same same but different

In der 3. Novemberwoche liegen 20 Tage Lockdown light und zwei Ministerpräsidenten Konferenzen hinter uns. In Amerika hat ein demokratischer Kandidat die Wahl zum 46. amerikanischen Präsidenten gewonnen.

Bei unserem morgendlichen Frühstücksgespräch wird die Zeit langsam knapp um die tägliche Informationsflut auszutauschen und abzugleichen. Unserem Jahrgang entsprechend sind das in erster Linie die Sendungen des öffentlich-rechtlichen TV, der ausge(er)wählten Tagespresse und Nachrichtenformate. Völlig unzeitgemäß? Findet zumindest mein Sohn. Einmal in der Woche bringt er uns auf den einzig wahren, den youtuber Stand des Weltgeschehen. Da hilft nur zuhören und gleichmäßig ein-und auszuatmen.

Wie Balsam für meine Nerven sind dann Erklärungen und Einordnungen von Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund, wie in der von mir täglich konsumierten Kulturzeit. Politiker und Wissenschaftler wie Epidemologen, Virologen und Modellierern, die Zahlen in Modellen darstellen, wandern derweil abendlich durch alle Talk Formate. Die Journalisten, die sogenannte 4. Macht im Staat, wetteifern mit den klügsten Fragen, um die detailliertesten Antworten, das Lüften von politischen Plänen und Verstrickungen, Erläuterung wissenschaftlicher Studien für jedermann.

Einatmen -und Ausatmen!

Mit Ausrufen des Lockdown zeigt sich am Monatsbeginn wieder die Sonne und die Stadt in den schönsten Herbstfarben. Wir bleiben zu Hause/same. In den Supermärkten wird das Toilettenpapier knapp, Hamsterkäufe/ same. Hotel und Gaststätten müssen schließen/ same. Theater, Oper und Kino sind geschlossen/same. Einzelhandel, Friseure, Kitas und Schulen bleiben geöffnet/different. Quarantäne und Testpflicht für Auslandsreisen/ different.

Das lautstarke Ringen der Ministerpräsidenten um diese Entscheidungen macht es nicht besser. Was für die einen höchstens geht ist für die anderen das Minimum. Die Live Übertragung der Zoom Konferenz der Ministerpräsidenten zeigt das Ausmaß der Uneinigkeit. Grundlage für alle Maßnahmen ist die Höhe der Neuinfektionen, die sogenannte Inzidenz, von Modellierer als anschauliches Diagramm dargestellt. Die Kurve geht Ende Oktober steil nach oben und fällt nach drei Wochen Lockdown gering ab. Es bildet sich ein Plateau.

Stoff für noch mehr Kontroverse, da der Wert nicht wie angekündigt sinkt. Und ob er überhaupt sinken muss, und durch welche Maßnahmen, und welche sind gerechtfertigt, und welche bezahlbar, und welche gerecht, und welche rechtens, undundund. Und ehe man sich versieht steht man inmitten der Verschwörer und Querdenker, oder?

Größtes Aufreger Thema ist allerdings die Verordnung zum Tragen des MundNasenSchutz. Begonnen mit dem Tragen im Einzelhandel nach Aufhebung des Lockdown, gab es in Hamburg zwischenzeitlich ein Papier mit Straßennamen und Abschnitten zwischen festgelegten Hausnummern wo Maskenpflicht besteht. Kein Scherz!

Nicht zuletzt die Mantra ähnliche Wiederholung der Virologen über die unbestrittene Wirksamkeit des MundNasenSchutz registriere ich in meinem Umfeld als überwiegende Akzeptanz. Bei mir sieht das so aus: Alltagsmaske draußen mit großem Abstand zu anderen, ffp2/3 im öffentlichen Nahverkehr und Arbeitsbereich mit Kunden oder Klienten. Zur Wirklichkeit gehören aber auch die Menschen, die keine tragen oder unter der Nase/ dem Kinn tragen.

Womit ich bei dem größten Unterschied zum Lockdown im Frühjahr bin/different. Am MundNasenSchutz wird die Freiheit in unserem Land festgezurrt. Der Wandel unserer Demokratie zur Diktatur wird lauthals skandiert, natürlich ohne Maske. Bei Demonstrationen in Berlin und anderen Großstädten nutzen Andersdenkende Menschen den Moment um ihre rechten oder queren Gedanken zu äußern. Beim Thema Impfen ist die Auseinandersetzung dann endgültig auf dem Höhepunkt.

