Richtung Norden vorbei an den Siedlungen des Westjordanland. Das ganze Gebiet ist von einer Sicherheitszone umgeben von der wir abundzu die Lichter der Ckeckpoints sehen. Grüne Lichter leuchten von den Minarette der Moscheen.

Durch das Yeesre’el Tal erreichen wir gegen 19.30 unser Quartier in Nazareth.

Der Abend vor der Abreise

 

IMG_2018An einem winterlichen Nachmittag in Hamburg habe ich meine Ausrüstung für Israel zusammengesucht.  Wie immer dabei mein roter Rucksack, der mich schon auf vielen Wanderungen begleitet hat. Alter Freund – es geht wieder los.

Die Nachrichten berichten seit Tagen von Bombardements vor den Toren Damaskus. Nazareth liegt 230km entfernt. Morgen Abend werde ich zwei Stunden entfernt von einem Krieg sein. Werden wir die Kampfjets und die Bombendetonationen hören?  Meine Großeltern haben davon aus ihrem Leben berichtet. In den Nachrichten sehe ich diese Bilder jeden Abend und doch ist das Erzählte und sind die Bilder so weit weg. Es macht mir Angst.

Ein kurzer Blick in unseren Reiseablauf bringt mich zurück zu den Spuren Jesu. Ich freue mich darauf, dieses Land, seine Menschen und die Schönheit seiner wechselhaften Natur kennenzulernen. Zu Pilgern heißt Zeit für Entdeckungen zu haben. Ich möchte mich auf Gespräche einlassen, Fragen stellen und Antworten bekommen.

Morgen Abend um 17.00 werden wir in Tel Aviv landen.

Israel 26.02. – 8.03.2018

Einen großen Teil meines Bücherregals füllen zahllose Marco Polo, DuMont und Lonely Planet. Nicht zu vergessen die ausgerissenen und abgehefteten Reiseberichte aus unseren sonntäglichen Zeitungen Rubrik Reise.

Israel gehört schon lange dazu.

Es ist nicht so, dass ich mir vorgenommen habe an all die Orte zu reisen, die da wohl geordnet auf neugierige Leser warten. Manchmal muss ein altes Exemplar auch aussortiert und durch ein aktuelles ersetzt werden, falls ich doch nochmal hinreise.

Israel ist ein Lebenstraum von mir.

28 Pilgerer der St. Jacob Kirche werden mit Pastor Lohse am 26.Februar zu dieser Reise “ Auf den Spuren Jesu“ gemeinsam auf brechen. Der Weg führt entlang der Orte von Jesu Leben und Wirken. Nicht erstaunlich, bei dem Reisetitel und „Veranstalter“. Ich hätte mir keine bessere Konstellation  für meinen Israel Besuch wünschen können und doch gibt es Fragen. Ist es für mich wichtig das Grab Jesus zu sehen, den Ort an dem er das Brot mit seinen Jüngern geteilt hat, den Ort seines ersten Wunder Wasser in Wein zu verwandeln und vieles mehr? Da ich nicht bibelfest bin, wird es für mich einiges „Neues“  geben und das von einem Pastor der für mich immer die richtigen Worte findet.

In einem der zahllosen Veröffentlichungen über den Jesus Pfad ist die Rede von einem Mosaik aus Sehenswürdigkeiten und Kulturen ( Christen, Arabern, Juden) die alle in einem authentischen, ethnischen galiläischen Paradies zusammenleben. Dieses Zusammenleben, dass ich aus Reportagen immer nur in Verbindung mit Konfrontation, Missverständnis, Unverständnis, Unversöhnlichkeit und Krieg kenne, möchte ich im alltäglichen Miteinander erleben. Das Zusammenleben das in Kindergärten, Schulen, Unis, Orchestern als Mischung aller Kulturen friedlich funktioniert.

Ein Vortreffen unserer Reisegruppe hat diese Gedanken angeschoben, aber auch die vielen Gespräche mit Freunden und Kollegen die entstehen, wenn ich von meinem Vorhaben erzähle. Israel bewegt viele Menschen.

Ich möchte offen sein für alles, was mir auf dem Weg begegnen wird.

Rückblick und Ausblick

Drei Tage nach dem Triathlon habe ich meine Gedanken und Gefühle soweit sortiert, dass ich meinen letzten Beitrag schreiben kann.

Nach dem Motto „Bilder sagen mehr als Worte“ habe ich meinen Triathlon dokumentiert. Was könnte ich von mir erzählen aus diesen knapp zwei Stunden Wettkampf? Caroline hat ihre „Supporter“ vor dem Wettkampf gefragt, woran sie die nächsten drei Stunden (olympische Distanz) denken soll. „An Sex natürlich!“ Eine Möglichkeit.

Ich möchte die  vielen Gefühle in mir bewahren, wie einen Schatz. Meine Familie, Freunde und die Rookies  haben mich angefeuert und sozusagen ins Ziel geschrien. Franziskas Rufe konnte ich sogar unter Wasser hören. Unvergesslich. Die Medaille nach dem Ziel, Ingos offene Arme und unsere gemeinsamen Tränen. Ich erinnere auch die mir unbekannten Teilnehmer früh am Morgen, die aus meinem Stadtteil mit mir zum Wettkampf fuhren – grußlos. Dabei haben wir doch heute soviel gemeinsam? Am Sonntagmorgen nehme ich mir dann vor, jeden fröhlich zu grüßen und viel Erfolg zu wünschen. Ich ernte freudige Gesichter. Wie schön sind solche `Berührungen`. “ Schickes Radshirt!“ ruft mir eine Frau auf der Elbchaussee beim Überholen zu; wir tragen das Gleiche. Daumen hoch und Freude. “ Gute Performance, weiter so Elke !“ höre ich von einem mir unbekannten Stefan. Vielleicht kann man das alles nur wahrnehmen, wenn die Wettkampfzeit keine Rolle spielt. Ich habe es genossen, die Atmosphäre, die Stadt, die Menschen um mich herum, mich mittendrin und all die schönen Berührungen.

Am Montag und Dienstag macht sich nach dem Adrenalin Hoch ein Gefühl der Leere breit. Ich kenne das schon von anderen Ausnahmezeiten beim Fasten oder Pilgern. Die letzte Montags Mail von Ingo kommt da genau richtig. Wo soll die Reise hingehen und was will ich sportlich noch erreichen? Joggen und Spinning wird bleiben und Schwimmen/ Kraulen wird dazu kommen. Es bleibt sportlich,  aber erst einmal ohne Wettkampfambitionen. Ingos Rat clever weiter zu trainieren, ein Gefühl für mich zu entwickeln und gesund zu bleiben möchte ich beherzigen.

Heute freue ich mich auf Verabredungen mit Freunden auf einen Kaffee und kleinem Plausch, Kino und Theaterverabredungen, lange Wochenend Frühstücke, Kurztrips nach Berlin und viele wundervolle Erinnerungen an meine Zeit als Rookie.

Wettkampf

Trainingswoche 12

Am Mittwoch ist es die letzte Alsterrunde in gemäßigten Tempo mit drei Steigerungen bis zum Wettkampftempo. Ich steigere nur einmal plus einer kurzen Strecke als Zieleinlauf. Jetzt heißt es Abschied nehmen von der Alster, zumindest in dieser Konstellation.

Ab Donnerstag können die Startunterlagen am Jungfernstieg abgeholt werden.

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Am Vormittag muss noch niemand in den weißen Zelten Schlange stehen. Ich freue mich wie viele Andere mit meinem Starterbeutel weiterzulaufen. Der Banker oder Anwalt im dunkelblauen Sakko, sportliche junge Menschen, Frauen im Business Outfit und ich mittendrin. Eine Bunte Mischung. Im Zelt gegenüber erkenne ich eine „Triaboline“, die mir das Finisher T-Shirt 2016 verkauft. “ Schon aufgeregt?“ Ich versuche nicht an den Wettkampf zu denken.“Keine gute Idee. Besser  jetzt, als beim Schwimmen die ganze Aufgeregtheit rauszulassen.“ Heute  geniesse ich die Aufbruch Stimmung in der Innenstadt. Den Rest des Tages verbringe ich mit Wettkampfinformationen, Streckenplänen, Checklisten und Tipps vom Profi. Mein Fahrrad ist geputzt, Luft aufgepumpt und die Kette gefettet. Der Starterrucksack mit meiner Ausrüstung liegt bereit.

Um 19.00 treffen wir uns am Triabolos Zelt inmitten der Triathlon Messe auf dem Jungfernstieg. Einige Rookies erstehen noch neue Trisuits oder Neoprenanzüge, sozusagen auf den letzten Drücker. Auch wasserfeste Wimperntusche ist ein must have für den Wettkampftag. Ein 20 minütiger lockerer Lauf um die Binnenalster mit anschließender Wettkampfbesprechung entlang der Wechselzone ist dann der sportliche Ausklang des Rookie Programms. Die Schwimmbojen werden gerade ausgelegt und wir haben einen ersten Blick auf die Schwimmstrecke. Ingo gibt Tipps zum Einrichten der Wechselzone und dann………ja dann ist alles gesagt.

Beim Pasta Essen im Triabolos Zelt sitzen alle verstreut. Party Stimmung kommt bei dieser Stehimbiss Atmosphäre nicht auf. Der Präsident ruft zum Abschlussfoto. Ein paar markige Sätze, jubelnde Rookies und Umarmungen zum Abschied.

“ Ab jetzt seid ihr auf euch alleine gestellt.“

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Trainingswoche 11

Die Laufeinheiten am Mittwoch und Freitag werden wie in der Vorwoche gelaufen. Einige Rookies haben jetzt Knie oder Achillessehnen Probleme und müssen pausieren oder laufen getapt. Ich schaffe es durch Kühlen und Einreibung mit Arnikaöl meine Achillessehnen zu besänftigen; die Großpackung Voltaren neigt sich langsam dem Ende. Apropos, am Freitag ist es das erste Mal das letzte Mal. Beim dritten Intervall überholen uns zwei der schnellen Jungs und machen Meike und mir beim Überholen ein Kompliment für unser Hinterteil. Ist das schon das Adrenalin?

Die letzte Schwimmeinheit in der Alsterhalle soll uns Sicherheit beim Massenschwimmen (175 Starter in unserem Block) geben. Wir üben das Rüberschwimmen über jemanden bzw. das überschwommen werden, ebenso wie festhalten an Schulter und Füßen. Ich beschließe spontan bei dieser Übung nicht mitzumachen. Es reicht mir völlig dieses, wie uns Ingo versichert, realistische Szenario im Wettkampf zu erleben.  „Fangt bloß nicht an, das im Wasser auszudiskutieren oder handgreiflich zu werden. Ruhig weiterschwimmen und bei euch bleiben!“ Werde ich dran denken Ingo, wenn ich langsam untergehe……..

Ich bedanke mich bei unserem Schwimmtrainer Hauke. Er bestärkt mich weiterzumachen und an meiner Ausdauer zu arbeiten. Der nächste Kurs ist schon gebucht.

Der letzte Trainings- Sonntag beginnt wieder mit einer 30km Ausfahrt, gefolgt von drei Wechseln Laufen und Radfahren. Die Temperaturen steigen stündlich und erreichen beim Koppeln 26°C. Einige Rookies brechen nach der zweiten Runde ab. Mich bremsen die Temperaturen auch aus. Da hilft nur Zähne zusammenbeißen und beim dritten Wechsel ein Kompliment und Ermunterung vom Headcoach. Caroline, die schon durch ist, begleitet mich spontan und so schaffe ich auch diese letzten 2 Km. Ich bin gerührt von soviel Sportsgeist!