Corona Test und häusliche Quarantäne ist in diesem Herbst auch in unserer Familie angekommen. Bange 7 Tage bis in allen Fällen das negative Ergebnis da ist. Besonders herausfordernd für meine Berliner. Quarantänezimmer, Besuchszeiten für die anderen Elternteile und Isolation von Geschwistern.

Trauriges Ergebnis ist die Absage unseres Familientreffen am 2. Advent in Berlin.

Rückwärts Staunen

Der Sommer 2020 hat sich Ende August nach vier Wochen Sonnenschein und Temperaturen um 30 grad Celsius verabschiedet. Schon ist wieder die Rede von DER Hitzewelle, ich nenne es Hochsommer. 

Sonnenschein vom Aufstehen bis ins Bettgehen, Freibad Liegewiesen die in den Sommerferien zu Sandsteppen werden, Sonnenbrände die einen nur bäuchlings schlafen lassen, geschmolzene Butterbrote, fettige Pommes frites, doofe Jungs, undundund „ach du unbeschwerte Kindheit“.

Das war ein wenig weit zurückgeschaut.

Rückblick, Zwischenstand, Ergebnis wie auch immer man es nennen mag, mich drängt es zu einem Blick zurück. Der Trendforscher Matthias Horx hat zu Beginn der Pandemie ein interessanten Artikel veröffentlich in dem er eine Re-gnose angestellt hat. Der Blick aus der Zukunft zurück ins Heute. Total interessant. 

Ich habe mich ganz unwissenschaftlich, aber durchaus strukturiert mit meinem Corona Rückblick zu Veränderungen/ Entwicklungen Ökonomie, Digitalisierung, Gesellschaft, Kultur, Lebensraum beschäftigt. 

Wie habe ich mich verändert oder was hat mir geholfen durch die Corona Zeit bis jetzt zu kommen. Ganz schön spannend diese Frage.

Hier in einem der angesagtesten Stadtteile dieser Stadt wird jeder Quadratmeter Fläche bebaut, Mehrfamilienhäuser aufgestockt, Dächer ausgebaut. Verdichtung der Großstädte heißt dieser Trend, den die Pandemie auf den Prüfstand gestellt hat. Abstand halten in dieser Dichte? Privilegiert wer sich mit einer 4köpfigen Familie 100qm mit Balkon leisten kann. Jeder der konnte hat im Frühjahr/Sommer 2020 die Stadt verlassen, temporär oder langfristig. Schrebergarten sind das neue „must have“ der jungen hippen Stadtbewohner. Alternative? Autos raus aus den Wohnquartieren und überall Rasenflächen. Es gibt viele spannende Projekte wie die Städte wachsen oder besser sich verändern können. 

Das Modell der Mega Citys wie ich es in den letzten Jahren in vielen Architektur Visionen gelesen oder gesehen habe; tolle Ausstellung in Leipzig;  dürfte mit der Pandemie zumindest in Frage gestellt sein. 

Mit Abstand betrachtet

Bescheinigung für Mitarbeiter als Nachweis der Notwendigkeit des Arbeitsweges im Falle von Kontaktbeschränkungen im Rahmen der Covid19-Lage. Meine ist Anfang März datiert. Sie fällt mir beim Aufräumen in die Hände und ohne weiter Nachzudenken werfe ich sie weg. 

Was für ein Dokument. Wird uns das jemand später glauben?

Seit den ersten und allmählichen Aufhebungen des Lockdown Mitte Mai hat mein Alltag wieder etwas Gewöhnliches. Erste Anzeichen, die Eintragungen in meinem Kalender. Wochenlang war er jungfräulich weiß und unbeschrieben. Allmählich finden sich dort wieder Einträge wie Friseur, Kosmetik und Fußpflege. Die Arbeitstage sind geblockt und private Termine mit Freunden und  Familie fröhlich auffallend markiert. Was fehlt? Kulturveranstaltungen. Die Newsletter des Schauspiel- und Literaturhaus machen wenig Hoffnung auf Live Veranstaltungen. Einziger Hoffnungsschimmer: Autokinos. Bilder alter Hollywood Streifen in denen smarte Darsteller in ihren Cabriolets mit angehängten Sound, Popcorn und Drinks vor einer Riesenleinwand in den Sonnenuntergang kuscheln bringen mich in Vorfreude. (Ganz so romantisch wird es bei uns nicht werden, aber davon später)