Das letzte Athletik Training beginnen wir auf den nahe gelegenen Alsterwiesen. Aufwärm- und Stabiübungen im großen Kreis sorgen für Aufmerksamkeit unter den sonntagabendlichen Alsterspaziergängern. Zum Zirkeltraining geht es zurück in die Halle. Ich lasse alle Übungen, die Knie und Sprunggelenke belasten, heute aus. Die Regenerationsphase, Tapering, wird eingeläutet. Nach einem längeren Dehnen entspannen wir im Liegen. „Laßt die vergangenen 11 Wochen an euch vorbeiziehen. Was werdet ihr davon mitnehmen?“ Die ersten Tränchen fliessen.

Der heute anwesende Triabolos Präsident Ingo hält eine kurze Ansprache und bedankt sich bei allen Rookies mit einem merci Riegel. Der Applaus gilt vor allem unseren beiden Trainern Rüdiger und JK die mir/uns „unvergessliche Stunden“ beschert haben.

Trainingswoche 10

Nach drei Sommertagen in Oberitalien mit viel Sonne, hektischem Treiben und wenig Schlaf, ist die größte Herausforderung am Mittwoch mich mental auf den heutigen und die letzten zwei Trainingswochen einzustellen. Alles war so weit weg – der Kopf voll mit Bildern aus blauem klaren Seewasser, goldenem Stoff und flirrender Sommerluft am Iseo See.

„Du hast dich aber gesteigert!“ ist dann am Mittwoch das unerwartete Feedback. Ich freue mich. Vier Intervalle mit 1000m Sprint und 850 m Trab laufen Meite und ich am Freitag hinter der größten Gruppe, aber in einem guten Tempo. Wir sind stolz es geschafft zu haben. Gels, Riegel und Getränkezusätze sind nach einem Multipower Ernährungsvortrag am Dienstag das große Thema. „Was hast du schon probiert? Wie lange hat die Wirkung angehalten? Wieviele nimmst du beim Wettkampf?“ Lena, unsere Lauftrainerin, bringt es auf den Punkt: „Ihr lauft doch alle den Jedermann? Da dürfte ein kohlenhydratreiches Frühstück und ein Riegel oder Gel zusätzlich ausreichen.“ Auch diesen Hype lasse ich an mir vorüberziehen.

Das Schwimmtraining fällt bei mir aus. Ich habe „Frühdienst“, auch weil es einiges aus den Urlaubstagen nachzuarbeiten gibt.

Wie schon in den letzten zwei Wochen schwimme ich am Donnerstag eine Trainingseinheit im Stadtparksee. Ich bin mit meiner Nachbarin Sabine verabredet, die mit ihrer Familie bei der Staffel antritt. Bei Wolken verhangenem Himmel gehört uns das Naturbad heute allein. Das kühle Wasser kostet Überwindung, aber dann ist es herrlich: wir ziehen ungestört unsere Bahnen und genießen abundzu den Blick in den sattgrünen, menschenleeren Stadtpark. Was für eine Idylle mitten in der Stadt. Bei sommerlichen Temperaturen wie in der letzten Woche, heißt es auch hier Schlange stehen und Plätzchen suchen. Das gemeinsame Schwimmen ist ein schönes Ritual geworden, bei dem wir uns langsam näher kennenlernen.

Sonntagsprogramm: eine Stunde in der Gruppe Rad fahren, danach jeder in seinem Tempo 3x Koppeln mit 2km Laufen und 5 Km Radfahren. Die Trainer achten darauf, das beim Wechseln alle Wettkampfregeln eingehalten werden. Fahrrad aufsitzen in der Wechselzone ist verboten und so werde ich von Ingo vom Rad geholt oder besser gerufen „Was ist denn hier los?“ Ist ja noch kein Ernstfall. Ich teile mir meine Kraft ein, was mich durchhalten aber nicht schnell sein läßt.

Das sonntägliche Athletik Training ist heute eine Spezial Veranstaltung im Triabolos Kalender. Wir treffen uns in der Hafencity zu einem Freiluft Cross-Training. Gebe ich mir das auch noch? Janina treffe ich auf dem Weg in der U-Bahn “ Es haben sich schon 10 Rookies für heute abgemeldet.“ Ich schmunzle in mich hinein: ein bißchen verrückt muss ich wohl sein? Mit fetziger Musik geht es in lockerem Lauf los – am Ende werden es noch mal 7,5 km sein. Treppauf, Treppab, Armstützen am Treppengeländer, Schrägen zum Sprinten und rückwärts Hochlaufen, Rumpf Stabi Übungen auf Pontons. Architektonische Highlights aus Beton und Holz werden von uns für Bauch und Trizepsübungen genutzt. Die illustren Hafencity Besucher haben sichtlich Spaß an unserem Tun.

P1020297Ingo begleitet uns per Rad und schießt die Erinnerungsfotos. Ich bin total ausgepowert aber auch glücklich dieses Training mitgemacht zu haben. Ein weiteres Highlight mit den Rookies.

Trainingswoche 9

Nach dem Test Triathlon hat sich in dieser Woche die Aufregung erst einmal gelegt. Die Alsterrunde am Mittwoch mit drei Steigerungsläufen schaffen wir in 49 Minuten. Das Läuferfeld in unserer Gruppe zieht sich weit auseinander. Ich fühle mich gut und kann die Runde konstant durchlaufen. Die schnellste Gruppe läuft noch eine zusätzliche Schleife um die Binnenlaster – ein „Angebot“ für die Starter in der olympischen Distanz ( Lauf 10km). Zum Ausklang gibt es das restliche, lauwarme Weizenbier von Sonntag. Ich mag diese Stimmung, wenn alle verschwitzt und erschöpft zusammenstehen.

Das Lauf ABC mit Hügellauf absolvieren wir am Freitag im leichten Regen der sich zum Tempolauf in einen Sturzregen verwandelt. Pfützen ausweichen macht keinen Sinn mehr und so füllen sich meine Schuhe in der dritten  Runde mit gefühlten 1 Liter Wasser. Ingo bricht den Lauf ab und alle flüchten naß bis auf die Haut in ihre Autos. Die Rückfahrt mit Bus und U-Bahn bleibt mir erspart – Überraschung – ich werde abgeholt.

Technik und Strecke ist das Thema beim Schwimmen. Wir schwimmen eine sogenannte Treppe: 50, 100, 150, 200m, jeweils mit einer kleinen Pause am Stück. Da zwei Gruppen zusammen schwimmen, ist die Bahn gut belegt und gibt uns wieder einen Vorgeschmack auf die Wettkampf Situation. Heute haben wir die Zehen des Vordermann im Gesicht oder spüren Handbewegungen an unseren Beinen. Überholt wird natürlich auch, im Zweifel einfach über den Vordermann drüber, jedenfalls gefühlt. Ich schwimme Brust und bin teilweise schneller als die langsamen Krauler.

In dieser Woche beginnt sich das Training als etwas ganz Normales anzufühlen. Die Termine haben sich in den Alltag eingefügt, die großen Aufregungen weichen dem Vertrauten, mein Körper hat sich an die Anforderungen gewöhnt.  Ingo spricht von weiteren Steigerungen, in sportlicher Hinsicht geht es weiter aufwärts.

Radfahren und der geliebte Wochenausklang beim Zirkeltraining fallen bei mir diese Woche aus. Wir geniessen ein freies Wochenende in Oberitalien.

Train Triathlon

6.00 Sonntagmorgen. Zum Frühstück empfiehlt unser Headcoach Lebensmittel mit kurzkettigen Kohlenhydraten wir Weißbrot, Marmelade und Honig. 7.00 Proviant und Ersatzklamotten( kühle 16°C) verstauen und mit dem Rad zum Busbahnhof. Hoffentlich sind nicht zu viele Rookies auf die gleiche Idee gekommen, der Bus nimmt nur begrenzt Räder mit. Ich treffe Sebastian und freue mich, einen der Jungs aus der Gruppe auf der 40 minütigen Fahrt etwas näher kennenzulernen. Der Bus hält direkt an unserem Treffpunkt am See, wo sich schon 40 Rookies und fast genau die gleiche Anzahl Helfer aus dem Triabolos Verein eingefunden haben. Schönes Bild – in 4 Wochen in Hamburg werden es Tausende sein.

Die Stimmung ist angespannt und geschäftig. Ingo hat die ganze Woche immer wieder betont, das es heute um das Ausprobieren der Abläufe und nicht um Bestzeiten geht. Die ernsten Gesichter der Rookies spiegeln das allerdings heute morgen nicht wieder.

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10.00 Wir stehen an dem kleinen Strand und zählen den Countdown zum Massenstart. Alle rennen gemeinsam ins Wasser, umrunden die ausgelegte Boje und schwimmen zum Strand zurück. Ich schwimme Brust und gleite mit dem Kopf unter Wasser vorwärts, wie ich es überwiegend geübt habe. Die Aufregung und das kühle Wasser lassen mich schwer atmen.

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Kurzer Lauf zurück in die Wechselzone. Jetzt schnell Helm, Brille, Windjacke, Schuhe (erstes Mal barfuß) und Startnummern- Band anziehen und Fahrrad bis zur Startlinie schieben. Radfahren in der Wechselzone führt zur Disqualifikation! Aufsitzen und los. Ich bin gut in der Zeit und freue mich im Mittelfeld zum Radfahren zu starten. “ Startnummer 504 hat einen Platten!“ Ich kann es nicht fassen, mein Hinterrad hat keine Luft mehr. Ein Trainer hilft mir das Rad aufzupumpen. “ Du fährst auf jeden Fall. Das hält!“ ermuntert mich Ingo, der dazu geeilt ist. So muss ich dann allein auf die Strecke, während alle Anderen mir auf ihrem Rückweg entgegen kommen. Schöner Mist! Die Helfer ermuntern mich mit kräftigem Applaus und Anfeuerungsrufen beim Wechsel zum Laufen. Die ersten Schritte sind schwer, aber dann komme ich immer besser rein und kann beim Zieleinlauf nochmal kurz sprinten. Alle Rookies und Helfer haben sich am Ziel aufgestellt, klatschen und bejubeln jeden Finisher. Zum Heulen schön.

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Gemeinsam stärken wir uns mit mitgebrachten Salaten , süßen Leckereien und  Würstchen vom Grill. Angestoßen wird mit einem Weizenbier – alkoholfrei natürlich.

Ulli und Ingo zeigen zum Abschluss wie man einen Schlauch beim Rennrad wechselt. Die Stimmung ist inzwischen so entspannt und fröhlich, das sich die ganze Darbietung zu einer Art Comedy entwickelt. Die Beiden nutzen jede Gelegenheit für Zweideutigkeit, parodieren, schauspielern und wechseln nebenbei mit viel Körpereinsatz den Schlauch. Mit der Nummer können Sie auftreten.

Trainingswoche 8

Am Sonntag ist unser Test Triathlon. Davor erwarten uns aber noch drei gesteigerte Trainingseinheiten: Unsere Alsterrunde in der wir zusätzlich 3 kurze, schnelle Intervalle laufen, das Lauf ABC und Tempolauf am Freitag mit 4 Durchgängen 600m Tempo/ 250m Trab und unser Schwimmtraining am Samstag. Der Wettkampf rückt näher und die Trainingseinheiten werden immer tempolastiger.

Das Thema Zeiten beherrscht seit dieser Woche auch unser Rookie Gruppe. “ Welche Durchschnittsgeschwindigkeit fährst du auf dem Rad? Mit welchem Schnitt bist du gelaufen? Wie war deine Zeit für eine Bahn Kraul?“ Daraus werden sofort Wettkampfzeiten und mögliche Platzierungen hochgerechnet. Der Wettkampf hat begonnen – erstmal in unserer Gruppe. Entsprechend ist die Stimmung in dieser Woche. Meine Mitstreiter sind angestrengt bis schlecht gelaunt, es fliessen sogar Tränen. Bei Facebook entlädt sich die Anspannung mit Vorwürfen für zwei Mädchen die „heimlich“ schon einen Triathlon in Dresden gemacht haben, Spott und Neid für diejenigen, die mehrfach die Woche noch eigenständig trainieren und Schuldzuweisungen für den schlechten Ruf der diesjährigen Rookies. “ Diese Woche habe ich dich beneidet. Du bist nicht bei Facebook und WhatsApp und hast dich entscheiden, nicht zu kraulen – alles richtig gemacht!“ sagt mir Caroline, eine unserer Besten, am Freitag. Was ist denn hier los?

Schon zu Beginn der Woche hat Ingo eine Mail mit wichtigen Infos für unseren Test Triathlon geschickt. Das Szenario ist strikt an den Ernstfall angelehnt:  Akkreditierung, Rad Check in, Wechselzone einrichten,  Wettkampfbesprechung und Einschwimmen. Immer wieder lese ich die Mail, herrlich bildhaft in vielen Details zum Thema sinnvolle Ausstattung für den Triathleten (Ingos absolutes Lieblings No Go sind Kompressionsstrümpfe). Samstag hat auch mich die Nervosität endgültig gepackt. Eine Mail von Nadine, in der sie mir sagt, was ich alles an wichtigen Infos beim Schwimmen verpaßt habe, gibt mir den Rest. Mein Magen rebelliert, ich bin wortkarg und auch an Schlaf ist nicht zu denken.

Grenzen

„Warum tust du dir das an?“ ist wohl die am häufigsten gestellte Frage seit ich für den Sprint Triathlon trainiere. Es geht um Grenzen. Wo sind meine Grenzen? Von welchen möchte ich mich herausfordern lassen? Welche akzeptiere ich?

Die Gruppe: wie auch beim Pilgern ist eine Gruppe immer eine Herausforderung für mich. Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Menschen strengt mich an, auch weil ich alles wahrnehme. Schnell verliere ich mich selber aus dem Blick. Eine Grenze tut hier gut.

Die Kraft: Ich teile mir meine Kraft so ein, dass ich noch Reserven habe. Damit bin ich in meinem Leben immer gut gefahren. Beim Training gebe ich alles, bis ich nicht mehr kann. Meine Grenzüberschreitung hat Konsequenzen für die Gruppe, sie ist nur so schnell wie der Langsamste. Die Ermunterung der Gruppe „Du schaffst es!“ ist eine wertvolle Erfahrung.

Das Alter: „Man ist so alt wie man sich fühlt.“ Schönundgut – was bedeutet das für mich? Ich fühle mich wie Mitte dreißig. Die meisten Rookies sind in diesem Alter oder etwas jünger. Sie erzählen von feuchtfröhlichen Abenden vor und nach dem Training, sind ohne familiäre Verpflichtungen, arbeiten freiberuflich (Julian ist Blogger), jetten mal eben nach London, planen schon den nächsten Wettkampf undundund. Sie reisen mit leichten Gepäck, denke ich. Mein Rucksack ist schon ordentlich gefüllt und an manchen Tagen trage ich schwer daran. Dann spüre ich meine Grenzen. Soviel Glück, Leid, Liebe, Enttäuschung, Fröhlichkeit und Trauer – mein Leben.

Das Ziel: ist ambitioniert und ja, ich will es mir beweisen. Ich will meinen inneren Schweinehund überwinden, ich will diszipliniert sein und mich fordern. Ich will Ängste überwinden, den Bedenkenträgern und Zauderern die Stirn bieten und für mein Ziel über Grenzen gehen.

Trainingswoche 7

Am Mittwoch treffen wir uns schon um 17.00 am Stadtparksee – Neo Testschwimmen. Es ist eine von vielen Veranstaltungen, die im Vorfeld des Triathlon stattfinden. Sponsoren sind die Hersteller, in diesem Fall Sailfish, und Hamburger Fachhändler. Alles ist super organisiert: Neo in allen Größen und Preisklassen, Energieriegel- und Gels zum Probieren und viele helfende Hände beim An-und Ausziehen. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. In diesem hautengen Teil eine gute Figur zu machen ist nur den wenigsten gegeben. Im Wasser fühle ich mich auch nicht wohler, das Material ist zum Brustschwimmen einfach nicht geeignet. Also raus aus der Haut und nur im Badeanzug ins Naturbad. Ein völlig neues Schwimmerlebnis mit Wasserpflanzen, trüben Sichtverhältnissen und leichten Wellen. Insider munkeln von weiteren „Überraschungen“ in der Alster.

Unseren 50 Minuten Lauf absolvieren wir direkt danach im Stadtpark in neuer Kulisse. Trotz des großen Areal trifft man hier heute Abend an jeder Weggabelung auf eine andere Laufgruppe. Es ist Hochsaison der Freiluftsportler.

My happy friday – Lauf ABC und Tempo Intervall bringen mich wieder ins Hoch. 6 Durchgänge  400m Tempo/400m Trab sind die nächste Steigerung. Ich laufe sie mit einer netten Partnerin im gleichen guten Tempo.“Nächsten Freitag wieder, oder?“ Wir sind uns einig.

Punkt1: Beim Kraulschwimmen schont man die Beine, da die meiste Kraft in der Armbewegung liegt. Keine gute Nachricht. Punkt2: Der zeitliche Unterschied zwischen Kraul und Brust ist auf 500m um die 4 Minuten. Diese Nachricht nimmt den letzten Druck bei mir raus. Das meine Kondition heute für viele Bahnen Kraul und Brust im Wechsel reicht sorgt für einen beschwingten Samstag.

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Ingo und Kirsten erwarten uns im trockenen Unterstand ihres Kofferraum. Der Himmel über Hamburg zeigt sich wolkig, regenverhangen bei 14°C. Was für eine Unterschied zum letzten Sonntag. Schnell nochmal den Luftdruck der Reifen prüfen und schon heißt es aufsatteln. Das Tempo wird heute in allen Gruppen angezogen. Da die Gruppenstärke teilweise zu hoch ist, rücken einige zurück. Unsere 6er Gruppe wird  um Victoria ergänzt, die mit ihrer High-Tech Trainingsuhr das Tempo dominiert, um ihr persönliches Tagesziel  zu erreichen. Auf der Rückfahrt rettet mich nur der Ruf nach „Kürzer“ um die letzten 10 km zu überstehen. Am Ziel wird wieder gekoppelt: Laufschuhe an und 2,5km zügig laufen.

Beim Zirkeltraining ist die Stimmung super bis ausgelassen. Ich staune, wie belastbar ich mittlerweile bin und auch alle anderen Rookies trainieren sich mit fetziger Musik in ungeahnte Höhen. „Hier wird es einem so richtig besorgt!“ ist die Alternativformulierung von Markus. Damit bleibst du für immer in meiner Erinnerung, lieber Markus.

Trainingswoche 6

Halbzeit im Rookie Camp.

Allmählich klettern die Temperaturen in sommerliche Höhen. Vielleicht ist das der Grund für die geringe Läuferzahl heute? Die 24 Laufwilligen sind allerdings auch nur mäßig motiviert. Beim Treff macht eine Nachricht die Runde: Markus ist heute genervt von der Aktivität der WhatsApp Gruppe. Er hat 127 Nachrichten bekommen. “ Was stand denn drin?“ „Frag nicht!“ und rollende Augen sind seine Antwort. Ich bin froh mich dagegen entschieden zu haben. Das leichte Stimmungstief wandelt sich zu einem Hoch als meine Gruppe 50 Minuten später eine Alsterrunde geschafft hat. Für mich auf diese Distanz eine passable Zeit.

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Zweimal die Woche haben wir zum Laufen die schönste Kulisse der Stadt. Am diesem Freitagabend schleppen die Städter ihre Grillausrüstung auf die Alsterwiesen. Zwischen den Dunstschwaden von Holzkohle und Fleisch ziehe wir unsere Bahnen: 400m Sprint und 400m Trab in 3 Durchgängen. Heute nutzen alle das Traben um runterzukommen. Die Hitze und die Verdopplung der Intervalle fordern uns. „Bei den letzten zwei Durchgängen will ich auf 200m richtig Tempo sehen!“ Ich gebe nochmal Alles, aber …….es reicht nicht oder besser, es reicht unserem Headcoach nicht. “ Bei 200m Sprint will ich deutlich mehr Tempo sehen. Geht an eure Grenze. Nur so erreicht ihr eine Steigerung im Training!“

Beim Schwimmen fehlt mir am Samstag jegliche Kraft. Das neue Leistungsniveau in Woche 6 und ein Stimmungstief machen mir zu schaffen. Über 200 WhatsApp Nachrichten täglich liefern den Gesprächsstoff bei unseren Trainingstreffs: Klatschundtratsch bei Triabolos, wo gibts die besten Trisuits, wer hat schon einen und sieht damit wie aus, wer war heute vor dem Laufen im Stadtpark schwimmen und wird mit großem „Hallo“ begrüßt. Zeit und Lust mich auf den aktuellen Stand zu bringen hat hier keiner – ich fühle mich ausgeschlossen.

Sonntagmorgen 7.30 Frühstück auf unserem schönen Balkon, begrüßt von Vogelgezwitscher. Ich genieße meinen frischen Hefezopf mit kaltgerührter Erdbeermarmelade – köstlich. Leider muss ich dieses Idyll schnell verlassen um mich auf die wöchentliche Radtour vorzubereiten. Es sind sonnige 29°C gemeldet. Sorgfältig die Sonnencreme verteilen und ausreichend Wasser mit einem Spritzer Holunderblütensirup (selbstgemacht von Mutti) am Rad verstauen. Die Laufschuhe müssen heute auch mit, wir koppeln das erste Mal. Nach dem Radfahren geht es für eine kurze Strecke gleich in die Laufschuhe. Drei Stunden später weiß ich, wie sich der Ernstfall anfühlt. Nach ca. 40km Radfahren sind meine Knie steif und unbeweglich. Ich versuche einfach nur vorsichtig ins Lauftempo zu kommen und nicht daran zu denken, dass ich in 6 Wochen an dieser Stelle 5 km laufen muss. Wie das aussehen kann, haben uns die sportlichsten jungen Männer aus unserer Rookie Gruppe vorgeführt. Schon heute im Wettkampfanzug sprinten sie nach ihrer Ausfahrt (die weiteste und schnellste) los, als wollten sie einen 100m Lauf gewinnen. Zuschauen und staunen.