Die Statistiken der WHO und vieler anderer nationaler Gesundheitsämter melden weiterhin sinkende Infektionszahlen. Genau gegenläufig die rapide ansteigende Anzahl der Bürger, die ihre Meinung zu Corona und den Lockdown Maßnahmen auf Demos und in den sozialen Netzwerken kundtun. Unverständnis, Kritik, Sorge, Wut, Protest, Anklage, alles dabei. Medial am verbreitetsten die Verschwörungstheoretiker. Prominente, die sich bis dato mit ihrem Gesang oder gutem Essen einen Namen gemacht haben, weinen schmerzverzerrt vor laufender Kamera oder gehen bewaffnet in den Untergrund. Demokratisch gewählte Politiker werden als Diktatoren angeklagt.

What the f… is going on here? 

Zu Beginn der Corona Zeit hat mir eine Freundin gesagt, dass gesunder Menschenverstand hier nicht mehr angebracht sei. Ich versuche es trotzdem. Aufklärung und Information von Experten wie Sozialpsychologen die zur Verschwörungsmentalität forschen, helfen mir dabei: Kontrolle über das eigenen Leben zu haben oder ein hohes Bedürfnis nach Einzigartigkeit sind maßgebliche Erklärungen.

Eine Frage scheint uns alle aber wieder zu einen: was ist mit den wirtschaftlichen Folgen des Corona Lockdown? Sind wir uns auch einig, das unser Finanzminister ein positiv denkender Mensch ist? Okay!

Ich versuche es auch zu sein: in naher Zukunft wird das Jahr 2020 die Zeit sein gewesen sein, wo die Menschen verstanden haben, das Wirtschaftswachstum anders, der Umgang mit natürlichen Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft klüger gedacht werden muss.

Positives Denken genießt ja in unserer Familie nicht so ein hohes Ansehen, aber ich versuche es auch mit Verstand und Tatkraft, versprochen.

Allein im Hotel

Corona Tagebuch Woche 10

Eigentlich gehören wir nicht zu den SonntagTagesAusflüglern. Auf Staus und lange Schlangen vor und an den Vergnügungs Hotspots verzichten wir gerne. Bei schönem Wetter genießen wir unseren Balkon. „Abwohnen“ nannte das mal jemand.

Die Sehnsucht außerhalb der eigenen, in Corona Zeiten sicheren 4 Wände, etwas zu erleben ist einfach größer. Eine Fahrt ins Grüne, oder heißt das nicht Blaue? führt uns nach Worpswede. Die Strecke durch unsere heimische Landschaft mit Marschland, Moor und Geest läßt uns in dem Gefühl schwelgen „Oh wie schön ist diese Welt.“ Auf der Parallelstrecke A1 zwischen Hamburg und Bremen quälen wir uns zu anderen Zeiten durch die ewigen Baustellen, kein Gedanke an idyllische Landschaften und Schwärmereien.

Die Künstlerkolonie ist einer dieser SonntagHotspots. Haus im Schluh, Barkenhoff und Käseglocke heißen die berühmten Häuser der Künstler. Wir haben Glück, unser früher Aufbruch beschert uns jetzt ein paar beschauliche Stunden bevor die Oldtimer und Cabriolets mit Bremer Kennzeichen auftauchen. 

Damit wir unsere Prinzipien nicht gänzlich über Bord werfen, verzichten wir auf den Pfingstausflug und reisen, sozusagen antizyklisch, eine Woche früher nach Potsdam / Berlin. Vor einigen Jahren haben wir ein Landgut entdeckt und es zu „unserem Hotel“ erklärt. Es öffnet laut Corona Verordnung genau zu diesem Termin. Mitten in Brandenburg starten wir in die Post Corona Zeit: wir sind die einzigen Gäste. Unsere Gefühlsskala bewegt sich zwischen „super, alles nur für uns“, etwas Geisterhaftem „ gruselig so allein“ und viel Mitgefühl für die Hotelbesitzer „ Wie wollen die das überleben?“ 

Post Corona Betrieb auch im Museum Barberini in Potsdam, das seit ein paar Tagen wieder geöffnet ist. Zeitfenster online buchen, Tickets vorab bezahlen und ausdrucken. Und das alles mit viel Glück, die Karten / Zeitfenster sind ruckzuck vergeben. Wir genießen dieses schöne Haus und die Ausstellung Places von Monet, natürlich mit Maske, Abstand, Schlange stehen. Vielleicht macht es Sinn ein Kürzel dafür zu erfinden. Die „Ausstattung“ wird uns noch lange erhalten bleiben. MASCH oder SCHAMA oder SCHLABMA 

Die Welt öffnet sich wieder, aber wenig ist wie wir es vor Corona gekannt  und gelebt haben.