Beim Zirkeltraining hinterlasse ich 2 Liter Schweiß. AusdieMaus! Ingo gibt uns einen sehr ernst formulierten Rat mit in die nächste Woche: “ Haltet die Regenerationstage ein. Jetzt keine Extrarunden, das Verletzungsrisiko durch Selbstüberschätzung ist hoch.“ Train smart ist sein Credo.

Trainingswoche 5

Der sogenannte Muskelkater bezeichnet Muskelschmerzen, die mit zeitlicher Verzögerung (12-24 Stunden) nach ungewohnter körperlicher Betätigung auftreten. Kleine Risse der Muskelfasern und der dazugehörigen Blutgefäße mit lokalen Entzündungen und Schwellungen lösen den unangenehmen Schmerz aus. 

Mein Muskelkater ist in der 5 Trainingswoche kaum zu spüren, d.h. also das die Betätigung zu einer gewöhnlichen wird, oder? Die Gelenke brauchen noch etwas Zeit – Handgelenk-und Knöchelbandage sind mein ständiger Begleiter. Beim Lauftraining kann ich ein gutes, konstantes Tempo an der Spitze unserer Gruppe laufen. Eine unserer Jüngsten hat sich an meine Fersen geheftet. “ Die lasse ich nicht abziehen.“ gibt sie später offen zu. Interessant was so ein Training alles triggert. Die schnellstens sind heute im 4 er Schnitt in knapp 30 Minuten einmal um die Außenlaster gelaufen. Wow!

Das Lauf ABC beginnt für mich mit einem Lob von Ingo für meine sehr gute (Zitat) Fuß- und Beinarbeit. Da läuft es sich doch gleich viel besser. Die letzte Übung ist wieder Intervall: 3x 200m traben, 1x 200m sprinten in sechs Durchgängen. Nach dem Start zieht sich die Gruppe schnell auseinander. Ich laufe „meine“ schnellen 200m gemäßigt, bin danach aber das Schlußlicht unserer Gruppe. Jetzt bloß keine Krisenstimmung, schön das Tempo halten. Im dritten Durchgang verkürze ich die Distanz zum Mittelfeld und in der nächsten Runde habe ich sie dann. Das Mittelfeld wird zunehmend langsamer und ich laufe konstant durch. “ Wo kommst du denn plötzlich her?“ ist dann auch die Reaktion der anderen. Tja, was soll ich sagen………….. Auf jeden Fall jubiliere ich innerlich.

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Ab heute haben wir unser eigenes Branding auf extra angefertigten Laufmützen.

Beim Schwimmtraining setzt sich der Trainingserfolg fort. Das Trainieren der Technik bleibt, wird aber zeitlich verkürzt. Dafür wird das Distanzschwimmen stufenweise verlängert. Ich schwimme eine Mischung aus Brust und Kraul, beim zweiten die meisten Bahnen jemals. Hurra! Tipp vom Trainer: öfter und ruhiger atmen – mir geht sonst die Puste aus. Vielleicht werden Kraulschwimmen und ich doch noch ein Paar?

Sonntag 7.20 Wecker klingeln. Es ist regnerisch, windig und ich bin ziemlich müde. Wetter.de meldet für den Vormittag Regen und mäßige bis starke Böen. Ich entscheide mich schon beim Frühstück in der langsamen Gruppe zu fahren. Weitere wetterbedingte Entscheidungen gibt es von unseren Trainern: wir fahren heute nur die halbe Distanz, damit alle noch vor dem Unwetter gut nach Hause kommen.

Das Beste kommt am Sonntag wieder zum Schluss: hoher Puls, viel Schweiß und strahlende Augen nach dem Zirkeltraining.

Trainingswoche 4

Ich bin immer noch dabei.

Pfingstmontag hole ich die Trainingseinheit Rad nach. Kein Regen aber immer noch starke Böen. Wenn ich auf der Hinstrecke bis zum Wendepunkt dachte, der Wind käme von vorne, so wußte ich auf der Rückfahrt genau woher der Wind weht: die ganze Strecke von vorne. Ich unterscheide: voll von vorne, volle Kanne von vorne oder volles Brett von vorne und nirgendwooooo Windschatten. Am Ziel bin ich auf dem Steg Entenwerder zu KaffeeundKuchen verabredet. Köstlich, und das Beste ist ein superweiches Polsterkissen auf der Bank. Was für eine Wohltat.

Der Mittwoch Lauf Termin leidet unter schwindender Teilnehmerzahl. Fünf Sporttermine in der Woche sorgen bei einigen Rookies für Motivationseinbrüche. Mein Fazit für heute: Bohnensalat zu Mittag und Alsterlauf am Abend gehen nicht zusammen. Beim Lauf ABC ist es am Freitag eine Mischung aus Altbewährtem und einer neuen Einheit Intervall: 4x 200 Meterlauf mit einem schnellen Lauf im zweiten Intervall. Da gibt es bei mir noch Entwicklungsbedarf.

Das Schwimmen fällt bei mir aus – ich habe geschwollene Augen, rot umrändert mit juckenden Augenlidern. Allergie ist es nicht, die Apothekerin tippt auf etwas Bakterielles. So beginnt dieser Arbeitssamstag in der gewohnten Tradition eines gemeinsamen Frühstück mit Zeitungslektüre und einem ersten Kaffee auf dem Balkon.

Beim Radtraining rücke ich eine Gruppe auf, auch weil Ingo diese Gruppe heute begleitet. Ich schätze sein Coaching – besonnen, sehr aufmerksam und humorvoll. Genau die Motivation, die ich brauche um ins höhere Tempo einzusteigen. Als ich nach einem Fahrerwechsel kurz zurückfalle, schiebt er mich beinahe zärtlich von hinten an meinen Vordermann heran. Meine Mitstreiter sprechen mir ihr Mitgefühl aus:“ Das du das mit diesem Fahrrad schaffst.“ Irgendwie fühle ich mich nicht getröstet, eher verhöhnt als gebe es noch den Nachtrag: schön doof kein Rennrad zu fahren. Der einzige konstruktive Vorschlag kommt von Ingo. Der Lenker soll andersherum montiert werden, damit ich eine geneigte Körperhaltung habe und mich nicht ständig selber bremse. Zum Schluß der Ausfahrt sein kurzes Feedback an die Gruppe: gutes Tempo, schönes Gruppen fahren, gute Handzeichen, Zurufe wie „kürzer“ müssen schneller kommen (geht an mich). Ich radle erschöpft und glücklich an diesem sonnigen Tag nach Hause.

Das Beste kommt kommt bekanntlich zum Schluß: 20 Minuten Aufwärmtraining – leichte Schweißbildung. 30 Minuten Rumpfstabi auf der Matte – Schweiß tropft aufs Handtuch. 45 Minuten Zirkeltraining – ich bin klitschnass. Heute Abend trainieren wir an 15 verschiedenen Stationen mit je 2×30 Sekundenintervallen. Meine „Highlights“  sind Liegestütz, Aufspringen auf einen Kasten, Schwingstab bewegen, Hackenlauf auf dicker weicher Matte, mit zwei dicken Seilen Wellen schlagen. Beim abschließenden Stretching dampfen 50 Sportler vor sich hin und die Sporthalle verwandelt sich in ein müffelndes Biotop. Nichts wie raus hier.

Trainingswoche 3

Mittwoch ist der wärmste Tag dieser Woche: 23°C beim Treffen um 19.00 an der Alster. Die Gruppe ist überraschend klein – wir sind in der Pfingstwoche. Ingo muss nicht mehr viel erklären. Die Gruppen finden sich schnell: Ingo und Kirsten mit ihren schnellsten und schnellen Läufern in 50 Minuten  einmal um die Alster,  die Lena Gruppe bis zur Alsterperle und zurück. Es fehlen noch 0,6km bis zur vollen Runde – die knacken wir nächste Woche. Ich laufe in meinem „Wohlfühltempo“ in kleinem Abstand vor den Anderen. Dafür gibt es, nicht nur für mich, beim anschließendem Stretching mit Ingo das Feedback: „Die Gruppe bleibt zusammen und ist nur so schnell wie der Langsamste! Am Freitag bekommt ihr ausreichend Gelegenheit Tempo zu trainieren. Wer beim Wettkampf nicht ständig auf die Fresse bekommen will, verabschiedet sich im Training von Bestzeiten.“ Unser Headcoach mag es anschaulich.

Bildsprache nächstes Kapitel : Schulmädchenlauf auch Hopserlauf genannt, Storchengang (kennt wohl jeder) und ähnliche Schritte werden am Freitag geübt. Wie versprochen auch Tempo, langsam ansteigend bis auf max. 85% der eigenen Höchstleistung. Von unseren „Besten“ sehen wir nur noch Staubwolken. OK Jungs, gewonnen. Vor dem Training herrscht auf dem Parkplatz die übliche Schweigestimmung. Die Rookies, die in der nicht öffentlichen Facebook- und WhatsApp Gruppe sind, haben deutlich mehr Gesprächsstoff. Bilder und Videos aus unseren Trainings werden nur dort gepostet und natürlich kommentiert. Ich habe mich entscheiden nicht bei Facebook aktiv zu sein und das soll auch so bleiben. Die Gruppendynamik bei WhatsApp habe ich einmal erlebt – das halte ich nicht durch, dieses ständige Gebimmel. Also weiter Parkplatz schweigen? Heute gab es erste Annäherungsversuche beim Schlange stehen, ganz analog!

Das Schwimmtraining am Samstag ist mein zweites in dieser Woche: Freitag morgen im Freibad bei kühlen 19°C Wassertemperatur 500m Brust in 14 Minuten. Die Kraul Schwimmer planen 6-8 Minuten für ihren Wettkampf. Nimmt man das Alter mit in diese Gleichung paßt es: halbes Alter, halbe Zeit! In der Alsterschwimmhalle tröstet mich das wenig. Die Anfängergruppe hat sich verkleinert und damit der Takt. Ich bin nach Dreiviertel des Trainings so erschöpft, dass ich aufgeben möchte. Hauke gibt mir Übungen für den effektiven Bruststil, mit denen ich mich gleich besser fühle und auch vorwärts komme. Endlich 10.00 Uhr! Leicht angeschlagen beeile ich mich schnell zu duschen und „zum Dienst zu kommen“.

Das Sonntagswetter: 45% Regenrisiko-frischer Wind aus West-steife Böen 56km/h-Unwetterwarnung. Ich nehme mir heute FREI. Nach einem anstrengenden Samstag im Geschäft gönne ich mir diese Pause. Die Unwetterwarnung kommt mir gerade recht; vielleicht fahre ich morgen bei angekündigtem Sonnenschein die Strecke am Deich alleine.

Wie wichtig die Rumpfmuskulatur, und das nicht nur beim Sport, ist begreife ich erst in diesem Training. Ich sage nur musculus gluteus maximus.  Mich plagt schon länger eine entzündlicher Schleimbeutel im Gesäßmuskel. Zu hohe Druckbelastung durch Sitzen. Also, A…… hoch und ab zum Athletiktraining am Sonntagabend.

Ingo hat bei unserem ersten Treffen die höherer Teilnehmerzahl von 45 statt 40 mit dem Ausscheiden von 3-5 Teilnehmern erfahrungsgemäß in der dritten Woche erklärt. Das ist sie also, die Entscheidungswoche.

Trainingswoche 2

32 Läufer treffen sich am Mittwoch – die ersten „Aussetzer“. Okay, eine Alsterrunde kann man auch für sich alleine laufen. Bei einer 3er Gruppenaufteilung laufe ich mit den Langsamen und bin schnell unzufrieden. Unsere Trainerin Lena erklärt mir das richtige Tempo: „Wenn du dich entspannt unterhalten kannst, ist das Tempo für diese Trainingseinheit genau richtig“. Merke: Quasseln+laufen+ ruhig atmen= richtiges Lauftempo.

Rotkäppchen Lauf, Dirne an der Theke, hinten kackt die Ente, maximal dämlich. Am Freitag sollen wir daraus keine Kurzgeschichte machen – das waren die blumig/derben Bilder von Ingo für unsere Schrittübungen am Freitag. Ich habe Spass am Lauftraining und freue mich über kleine Fortschritte und eine gute Kondition. „Und immer schön lächeln!“ fällt mir heute leicht.

Ich schwimme die 500m beim Wettkampf Brust. Die Technikstunden am Samstag im Rookie Camp nutze ich, um langfristig Kraul zu lernen. Mit dieser Entscheidung geht es am Samstag wieder ins Wasser. 50m Beinschlag mit Schwimmbrett, 50m Armkraul mit Pullboy, Brustbeine und Kraularme und ich nehme mir soviel Zeit wie ich dafür brauche. Perfekt!

Anhalten auf der Strasse, Zurückfallen ohne Meldung „kürzer“, Handzeichen nicht weiter durchgeben, gar keine machen, nicht aufschließen, rechts ranfahren um links abzubiegen, bremsen (mit Sturz), kurz und gut das Radtraining am Sonntag ist eine einzige Katastrophe. Da kann auch das traumhafte Sonntagswetter die Stimmung in unserer Gruppe nicht heben. Einziger Lerneffekt: beim Radtraining trägt man weisse Schuhe und Strümpfe……….so unser Headcoach Ingo, dezent im großgeblümten Outfit.

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Viel Abwechslung (Schulhof-Treppen-Hindernis Lauf), mehr Wiederholungen, viel Schweiß und eine lockere Stimmung  machen das Athletik Training am Sonntagabend  zu einem schönen Abschluss dieser Woche.

Trainingswoche 1: Radfahren und Athletiktraining

Sonntag 10.00 – 13.00

Vor dem Wecker um 7.30 liege ich schon wach im Bett. Ich bin gespannt und aufgeregt was mich heute erwartet. Dabei geht es weniger um Leistung / Tempo als um die Fragen: ist mein Rad wettkampftauglich, wieviel Lagen zieht man bei 14°C an, wieviel Trinkflaschen + Riegel müssen mit, wird es ohne Ersatzschlauch und Luftpumpe (Miniformat) gehen, ziehe ich Radschuhe mit Klickverschluss oder Turnschuhe an, wo genau ist die „Triabolos Schranke“ unser Treffpunkt? Die Zeiten wo ich mich kopfüber in Neues gestürzt habe sind nicht vorbei, aber ich brauche die Sicherheit gut vorbereitet zu sein. Oder war das schon immer so? Auf jeden Fall bin und bleibe ich heute morgen aufgeregt.

In der U-Bahn treffe ich Nadine – die Freude ist beidseitig. „Hast du an….und auch an…… gedacht? Ich habe noch….. und das……dabei!“ Langsam macht sich Ruhe bereit – die Ausrüstung paßt. Am Zielbahnhof sind wir schone eine kleine Gruppe und radeln gemeinsam zum Treffpunkt. Hier kann man jetzt Rennräder und Outfits auch der Profiklasse bestaunen. Wer muss, kann nochmal Luft pumpen und dann geht es auch schon in vier Gruppen los. Stopp!

Die notwendigen Handzeichen für die Fahrt in einer Gruppe müssen noch gezeigt werden damit die Kommunikation klappt. Im Schnelldurchlauf bekommen wir mindestens 10 Zeichen für Hindernis links, Hindernis rechts, Unebenheit, langsam, anhalten, 1er Reihe, 2er Reihe, aufrücken, links abbiegen und rechts abbiegen. Alles klar?

Die Gruppen starten nach Tempo und Gruppenerfahrung. Elf absolute Neulinge und ich lernen heute die Handzeichen und das Fahren in der Gruppe. Abstand zum Reifen des Vordermann ca. 20cm zum Nebenmann Lenker an Lenker. Es wird niemals aufgehört zu treten( Hintermann erwartet sonst eine Bremsung) oder gebremst (nur mit Ansage vom vordersten Fahrer) Die Geschwindigkeit wird über die Schaltung geregelt. Wir bilden 1- er Reihen zum Umfahren von Hindernissen, 2- er Reihen wieder zurück und wechseln die Position der vordersten Fahrer durch Aufrücken in der Gruppe.

Das Tempo ist gemäßigt, heute auch nur Nebensache. Mitten in der Gruppe, im Windschatten,  ist Konzentration angesagt um Karambolagen zu vermeiden. Mehrmals habe ich die Vorderportion und kann das Tempo (Vorgabe vom Trainer) machen – gegen den Wind, der ja bekanntlich immer von vorne kommt.

Nach 90 Minuten fühlen wir uns schon sicher mit den Handzeichen und der „Gruppenformation“. Nächsten Sonntag können wir das unter Beweis stellen und die 31km von heute toppen.

Athletiktraining  18.00 – 20.00

Es ist immer noch Sonntag.

Zuhause habe ich mich mit einem guten Essen und einer Mittagsruhe gestärkt. Wir treffen uns um 18.00 in der Sporthalle eines Hamburger Gymnasium. Alle Erinnerungen an meine Schulzeit mit muffigem Hallengeruch, holzvertäfelten Decken, Linoliumböden, abgewetzten Turnmatten, blechernen Musikanlagen werden hier heute wach. Das Musikangebot scheint jünger. „Was wollt ihr hören?“ Killing me softly wird gewünscht. Die riesige Gruppe aus Triabolos und Rookies von 50 Teilnehmern ist offensichtlich gut drauf.

Unser Training ist ein klassisches Zirkeltraining, heute etwas abgespeckt für die Neulinge. Das Dehnen zum Abschluss ist recht ausführlich für alle Muskeln, die in dieser Woche beansprucht wurden.

Ingo hat inzwischen aus Sprungkästen (abgewetzt mit braunem Leder) ein Podest für unser 1.Woche Abschlussfoto gebaut. Schnell alle zusammenrücken, Klick, und dann zum Duschen nach Hause.

Trainingswoche 1: Schwimmen

Samstag 9.00 – 10.00

Die Erinnerung an den Kraul Kurs im Januar versetzen mich heute Morgen nicht gerade in Hochstimmung. Treffpunkt Alster-Schwimmhalle Punkt 9.00  im Wasser.

Zum Frühstück gibt es einen selbst zubereiteten grünen Smoothie aus Babyspinat, Avocado, Banane, Orange und Agavensaft. Schmeckt lecker und macht sofort satt. Eine gesunde, frische Alternative zu Riegeln. Die Energiebilanz ist noch zu erbringen.

Bis zum Rookie Camp habe ich zwei Einzelstunden bei einem Schwimmtrainer genommen und zweimal pro Woche selber trainiert – ich sollte zuversichtlicher sein. Melden tue ich mich bei der Gruppeneinteilung  bei der „absolut beginners“ Gruppe, hier nicht so klangvoll Treibholz genannt. Unser Trainer Hauke erklärt mir die Technik des Beinschlag aus der Hüfte. Trostpflaster: es gibt Menschen mit einer natürlichen Begabung für diese Bewegung und andere (keine Altersangabe) lernen es schwer bis nie.

Auch diese Technik Stunde geht irgendwann zu Ende und ich danach frisch und adrett zur Arbeit.

Trainingswoche 1: Laufen

Mittwoch 19.00 – 20.00

Herausfordernder hätte das Wetter für unseren ersten Lauf nicht sein können. Bei lausigen 7°C und Regen treffen wir uns vollzählig am Parkplatz Cliff an der Alster. Ganz schön frisch – hoffentlich geht´s bald los. Schnell noch einen „Vortrainingsriegel“ kauen bevor ich mich entscheiden muss, in welcher der 4 Gruppen ich die 45 minütige Strecke laufen will.

Ingo vermeidet das Wort langsam und so gibt es eine schnelle, die schnellste und zwei schnelle Gruppen. Hm, wie jetzt? Ich entscheide mich beim Start des dritten Trainers mitzulaufen. Das Tempo ist gleich zu Beginn hoch, zu hoch für mich. Ich beginne lieber langsam , oh je das Vermeidungswort, und werde dann allmählich schneller. Mein 60% Prinzip, sagt mein Sponsor.

Der Regen nimmt stetig zu, ebenso wie meine Kondition. Nach einer Halbzeit Wende erreichen alle Gruppen fast gleichzeitig wieder unseren Startpunkt. Kurzes Stretching und anerkennede Worte vom unserem Headcoach. Mit meinem „Nachsportriegel“ und einem fröhlichen „Tschüs bis Freitag“ flüchte ich ins Auto. Durchnässt und zufrieden freue ich mich darauf zuhause zu erzählen: Toll war es!

Freitag 19.00 – 20.00

Gleicher Treffpunkt, ähnliches Wetter, wieder vollzählig. Der 2. Lauftermin in einer Woche ist immer das Lauf ABC. Hier geht es um das richtige Abrollen, Versenlauf, Hakenlauf, Kniehebelauf, Tempolauf, Armhaltung und einiges mehr. „Wir wollen beim Laufen nicht nur gut aussehen, sondern uns auch effektiv bewegen.“ Macht Sinn. Das Zauberwort heißt aufrechter stabiler Rumpf. “ Darum kümmern wir uns am Sonntag!“  Ich merke  heute Abend beim Training meinen Bauch bzw. die fehlende Bauchmuskulatur für eine stabile Haltung.

Die große Gruppe muss sich zu jeder Übung auf dem Alsterspazierweg in einer 2 -Reihe aufstellen, was ein wenig an Kindergarten erinnert, den anderen Joggern aber die Möglichkeit läßt, an uns vorbeizuziehen. 45 Minuten wird auf einer abgesteckten Strecke getrippelt, gerollt, gestreckt, stabilisiert und gesprintet. Ingo ist nicht zufrieden mit uns: es geht nicht um Schnelligkeit sondern um Genauigkeit. Da helfen nur ein paar deutliche Worte.

Kickoff

Eine Woche vor dem ersten Training treffen wir uns zum Kickoff bei einer ehemaligen Rookie in Wandsbek. Wiebke betreibt dort ein Hotel. Kreativ eingerichtet mit vielen sportliche Akzenten – einfach wohltuend anders.

Ingo, der Triabolos Vorsitzende, empfängt jeden freundlich mit Handschlag. Langsam trudeln alle ein –  allein, zu zweit, zu dritt. Der Frauenanteil ist groß(?), der Altersschnitt zwischen 30-45: Punkt 1 der Bestandsaufnahme stimmt. Es ist natürlich vermessen von dem äußeren Erscheinungsbild der Teilnehmer auf die Fitness zu schließen, aber ich tu es trotzdem: Punkt 2 der Bestandsaufnahme stimmt.