Anderthalb Meter

Corona Tagebuch Woche 9

In manchen Situationen hilft in dieser Woche nur das Herausholen und Aufzeigen eines Zollstocks. „ Das sind 1,5m!“ wie es der Fahrer der Hafenfähre gemacht hat. Auf den Fußwegen hilft nur der Sprung hinter eine Hecke, in den Hauseingang oder einen Haken zu schlagen. Kontaktabstand war gestern. Verlängert ist er durch die Bundesregierung bis zum 15.Juni. 

Brot, Oliven, Tomaten, Käse und zwei kühle Bier wandern in meinen kleinen Rucksack. Treffpunkt Anleger Alte Rabenstrasse. Fast schon ein Ritual, wenn das Wetter einladend und wir auf der Suche nach einer schnellen Auszeit nach Feierabend sind. „Wenn es zu voll ist drehen wir um, oder?“ Müssen wir nicht, der Steg ist locker besetzt und der Ausblick auf die Alster in der Abendsonne einfach schön.

Ein paar Meter weiter auf der Alsterwiese dann die Trend Veranstaltung, Outdoor Disco. Der sandige Weg an der Alster, Trend Sport Joggen und Radfahren. Trend Treffen an der Brückenmauer der Krugkoppel mit Kaltgetränk und Live Musik einer zweiköpfigen Corona Band. Die Musik eher Evergreen, Beatles. Wahnsinn was hier heute Abend los ist. Wir schwanken zwischen Entrüstung, Sorge und leiser Begeisterung für diese besondere Stimmung. Haken schlagen ist uns zu anstrengend und so wechseln wir auf die leere, schattige Straßenseite.

Abstandsregeln im Alltag scheinen uns leichter zu fallen. Im Stadtteil erlebe ich täglich geduldig wartende Menschen vor der Post, wo der Einlass in das 200qm große Postgeschäft durch Security für den Einlass von je einer Person geregelt wird. Beim Bäcker die gleiche geduldige, disziplinierte Schlange mit 3m Kontaktabstand, minimum. Letzteres führt bei uns zu einer Corona Brötchen Diät, ersteres zu weiterem Unmut auf unsere Beamte. Fehlt nur noch das Schild: Bitte/nicht/füttern.

Komm mir nicht zu nahe. Ist das die stumme Botschaft dieser Abstandsregelung? Wenn ich wie eine Boxerin ausweiche, mich auf das nächste Ausweichmanöver konzentriere, einen taktischen Haken schlage, sind dann die 1,5 Meter meine, deine oder unsere gemeinsame Sicherheit? 

Schon wird öffentlich diskutiert, ob wir uns zu einer Abstandsgesellschaft entwickeln. Ich mag es nicht, wenn mir jemand „auf die Pelle rückt“, aber immer diese 1,5m Distanz? Ich beobachte wütende Mütter, um deren kleine Kinder ein großer Bogen gemacht wird. Virenschleudern, was für ein Wort. Ältere Menschen die sich im Supermarkt ohne Mundschutz und Distanz an der Kassiererin vorbeischieben und bitter die Zustände beklagen. Abstandsregeln machen einsam.

Ich reiche dir die Hand. Im Supermarkt hat es der freundliche Security Mann versucht: „Sie sind doch jeden Tag hier und kennen die Regel. Halten Sie sich bitte daran.“ Ich kenne dich, ich weiß das du die Regeln kennst und sie manchmal nicht einhalten kannst, ist meine Übersetzung. Er hat versucht den Abstand zwischen sich und dem alten Mann zu verkürzen. 

Sobald die Hotels in Brandenburg wieder öffnen, wollen auch wir den Abstand zu Kindern und Enkelkindern verkürzen. Ein Treffen im Neuen Garten in Potsdam auf 1,5m Abstand ausgebreiteten Picknickdecken. Hoffentlich ist das der Oma nahe genug:)

…….was sonst noch war? Kosmetikhersteller beklagen einen drastischen Rückgang beim Umsatz von Lippenstift. Rote Lippen sind unter Mundschutz irrelevant.

In nebeligen Zeiten VIII

Corona Tagebuch Woche 8

Ich weiß, es ist keine Zeit Witze über Geld zu machen, aber das Bild von Dagobert Duck werde ich gerade irgendwie nicht los. 