Ingo und unser Herdcoach Ingo, genannt Püppchen, stimmen uns in ihren Ansprachen auf die kommenden Wochen ein. Ich freue mich, dass neben vielen Informationen und Terminen auch von Motivation und Freude am Training die Rede ist. “ Wir haben immer alle Rookies durch Ziel gebracht /Dieser Moment in der Alster bei 23°C Außentemperatur Gänsehaut zu bekommen, werdet ihr nie mehr vergessen!“

Die beeindruckende Anzahl von 14 Trainern stellen sich vor. Ganz gutes Verhältnis: 1 Trainer auf 3 Rookies…….so ist es aber nicht. Jede Sportart hat 2-3 feste Trainer und der Rest macht Vertretung.

Ein knallig oranger Rucksack ( unverkennbar Laufwerk Logo) befüllt mit Power- Riegeln, Einkaufsgutschein und einer Trinkflasche steht für jeden von uns bereit – Nette Idee.

Heute Abend stärken wir uns aber mit leckerem Chili con Carne und schmackhaften Salaten, gesponsert von Wiebke.

Die erste große Aufgeregtheit hat sich gelegt. Ich vermute mich im Mittelfeld der Trainingsgruppe, einem Platz mit dem ich zufrieden bin, erstmal.

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Equipment

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Sportbadeanzug, Badekappe, Schwimmbrille, Technik Paddel, Ohrstöpsel, Packsack, Laufschuhe, Fahrrad Shirt, Fahrrad Hose, Fahrrad Helm, Windstopper, Sportbrille, Gel Handschuhe, Trinkflasche, Wettkampfanzug, Fahrrad.

Muss ich das wirklich alles haben? Ja – und es kostet nicht nur viel Geld, sondern auch viel Zeit und Nerven sich in das „Materialthema“ einzuarbeiten. Gebraucht oder neu, zwingend notwendig oder optional, chic oder zweckmäßig, Profilabel oder Lidl?

Mein Parameter ist der Preis. Die Auswahl reduziert sich überschaubar und so ist die Schwimmausrüstung schnell gefunden ebenso wie die Laufschuhe. Farben spielen hier wirklich nur eine untergeordnete Rolle…..

“ Ein sportliches Fahrrad für die Teilnahme am Triathlon, was Sie danach im Alltag (für den Markteinkauf ) weiterfahren können ist eine schwachsinnige Idee!“ habe ich mir so unverblümt oder etwas netter in jedem Fachgeschäft anhören dürfen. Ich lerne: wer nicht auf den Experten hören will bekommt kein Rad.

Eine Woche vor Trainingsbeginn habe ich ein Crossrad erstanden. Durch Demontage von Gepäckträger, Schutzblechen, Licht und Ständer hat es einen sportlicheren Look bekommen. Ein Zugeständnis an meinem Sponsor, der mich tatkräftig unterstützt. DANKE!

KoordinationInformationKondition

Bis zum Rookie Start am 27. April heißt es jetzt fit bleiben bzw. werden: 100m Kraulschwimmen und 2km lockeres Laufen werden von allen Teilnehmern erwartet.

Ich konzentriere mich auf das Schwimmen. Im Fitness Studio trainiere ich 2x wöchentlich Muskelaufbau Schwerpunkt Schwimmen. Am 7. Januar dann der erste Kraul Kurs in der Alster- Schwimmhalle. Der Geruch und die Stimmung in diesem großen öffentlichen Bad wecken sofort Kindheitserinnerungen. Frohgemut steige ich mit neuem Badeanzug, Badekappe und Brille ins Wasser.

“ Beine eng zusammen, locker aus der Hüfte schlagen, Füße leicht schräg gestellt, Gesicht ins Wasser, Blick gerade nach unten, mit der Nase unter Wasser ausatmen und mit dem Mund über Wasser einatmen…….“ Das sind mindestens 2 Informationen zuviel für mich. “ Arme mit dem Ellenbogen nach oben aus dem Wasser heben, lang nach vorne, eng am Körper zurück, im 3 er Schlag einatmen.“

Ich schwimme die letzten 5 Einheiten außerhalb des Kurs und trainiere überwiegend meine Beinschläge. Nach dem Schwimmen nochmal Kindheitserinnerung: mit großem Appetit verdrücke ich meinen Proviant an Möhren, Melone oder Ananasstücken. Draußen wartet schon mein Schwimm- Shuttle. Zufrieden und erschöpft lasse ich mich nach Hause fahren.

Adrenalin – erst einmal am Computer

Am 15. Dezember 2015 stehen keine sportlichen Fähigkeiten im Vordergrund. Die Anmeldung für den Triathlon erfolgt im Internet und 10.000 Athleten bringen innerhalb weniger Minuten das System zum Abstürzen.

Die Registrierung beim ITU World Triathlon  ist Voraussetzung für die Anmeldung beim ROOKIE Trainingsprogramm der Triabolos in Hamburg. In 12 Wochen Training werden dort Neulinge auf die Sprint Distanz von 500m Schwimmen, 20 km Radfahren und 5km Laufen professionell vorbereitet. Ich möchte einen dieser begehrten Plätze bekommen.

Am nächsten Tag nochmal Anspannung bei der Online Registrierung. Es hat geklappt. Jetzt heißt es schnell sein –  die ersten 40 Anmeldungen per Brief kommen ins Rookie Programm. Ich fahre direkt zu der Postadresse und gebe meine persönlich ab. Der Trainer ist entspannt und erfreut: “ Das wird die beste Zeit deines Lebens – in sportlicher Hinsicht.“ Er erwartet an diesem Abend weitere persönliche Abgaben – Schönen Abend Ingo!

Bestandsaufnahme

Ich bin bestimmt die Älteste

Ich bin mittelmäßig fit

Ich laufe schon länger keine große Distanzen

Ich kann kein Kraul schwimmen.

Ich habe keine entsprechende Ausrüstung

Ich bin für den Hamburg Triathlon am 16.Juli 2016 gemeldet

Geht doch! Blankenese – Buxtehude

Samstagmorgen um 8.00 setze ich meinen roten Tagesrucksack auf. Wie ein Signal öffnet sich mein Herz und ich spüre die Freude “ Ich bin wieder auf dem Weg.“

In Blankenese schließe ich mich der ökumenischen Pilgergruppe für Klimagerechtigkeit an. Ziel des in Flensburg gestarteten Weg ist Paris, wo Anfang Dezember die Welt- Klimakonferenz stattfindet.

Tagespilger begleiten die  Pilgergemeinschaft heute bei der Elbeüberquerung bis zum Tagesziel in Buxtehude. In Altona bin ich mit einem Freund verabredet und auch der Pilgerpastor der St. Jacobi Kirche stößt zu uns. Ich freue mich immer wenn er dabei ist! In der Kirche am Markt in Blankenese findet ein Gottesdienst statt. Bei Laudato Si, o mi Signore stimme ich mit ein und freue mich endlich den Mut aufzubringen mitzusingen. Bernds kräftige und wohlklingende Stimme an meiner Seite ist Unterstützung.

Den Reisesegen sprechen zwei muslimische Kirchenvertreter, ein jüdischer und die evangelische Pastorin der Marktkirche. Im Wunsch, das Klima auf unserer Erde zu schützen und Bewusstheit dafür zu schaffen, sind die Religionen an diesem Morgen in Hamburg vereint. Die Pilgergemeinschaft geht in einer kleinen Prozession zum Schiffsanleger Op`n Bullen, wo uns eine Fähre zur Überfahrt nach Cranz erwartet. Flankiert von Seglern, Opti´s und Ruderbooten geht es auf die andere Elbseite.

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Die Elbvertiefung und deren mögliche Folgen sind das Thema der Überfahrt. Ich geniesse den Blick auf Blankenese und den herrlichen Sonnenschein. Die Führung für den Weg übernimmt an Land ein Umweltbeauftragter / Ingenieur. Die 50 köpfige Pilgergruppe soll sich formieren, seinen Anweisungen Folge leisten, an roten Ampeln stehen bleiben, ordentlich zuhören und einiges mehr. Der Ton erinnert an Kaserne und irritiert mich.

Die erste Etappe folgt einem Deich bis zu unserer ersten kleinen Pause auf einem Obstbauernhof. Alles was aus Äpfeln hergestellt werden kann gibt es hier zu kaufen. Unser Weg hat immer weniger mit Pilgern gemein. Eine Teilstrecke direkt an der Strasse und eine weitere kurze Rast an eine Fischbude parallel zur Strasse ist der Moment, an dem ich übers Aussteigen nachdenke. Weit hinter uns sehe ich unseren Pilgerpastor leichten Schrittes mit seinem Pilgerstab den Rückweg antreten. Schade! Ich kann ihn verstehen.

„Ziehen wir das bis zum Ende durch?“ Mein Freund ist noch guten Mutes und so beschließen wir bis Jork weiterzumarschieren.  Ab jetzt ist dies für uns ein Klima Marsch. Der Weg geht wieder über den Deich. Schöne alte Fachwerkhäuser bestimmen das Bild und leckere Äpfel / Birnen / Pflaumen am Wegesrand verwöhnen Augen und Mägen. In Jork machen wir im Garten des Gemeindehaus eine längere Rast. Die Männer haben schnell Bänke und Tische an sonnige Stellen platziert. Mit einem frischen naturtrüben Apfelsaft lässt es sich dort herrlich in der Sonne ausruhen.

„Die auf einer Wurt erbaute Backsteinkirche wurde erstmals 1221 erwähnt. Der etwas abseits stehende 35m hohe Glockenturm datiert aus dem Jahre 1685.“ Nach einem kleinen Vortrag besichtigen wir die Kirche. Die blaue Holztonnendecke mit ihren zahlreichen goldenen Blechsternen erinnert an ein umgedrehtes Kirchenschiff. Schön und besonders. Ebenso wie die zahlreichen handgestickten Kissen in unterschiedlichen Mustern aber gleichen Farben die auf allen Kirchbänken liegen. Nie mehr ein kalter Popo!

imageMit einer kurzen Einführung und Apfelproviant für jeden Teilnehmer durchlaufen wir ab Jork das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Deutschlands. Der Weg verläuft schnurgerade und scheint nie zu enden. An einer kleinen Hütte, die den Pflückern als Unterstand dient, pausieren wir kurz, um uns erneut über die Zusammenhänge von Elbvertiefung und Obstanbaugebiet aufklären zu lassen: Versalzung ist das Stichwort!

Ich habe die zweite Etappe genutzt um mit einigen Klimapilgerern ins Gespräch zu kommen. So habe ich einen Klimabeauftragten der evangelischen Kirche( leider ohne Namen ) , Herribert und Eva Katharina aus Schweden kennengelernt. Der Theologe erzählt von den Aktivitäten der Kirche zur Energie Einsparung bei ihren Liegenschaften mit Beginnn der 60er Jahre! Er ist sozusagen ein Klima-Theologe. Ein sehr sympathischer junger Mann. Herribert unterstütz die Pilgergruppe sooft er kann, um den „Bestand“ des gesamten Weges bis Paris zu garantieren. Pilgerimpulse sind ihm nicht wichtig. Eva Katharina trägt eine Wasserflasche mit der Aufschrift Pax et Bonum mit sich. Die Flasche ist in Schweden gefüllt worden. Sie erklärt mir,  das dies auf Rituale des Naturvolk der Samen zurückgeht. Sie leert und füllt die Flasche an besonderen Orten aus und auf.

So geht dieser Tag für mich mit schönen und interessanten Begegnungen zu Ende. Wir erreichen gegen 18.00 den Bahnhof von Buxtehude. Hier trennt sich der Weg der Tagespilger von den Klimapilgerern mit einem schnellen Gruß. Ein kurzes Innehalten, ein Abschiedslied oder ein paar Worte wären schön gewesen. “ Ich wünsche Euch einen guten Weg!“

Poppenbüttel – St. Jacobi Hamburg

There is a longing in our hearts, O Lord, for you to reveal yourself to us. There is a longing in our hearts to love we only find in you, our God. For justice, for freedom, for mercy: hear our prayer. In sorrow, in grief: be near, hear our prayer, O God.

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In der Philemon Kirche habe ich gestern das erste Mal  in der Kirche übernachtet. Für mich etwas ganz Besonderes.

Das Kreuz hat mich total fasziniert. Die Einfachheit, filigran und leicht, gehängt in einem weißen Raum voller Licht.

Unser letztes gemeinsames Frühstück in einer größeren Runde – Fred und Klaus begleiten uns an diesem Tag zurück nach Hamburg. Die Stimmung hat sich verändert. Wir sprechen über organisatorische Dinge. Es geht um wer, wie, wo und was?

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In unserer Aufbruchsstimmung hören wir eine Trompete am Ausgang. Wolfgang ist eine freudige Überraschung. Alle kommen zusammen und singen mit. Ich kenne ihn von einer Tagespilgerung im Advent und freue mich ihn wiederzusehen und zu hören.

Für unsere letzte Etappe von 17km können wir uns heute Zeit lassen und so halten wir noch in Poppenbüttel vor dem Haus von Pastor Lohse. Wolfgang spielt ‚Danke für diesen schönen Morgen‘. Es folgen Stops an kleinen Alsterbrücken mit ‚When  the Saints go marching in` und vielen unserer Pilgerlieder. Unsere kleine Gruppe mit Wolfgang und seiner Trompete erregt Aufmerksamkeit. Der Stop unter einer großen Brücke ist mit Bedacht gewählt – die Akustik ist toll. Eine Schulklasse bleibt fasziniert stehen und hört zu. Vorsichtig beginnen einige Kinder unser Lied mitzusingen. Was für ein schöner Moment!

Vor unserer Mittagspause besichtigen wir St. Johannis. In dem schönen Garten des Gemeindehaus direkt am Alsterlauf können wir im Schatten ausruhen. Gegenüber beobachte ich das Treiben im Café am Leinpfad. Wie schön, das ich hier auf dieser Seite sitzen kann. Immer mehr tauchen wir beim Rundgang um die Außenalster in die geschäftige Stadt ein. Gab es hier schon immer so viele schöne Pflanzen am Ufer? Konnte man schon immer die Elbphilharmonie von dieser Alsteruferseite sehen? Seit wann kleben die Jakobswegzeichen denn hier? Irgendwie scheine ich anders hinzuschauen. Genauer. Eine erneute Einkehr in der Alsterperle sorgt für Unruhe, alle wollen bei dieser Hitze endlich ankommen.

Gegen 16.00, unserer gewünschten Ankunftszeit, erreichen wir die Lange Reihe. Schon von weitem hören wir die Glocken von St. Jacobi. Der Pilgerpastor und einige unser Etappenbegleiter erwarten uns vor der Kirche. Ein schöner Anblick und ein ergreifender Moment! Wir ziehen gemeinsam in die Kirche ein. Pastor Lohse hält vor dem Pilgeraltar ein kleine Andacht. Wir danken für alles auf unserem Weg.

Zum gemütlichen Ausklang und Austausch geht es hinauf ins Turmcafe mit sensationellem Blick über Hamburg. UP TO HEAVEN.

Liebe, Freude, Dankbarkeit, Glück, Segen, Hoffnung, alles auf einmal!

Nahe – Poppenbüttel

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Bevor wir an diesem Tag das erste Mal die Alster überqueren, sind wir 4km unseres Weges parallel zur Bundesstraße gelaufen. Der anschließende Waldweg beschert uns Schatten, weichen Grund zum Laufen und Froschkonzerte. Ab hier werden wir entlang der Alster bis Hamburg laufen. Die Stadtgrenze erreichen wir gegen Mittag.

Christel hat am Morgen das Tempo für heute vorgegeben, 4km/ Stunde. Das gemäßigte Tempo auf dem leicht federnden Waldbogen ist für unsere strapazierte Fußmuskulatur die reinste Entspannung. Heute ist nach der gestrigen Langstrecke mit 5km/Std unser Reha-Tag. Chrissy möchte in ihrem Tempo von 6km/Stunde laufen. Wir werden sie kurz vor Poppenbüttel treffen. Sie hinterläßt uns kleine Spuren auf dem Weg – gemalte Smileys oder Pfeile aus Tannenzapfen.

“ Hier dürfen sie nichts sitzen! Runter vom Radweg!“ zeigen ebenso wie der Fluglärm über unseren Köpfen, daß wir uns der Stadt nähern. Landidylle ade.

An der Philemon Kirche empfängt uns der Pilgerpastor Lohse in seiner alten Kirchengemeinde. Unsere tägliche Abendzeremonie beginnt: Schlafplätze aussuchen, Betten aufbauen und einrichten. Die Ersten besetzen das Bad und hängen ihre gewaschene Wäsche in die Abendsonne.

Heute wird Bernd für uns kochen. Nach neun Pilgersuppen freuen wir uns auf Pasta mit Tomate, Morzarella und Basilikum. Alles in einer Schüssel- erspart unnötigen Abwasch und schmeckt sogar!

Marlen, unsere neue geistliche Begleitung beschließt mit einer Abendandacht den Tag. Ihre Begleitung mit einem Flügel zu unseren  Pilgerliedern ist eine schöne Abwechslung.

Bad Bramstedt – Nahe

 

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Gestern Abend haben wir Jens verabschiedet. Die Pilger stehen im Kreis, legen einander die Hand auf die Schulter und die andere zum Empfangen des Segen in die Mitte. Wir singen unser Pilgerlied “ Möge die Straße….“

Heute laufen wir unser längste Etappe mit 30,5km. Mit dieser nicht gekennzeichneten Wegstrecke wechseln wir vom Ochsenweg auf die Via Baltica. Unser Tagesfüher ist Helmut. Das er im Rollstuhl sitzt und sich ehrenamtlich für Pilgerführungen engagiert, beeindruckt mich. Seine Fröhlichkeit und sein Witz nehmen uns gleich gefangen. Dies wird ein besonderer Tag.

Entlang der Schmalfelder Aue geht es wieder durch Wiesen und Getreidefelder. Heute wandere ich das erste Mal mit Hut – sonnige Aussichten bis Mittwoch.

Eine Pilgerin erzählt mir ihre Geschichte: von ihrem heroinabhängigen Sohn, ihrer jung verstorbenen Tochter und ihrem vor 4 Jahren verstorbenen Ehemann. Ich spüre, das jeder von uns seine eigene Geschichte hat, die er auf seiner Pilgerung mit sich trägt.

Helmut lädt uns zur Mittagsrast in seinen Garten ein. Sein Haus ist Teil eines Wohnprojekts mit einem großen, wunderschönen Garten. Hügelig, mit freilaufenden Hühnern, einer Katze, Julchen, Obstbäumen, Wiesenblumen, Wildrosen und schattigen Sitzplätzen. Ich finde meinen Platz unter einem Apfelbaum.

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Nachmittags gehen wir große Strecken an einer Landstraße, eingerahmt von zwei Pilgerern mit Warnweste. Und immer mittendrin Hemut mit seinem elektrischen Rollstuhl.

Spät erreichen wir Nahe und freuen uns ein komfortables Gemeindehaus vorzufinden. Dusche, Küche mit Spülmaschine, eine Auswahl an sauberen Zimmern. Wir vergeben 5 Jakobsmuscheln.

Brokstedt – Bad Bramstedt

Ich freue mich auf einen zweiten Pilgertag mit Carsten und Wiebke. Ihre unkomplizierte, liebevolle Art mit uns zusammenzusein, gefällt mir sehr. Die Klarheit in ihrem Tun tut der Gruppe gut.

An diesem sonnigen Tag geht unser Weg wieder durch Wiesen und Felder. Den Pilgerer würde diese Landschaft bis in die Mitte Deutschland begleiten. Zweimal an diesem Tag sehen wir einen Storch ganz ungestört auf einer Wiese umherstaksen. “ Jetzt haben Sie einen Wunsch frei“, ruft uns ein Spaziergänger zu. Gerne!

Die Mittagspause fällt heute länger aus: Schuhe aus, einen guten Liegeplatz suchen und die Sonne genießen.

Für den Nachmittag ist nur noch eine kleine Etappe von 8km zu laufen. Alle freuen sich auf ein frühes Ankommen und etwas Zeit fürs Wäsche waschen, die Rucksäcke zu ordnen oder Email zu schreiben.

Mein Sommer – Sonne – Sonntagsfoto

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Nortorf – Brockstedt

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Heute werden wir eine der zwei längsten Etappen gehen, knapp 30km. Unsere Führer für die nächsten zwei Tage sind Carsten und Wiebke.

Die ersten Kilometer sind ein endlos gerader asphaltierte Fahrradweg. Nach 1,5 Stunden wechselt der Weg wieder auf Waldboden. Meine Füße freuen sich. Wiebke, unsere geistliche Begleitung, gibt uns einen Impuls für die erste Schweigezeit. Aus dem Psalm ‚ Die Emmausjünger‘ hat sie uns die Frage “ Was war in schweren Zeiten hilfreich?“ mit auf den Weg gegeben. Ich muss sofort an den Text Spuren im Sand denken.

Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort wo du nur eine Spur im Sand gesehen hast, habe ich dich getragen.

Wir gehen wieder durch Wiesen und Felder und passieren schmucke, kleine Dörfer. In einem wohnt Carsten und wir kehren dort zu Kaffee und leckerem Kirsch/Käsekuchen ein. Der Aufbruch fällt schwer, es sind noch 4 km bis zum Tagesziel.

Morning has brocken……….

6.30 das Handy des Frühstück-Verantworlichen klingelt. Leider laut und lange.

Da wir meist alle in einem Raum schlafen, und manchmal auch frühstücken, sind alle anderen auch wach. Müde Gesichter murmeln ‚Good morning‘ . Jeder raschelt in seinen Plastikbeuteln, sortiert sein Bettzeug und baut das Feldbett ab. Jetzt ist auch Maria wach, die sich in ihrem Schlafsack verschanzt hat. Jeder ist eifrig beschäftigt, um vor dem Frühstück mit dem Packen fertig zu sein. Hektisches Treiben verbreitet sich.

7.30 Frühstück. Der Tisch ist mit allem bestückt, was der Pilgerer für einen langen Weg braucht: diverse Müsli und Joghurt Sorten, Oliven, Käse in allen Varianten, Obst, klein geschnitten Gemüse und reichlich Vollkornbrot. Lunchpakete werden gepackt.

8.00 Aufbruch. Alles muss verpackt und in unserem Begleitfahrzeug verstaut werden. Das Gemeindehaus wird besenrein übergeben.