Millarden Euro staatlicher Hilfspakete sind Größenordnungen die wöchentlich verabschiedet werden. Goldgräber Stimmung nennt es ein Kollege. 

Eine Formulierung, die der Handel und die großen Wirtschaftsunternehmen so sicher nicht gebrauchen würden. Insolvenz, Entlassung, Schrumpfung, Schließung sind die großen Schlagzeilen der Stunde. Eine Randbemerkung die Forderung nach Entschädigung für Mehraufwendungen alleinerziehender Mütter und Eltern im Homeoffice. 

Ganze Seiten füllen die Existenzsorgen der Kulturschaffenden. Nur wenige Musiker und darstellende Künstler sind durch feste Engagements/Verträge abgesichert. Wer nicht auftritt verdient nichts. Ich bin überrascht, wie groß die Anzahl selbständiger Kulturschaffender ist, die „von der Hand in den Mund lebt“. 

Die Kulturstaatsministerin schaut, nach Hilfsmaßnahmen befragt, was den Umfang und die Dauer betrifft „auf die lange Distanz“. Renommierte Künstler fragen öffentlich was uns Bürgern die Kunst wert ist und fordern das gesicherte Grundeinkommen.

Unternehmen wie Fielmann oder das Miniaturwunderland mit seiner riesigen Ausstellung in der Speicherstadt berichten, das sie von Rücklagen und/oder Umstrukturierungen ohne staatliche Hilfe auskommen werden. Große Dax Unternehmen fordern Hilfen, auch um die Dividenden ihrer Aktionäre zu sichern. Dividenden am Ende eines positiven Geschäftsjahres,  in einem schlechten Jahr entsprechend keine.  Was genau habe ich da nicht verstanden? 

Krisengewinner – muss unbedingt noch mit ins Corona Vokabular.

„Wie wird am Freitag das Wetter?“ Mal etwas Simples zum Nachdenken:)  Mäßig wird es, aber einen Ausflug wollen wir am 1. Mai Feiertag auf jeden Fall machen. Mit den Kindern war die Fahrrad Tour immer der Klassiker, Ziel eine Veranstaltung mit Bier und Bratwurst vom Grill. Etwas wehmütig denken wir zurück, nicht wegen der Wurst. 

Auf unserem Freizeit Navi stellen wir ein: die Stadt hinter uns lassen, eine Stück Landstraße mit dem Auto reisen und etwas Neues entdecken. Das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe – genau was wir uns vorgestellt haben. Zwei Stunden Spaziergang entlang der Elbe gesäumt von einem Hartholzauenwald, steilen Geestflächen und Wiesenlandschaft. Ganz allein mit Weißstorch, Kiebitz und Graureiher sind wir nicht, aber die vereinzelten Spaziergänger sehen wir nur in großem Abstand. Wieder eine großartige Corona Entdeckung und ein glücklicher Tag.

Corona Vokabular

gesellschaftliche vitalität / neue normalität / risiko ethik / weißes gold/ logarithmische kurve / shutdown / homeschooling  / social distancing/ trumpces / infektionskette / tracing app / prekäre freiwilligkeit / konjunktivbewältigung / triage / r-faktor / krisengewinner / spreader / durchseuchen / autarkiefähige räume / alu-hut / föderaler flickenteppich

In nebeligen Zeiten VII

Corona Tagebuch Woche 7

Wetterbetrachtungen haben ja eher den Charakter von Verlegenheitskommunikation. Ein strahlend blauer Himmel, so wie wir ihn seit sieben Wochen in Hamburg erleben, ist allerdings erwähnenswert.

Sinkende Emissionswerte, Erderwärmung oder andere Umweltphänomene scheinen mir als Erklärung unzureichend. Dieses strahlende Blau und die vielen Sonnenstunden sind fast wie tröstende Streicheleinheiten in Quarantäne Zeiten.

Der Hafen empfängt mich auf dem Weg zur Arbeit mit genau diesem Himmel. Ein Traumwetter. Touristen bevölkern die Brücke von der U-Bahn Landungsbrücken, genießen den Blick auf den Hafen und erkunden die Abfahrtszeiten der Barkassen – normalerweise. In Corona Zeiten alles menschenleer. 