8.30 Morgenandacht in der Kirche. Wir hören jeden Tag einen anderen Psalm. Später wird der Text bei einem Impuls zu einem Denkanstoß formuliert. In der anschließenden Schweigezeit kann jeder seinen eigenen Gedanken nachgehen.

9.00 Wir machen uns auf  in einen neuen Tag.

Rendsburg – Nortorf

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Schon beim Frühstück wird uns eine Überraschung angekündigt. Das ist sie also, eine Schwebefähre. Sie hängt an einer imposanten Eisenbahnbrücke (Höhe 45m) die weit nach Rendsburg hineinreicht.

Wir überqueren zum zweiten Mal das Wasser, heute den Nord-Ostsee Kanal. Es geht weiter durch Wiesen und Felder immer weiter auf dem Ochsenweg.

„Warum pilgern die Menschen heute immer und immer wieder?“ Früher gingen die Menschen einmal im Leben auf Pilgerschaft. Diese dauerte dann oft Jahre – manche kamen auch nie mehr zurück. Für mich ist die Frage schnell beantwortet: die Freude am Wandern, an der Natur und an spirituellen Impulsen.

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Die asphaltierten Straßen lassen wir hinter uns. Der Weg führt jetzt durch das Kronwerker Moor. Hans Otto nutzt unsere kurze Pause für eine seiner historischen Geschichten. Im 2. Weltkrieg sind in diesem Moor beleuchtete Häuserattrappen aufgebaut worden. Die Alliierten haben ihr Bomben hier abgeworfen und Kiel ist verschont geblieben.

Unsere 3 Norweger Tove, Jens und Agnes ( ist in Schleswig zu uns gestoßen) stimmen im Moor alte deutsche Volkslieder an. Sah ein Knab ein Röslein stehen, Am Brunnen vor dem Tore und das Loreley Lied – berührend!

Den Rucksack auf den Weg zu stellen ist für die anderen das Signal, dass sich jemand in die „Büsche geschlagen“ hat. Nach diesem kurzen Stop bin ich heute eine lange Etappe mit Abstand hinter der Gruppe gelaufen. Alleine zu laufen tut gut. Seit Donnerstag scheint sich mein Körper an die tägliche Anstrengung zu gewöhnen. An-und Verspannungen lösen sich auf. Ich finde eine gleichmäßigen, harmonischen Schritt und genieße den Tag.

Ausgerüstet mit Schlafbrille und Oropax eingemummelt in meinen Schlafsack fühle ich mich inzwischen wie in meinem eigenen kleinen Kosmos und kann auch die Nächte genießen.

Kropp – Rendsburg

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Heute beginnt der Tag mit einem Nachtrag aus der vergangenen Nacht. Jens konnte nach einem kurzen Aufstehen im Halbdunkel sein Feldbett nicht mehr finden. Nur ein beherztes Eingreifen mit der Taschenlampe konnte ihn darin hindern, sich zu Tove zu legen oder sie aus ’seinem‘ Bett zu vertreiben. Crazy boy!.

“ Warum bist Du am Kropper Busch noch nicht vorbei?“ Mit solchen und ähnlich markigen Zitaten führt uns heute Hans Otto nach Rendsburg. Er ist mit den Sehenswürdigkeiten seiner Heimat bestens vertraut und auch unsere kleine Gruppe kennt jetzt jeden Stein in Kropp.

Wir pilgern weiter auf dem Ochsenweg, der in diesem Abschnitt aus einem breiten und feinsandigem Waldweg besteht. Zu Zeiten von Kutschen und Pferdefuhrwerken versanken diese in dem Sand. Strassenräuber nutzten die Gelegnheit sie auszurauben oder gar die Frauen zu entführen. Deswegen waren sie am Kropper Busch noch nichht vorbei. Soweit Hans Otto!

Nach ca. 20 km überqueren wir die Eider und verlassen Schleswig. Rendsburg ist in Sichtweite, aber wir machen eine Einkehr.

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Wer er an einen Badeanzug gedacht hat (ich nicht) nutzt die Chance. Alle genießen eine ausführliche warme Dusche mit Haarwäsche.

Mich erinnert dieses kleine gepflegte Freibad an unsere Zeit in Nordhorn. Sentimantel Journey!

Schleswig – Kropp

 

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Von Jesus in Tiberia zu den Wikingern in Schleswig

Der Tag beginnt mit einer Bootsfahrt über die Schlei bei regnerischem und windigen Wetter. Das Bibelzentrum, unser Nachtquartier, hat ein Holzboot zum Übersetzen. Es ist ein Nachbau eines Bootes das man im See Genezareth gefunden hat und in die Zeit Jesus datiert.

Auf der anderen Seite der Schlei steht dann alles im Zeichen der Wikinger. Wir durchwandern das Naturmuseum Haithabu mit seinen historischen Wikingerhäusern und einer Landebrücke.

Die niedrigen Temperaturen und der Regen lassen uns heute schneller marschieren und kürzer pausieren. Einen heiß ersehnten Kaffee bekommen wir erst spät in einem Edeka, an dem jeder Locationscout seine Freude gehabt hätte.

Das letzte Stück der Etappe wanden wir auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse quer durch Wiesen und Felder. Nach 20km bei lausigen 14 Grad will jeder nur noch als Ziel.

Chrissy and Maria are our pacemaker for this day.

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Crisis what Crisis? An diesem Abend erwischt uns die Gruppenkrise erneut. Die Organisation der Mahlzeiten klappt nicht. Wir brauchen eine andere Planung, was nicht bei allen Teilnehmern auf Verständnis stößt. Mit Unterstützung einer Mediatorin finden wir eine Lösung, die sich noch bewähren muss.

Und immer wieder Kirche

imagePilgern und  der Besuch einer Kirche gehören für die meisten Pilgerer fest zusammen. Am Ende einer Pilgerreise ist der Besuch einer Kirche / Gottesdienst der emotionale Höhepunkt.

Die Morgen- und Abendandacht sind auch ein fester Bestandteil unserer Pilgerreise. Diese finden täglich in anderen Kirchen statt. Bei Ankunft an einer Kirche umrunden wir diese und singen Laudate omnes gentes/Laudate dominum.. 

In der St. Jürgen Kirche in Flensburg steht ein riesiges Ölbild mit dem Titel ‚ der verlorene Sohn‘ auf dem Altar. Maritime Elemente wie Schiffe und Muscheln schmücken die gesamte Kirche. Ich persönlich mag es lieber etwas schlichter wie in den Kirchen in Sieverstedt.

Die St. Petri Kirche ist eine kleine,  weiß getünchte Kirche. Im Inneren stehen blaugrau gestrichene Holzbänke mit kleinen Türen an den Seiten. Der Altar ist schlicht, geschmückt mit einem kleinen Kruzifix aus Holz.

 

Sieverstedt – Schleswig

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Die schönste Überraschung am Morgen eines neuen Pilgertages ist besseres Wetter als vorhergesagt. Sonnenschein bei milden 19 Grad.

Heute ist ein Tag zum Schweigen und die Gedanken schweifen zu lassen. Die schöne Landschaft, satt grün und leicht hügelig ist pures „Augenjoga“. Geduckte, teilweise reetgedeckte Häuser passen schön ins Bild. Kobe Rinder, Schafe und rassige Pferde weiden in den überwiegend tiefer gelegenen Wiesen. Alles wie gemalt.

In der Mittagszeit gibt es eine Einkehr bei Freunden unseres lokalen Pilgerführers. Hans und Antje sind noch nie gepilgert. Unsere kleine Pilgergruppe,  das große gemeinsame Ziel, unsere Energie und unsere Lieder haben die Beiden sichtlich berührt.

Am Abend sind wir in unserer ersten Gruppenkrise. Ich bin froh diese Nacht nur mit Maria in einem Zimmer zu schlafen. Endlich einmal Zeit ( fast) nur mit mir, meinem Blog und ein leckeren Lindt Schokolade.

Möge die Straße….

Möge die Straße uns zusammenführen / und der Wind in deinem Rücken sein.

imageSanft falle Regen auf deine Felder und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.

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Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand. Pilgerlied

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to be continued…………

Flensburg – Sieverstedt

 

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Kirchendecke einmal anders. Kapelle Uni Flensburg

“ How did you sleep?“    „Schrecklich!“

Trotz der aufgestellten Feldbetten war die erste Nacht nur mit diesem einen Wort zu beschreiben.

7.00 Frühstück: Typisch dänisches Frühstück mit Cornichons, Rote Beete, Rollschinken, Champignonstreichkäse, Mayosalat, Weißbrot u.ä. Meine Schmerzgrenze ist fast erreicht……..

9.00 Start: Tagesziel ca. 27km bis Sieverstedt. Immer wieder wandern wir auf dem Haervejen/Ochsenweg, ein alter Weg auf dem schon im Mittelalter das Vieh nach Hamburg zum Viehmarkt getrieben wurde.

Am Ende des Tages fühle ich mich zwar nicht getrieben, aber meine Füße schmerzen . Damit erreiche ich meine Schmerzgrenze ein drittes Mal.

Ein ganz normaler erster Pilgertag.

Bov – Flensburg

Eine Gruppe von 20 braun gebrannten , fröhlichen Pilgerern mit Blumenkränzen im Haar und schönen Wald- und Wiesensträußen in den Händen treffen wir vor der Kirche in Bov. Was für eine schöne Stimmung!

Gemeinsam feiern wir einen Gottesdienst, in dem die Gruppe, die von Viborg kommt, verabschiedet wird. Mit dem Segen von Pastor Lohse und seiner dänischen Kollegin werden wir auf unseren Weg geschickt.

Wir, das sind Tove und Jens aus Norwegen, Maria aus Schweden, Chrissy aus Australien und drei Pilger aus Hamburg.

Mit einem gesungenen Amazing Grace gehen wir auseinander.

“ all you need is love, love is all you need“

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Tagebuch oder Blog

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In 2 Tagen geht es also los: ich werde an der internationalen Pilgerwanderung, die am 23. April in Trondheim gestartet ist, teilnehmen. Es geht über verschiedene Pilgerwege nach Rom und von dort mit dem Flugzeug nach Nazareth und dann weiter zu Fuß in Israel.

Ich bin  für 10 Tage auf der Strecke von Bov / Dänemark bis Hamburg dabei.

Während ich meine Packliste durchgehe – Schlafsack, Isomatte (die Ü50 Version mit Luftpolster), Wanderstiefel, Regenjacke -und hose, Sonnenhut undsoweiterundsoweiter- lande ich beim Punkt Tagebuch. Ja klar, Schreibheft besorgen, hübsches Geschenkapier bekleben, fertig ist mein Pilgertagebuch.

Handgeschriebene Karten und Briefe, Notizen, Memos das ist meine Welt. Ich könnte aber auch mal etwas Neues probieren? „Bist du das…..?“ Ist bei solchen Entscheidungen ein beliebter Running Gag in unserer Familie. Die Frage ist mit Ja beantwortet, ein passender Blogname gefunden und mit etwas Support eines Freundes ist der Blog erstellt.

Meine Pilgerausrüstung habe ich zusammen. Am Sonntag um 10.00 treffe ich die Hamburger Gruppe an der St. Jacobi Kirche. Mit einem Kleinbus geht es dann nach Bov. Für die nächsten 10 Tage übernimmt die St. Jacobi Gruppe den Pilgerstab.