Ich lasse die Hafenfähre ohne mich ablegen und gehe zu Fuß. Meine anfängliche Freude über die fehlenden Menschenmengen weicht schnell Beklemmung. Kaum Schiffsverkehr auf der Elbe, Barkassen die vor sich hindümpeln, keine laut anpreisenden Ticketverkäufer für die begehrte Hafen Rundfahrt und weiter hinten die Ladekrähe im Containerhafen, ohne die typische Hafenmusik, das hohe Piepen beim Be/Entladen. Hier, im Herzstück dieser Stadt, hat der Shutdown für mich das erste Mal etwas Beängstigendes. Am Abend auf dem Rückweg ist die Hafenmauer dann gesäumt von Großstädtern, die mit der „Corona Flasche Bier“ in der Hand die Abendsonne genießen. Zuversicht.

Die zweite Neuerung in dieser Woche ist die durch die Lockerung angeordnete Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr. Gleich der erste Speditionsfahrer bringt mich an diesem Arbeitsvormittag an meine Grenzen. Oder treffender, er hält sich nicht an meine, deutlich markiert durch einen Strich vor unserem Büro. „Alles totaler Quatsch hier mit diesen Maßnahmen, Mindestabstand und so. Von wegen Maske, bringt alles nichts.“  Meine Bitte sich entsprechend zu verhalten endet mit (s)einem Monolog über inkompetente Virologen, unfähige Politiker und unwissende Wissenschaftler. 

Woher hat der Mann sein fundiertes Wissen. „Kann man alles im Internet nachlesen. Aber auf den richtigen Seiten!“ Sein verschwörerischer Blick läßt mich die Frage, welches die richtigen seien, runterschlucken. Toilette, Türgriffe und Kugelschreiber kann ich danach desinfizieren, auf meiner Fassungslosigkeit bleibe ich sitzen.

Im Laufe der Woche verändert sich das Stadtbild deutlich. Viele Menschen tragen die Masken nicht nur wie vorgeschrieben, sondern durchgängig. Der Markt für selbstgenähte Alltagsmasken aus Baumwollstoffen boomt.  Wie schnell sich auch hier der modische Aspekt durchsetzt. Mein persönlicher Favorit ist eine knallrote ffp-3 Maske die eine ganz in schwarz gekleidete Dame trägt.

Die Schutzmaske, ein vom Ursprung her funktionales, pragmatisches Stück Schutzkleidung, wird zum Modeaccessoires und damit zu etwas Alltäglichem. Die Zeit, in der Corona als Krise erlebt wird, beginnt sich damit zu der viel besprochenen neuen Normalität zu entwickeln.

In nebeligen Zeiten VI

Corona Tagebuch Woche 6

Am Ostermontag die Frage „ Wo können wir spazieren gehen?“ An sonnigen Tagen wie heute ist die halbe Stadt in den stadtnahen Wäldern und Wiesen unterwegs. Die innerstädtischen Parks und der beliebteste Auslauf der Hamburger, die Außenlaster, sind belebt wie immer. Jogger die keuchend und schwitzend knapp die Spaziergänger passieren, scheinen so gar nicht den Corona Verordnungen zu entsprechen. 

Auf nach Finkenwerder. Ursprünglich eine Elbinsel ist es heute ein Hamburger Stadtteil. Schnell ist entschieden, das wir nicht mit dem Rad via Hafenfähre auf die Halbinsel kommen wollen. Das ist der beliebteste Weg, auch weil man dort weiter ins alte Land radeln kann. Was wir gesucht haben finden wir im Ostteil, mit dem Auto in 20 Minuten über die Elbbrücken zu erreichen, Natur pur (fast) nur für uns.

Die Landidylle weckt meinen langgehegten Wunsch außerhalb der Stadt zu wohnen oder wenigstens ein Freizeit Domizil zu haben, der Treffpunkt für die ganze Familie im Grünen. Die Kinder unserer städtischen Nachbar Wohnungen haben ihren täglichen Treffpunkt im Gemeinschaftsgarten. Während die  „wilde Hatz“ tobt träumen wir uns zurück an die Elbe zwischen  Apfelbaum Plantagen und bunten Fachwerkhäusern.

Mittwochnachmittag findet eine weitere Telefon Konferenz der Landesminister mit der Bundeskanzlerin statt. Wie so oft  versuchen Journalisten im Vorfeld jeder Art von Experten Prognosen zu entlocken oder stützen sich auf sichere Quellen im Internet.  Meine Nachbarin weiß schon am Vormittag welche Beschlüsse erst in einigen Stunden verkündet werden. Wissensvorsprung ist die neue Währung.

In der anschließenden Pressekonferenz erfahren wir von Frau Merkel die neuen Corona Anordnungen. Wie immer wenn die Lage ernst ist, im Ton sachlich und die Lippen schmal. Der bayrische Ministerpräsident gewohnt blumig und ausschweifend mit einer ordentlichen Portion Eigenlob. Halt die BlauweißKöniglichen:) Mir gefällt der norddeutsche Tonfall des Hamburger und des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters besser. 

Der Inhalt der Pressekonferenz bleibt, unabhängig von der Tonfärbung, erstmal unklar. Welche Läden dürfen wann öffnen, welche Schüler wann zur Schule, Maskenpflicht oder Gebot? Zwei Tage später verkünden dann die Ministerpräsidenten der Länder was im jeweiligen Bundesland gilt. Einheitlich solidarisch geht anders.

Das Sorgen und Kümmern um sich selbst zeigt sich in der Corona Krise in jeder Größe. Angefangen bei den Schlachten ums Klopapier im Supermarkt bis zur Beschaffung von Desinfektionsmittel und Mundschutz durch Regierungen. Absoluter Höhepunkt das durch die amerikanische Regierung „gekaperteFlugzeug“ beladen mit Schutzmasken. America first.

Innerhalb der europäischen Union kann von Solidarität auch keine Rede sein.   Jedes Land „sorgt für sich selbst“ und versucht dabei kompetenter als der Nachbar zu sein. Weltweit agierende Organisationen die internationale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, sozialen und humanitären Gebiet fördern soll, treten in dieser Zeit erst gar nicht in Erscheinung.

In Deutschland scheinen die Politiker auf Kommunaler-Landes- und Bundesebene keine Chance verstreichen zu lassen sich zu positionieren und zu profilieren. Ein Schelm der Böses dabei denkt.

In nebeligen Zeiten V

Corona Tagebuch Woche 5

Ein Krankheitsfall macht es notwendig, das ich mit dem Auto zu meiner Familie nach Nordrhein-Westfalen fahre. Am Sonntag ist die Autobahn zwischen Hamburg und Bremen so leer, wie ich es aus den 80ern an einem LKW freien Sonntag kenne. Sportwagen Fahrer können ihre Pferdestärken heute richtig ausfahren. Ich genieße bei mäßigem Tempo das stressfreie Fahren ohne Überholmanöver und Konzentration auf den fließenden Verkehr. Prima zum Gedanken nachhängen: wie kann ich in den nächsten Tagen in der neuen häuslichen Situation mit Kontaktabstand und Infektionsschutz umgehen. Gerade in emotional schwierigen Zeiten tut eine innige Umarmung gut. Darauf möchte ich aber aus Sicherheitsgründen verzichten. 

In der 100.000 Einwohner zählenden Stadt am Niederrhein sind die Straßen deutlich belebter als in Hamburg. Menschen flanieren bei schönem Wetter durch die Stadt und den angrenzenden Stadtpark. Beliebter Treffpunkt der Rosengarten. Vor dem Eiscafe stehen Menschen weniger in Form einer Schlange als in lockerem 50 cm Abstand. Da hätten die Hamburger protestiert: Abstand einhalten! Das gleiche Bild in den nächsten Tagen auch im Supermarkt. Ich merke, wie schnell ich mich in dieses Gefühl des „es ist doch nichts“ reinziehen lasse. In der häuslichen Situation meiner Familie versuche ich mit Desinfektionsspray meine Ängste in Schach zu halten. Nachts kreisen dann die Sorge um die Gesundheit meiner Lieben mit den Ängsten vor Covid 19 im Reigen. 

Vor der Nachtruhe stellen wir uns in der SeniorenWohnAnlage alle an ein offenes Fenster um nach dem Glockengeläut der Kirche einer Dame und ihrer Blockflöte zu lauschen. Das Steigerlied, eine Hymne in dieser Bergbau Region, können fast alle mitsingen. Eine schöne Idee, berührend, und geklatscht wird zum Schluß genauso enthusiastisch wie im Eimsbütteler Quartier.  

Außerhalb meines kleinen Kosmos beschäftigt sich die Welt in dieser Woche mit den wirtschaftlichen Folgen des Lockdown. Die Rede ist vom Maß und Mittel der Anordnungen, der Rechtmäßigkeit der Kontaktsperre, Virus gegen Freiheit, Ende der Globalisierung, Weltwirtschaftskrise.

Drei Wochen Konsumverzicht und die Welt scheint am Abgrund zu stehen. Mir ist bewußt, das die Folgen des Lockdown weit über diese drei Wochen hinausreichen werden. Die Prognose für das ewig gewünschte Wirtschaftswachstum muss nach unten korrigiert werden. Soll ich/ sollen wir  jetzt doppelt soviel konsumieren damit diese Entwicklung gedämpft wird? Wollten wir nicht alle weniger konsumieren um die Umwelt zu schonen? In den fünf Wochen Corona habe ich auf wenig bis nichts verzichtet. Was also kaufe ich wenn die Läden geöffnet sind und warum?

Wenn man seinen Lebensunterhalt so wie wir im Einzelhandel verdient, hat die Antwort auch etwas mit der Parabel vom Glashaus, den Steinen und der Frage wer drinnen sitzt zu tun.

In einem interessanten Artikel lese ich von der Gemeinwohl-Ökonomie und Wirtschaft mit Haltung. Gedanken, die Hoffnung machen von jungen Menschen, die die Zukunft neu und anders denken.

Meine Woche endet mit ein bißchen Oster Konsum: Schokohasen mit Glöckchen, bunte Eier und Schokokuchen aus eigener Herstellung. Ein Kollege meines jüngsten Sohn ist Covid19 positiv getestet und Corona damit auch in unserem Leben angekommen. Unser Osterbrunch fällt aus, statt dessen gibt es eine große Tasche mit OsterKöstlichkeiten to go für meinen Sohn. Gesund bleiben!

Gedanken in Bewegung

Sieben Fragen

Persönlicher Verzicht und Einschränkung aus Solidarität zu unseren Mitmenschen, besonders zu den Älteren. Ist das nicht viel, was wir da von der jüngeren Generation erwarten, die selbst durch Corona nicht oder wenig gefährdet ist.

„Ihr stehlt uns die Zukunft“, ist ein Vorwurf der Fridays for Future Bewegung. Und nun Corona.  Da könnte sich das Problem von alleine lösen. Provokant? 

In einer/m Stadt /Stadtteil der überwiegend von den Jahrgängen ab 1980 bewohnt wird, erfahre ich meinen Lebensraum zunehmend bedroht. Vielleicht liegt es daran, das ich hier nicht am rechten Platz bin?  „Und nun müssen wir wegen dir/euch auch noch zuhause bleiben, damit wir dich/euch nicht anstecken.“  

Im Utilitarismus ist eine Handlung moralisch, wenn sie den größtmöglichen Gesamtnutzen aller Betroffenen maximiert. Ich möchte mich in dieser Frage gerne bei Kant einordnen der, sehr vereinfacht, sagt, das nicht die Folgen einer Handlung moralisch sein müssen, sondern die Handlung selbst.

Eine Frage die unsere Gesellschaft auch nach Corona noch beschäftigen wird.

Freiheitsbeschränkung & Freiheitsberaubung! Der Vorwurf wird täglich lauter. Weitergeleitete YouTube Videos von Freunden mit kritischem Fragen und alternativen Betrachtungen zu Covid-19 und den Maßnahmen der Bundesregierung erreichen mich täglich. Ein Land voller Experten?

Was ist los mit mir? Bin ich nicht informiert, bin ich zu wenig politisch, hinterfrage ich nicht genug, bin ich zu bequem? Was passiert wenn ich all die Videos anschaue und mit Anderen der Meinung eines YouTube Experten folge. Revolution,  Sturz der Regierung?

Täglich erreichen mich Newsletter von  Institutionen die in meinem Leben einen festen Platz haben. Meditation, Yoga, Fitness, Theater, Konzerte, Gottesdienste, Museen. Alles kann nun live im Netz genutzt werden, auch um die wirtschaftlichen Folgen des Shutdown abzumildern.

Corona wird die Entwicklung zu überwiegend digitalen Angeboten weiter vorantreiben und meine Hoffnung, weiterhin in schönen Innenstädten zu Bummeln und Einzukaufen , ins Kino und Theater zu gehen, Museen zu besuchen, Literatur in Lesungen zu erleben, Konzerte zu besuchen schwindet zunehmend. Dystopisch?

Die ständig wachsende Anzahl an Cafés und Lokalen läßt mich vermuten, das diese Form des analogen Zusammentreffens in Zukunft attraktiv sein wird. Der täglichen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen wird online gedeckt. Nicht meine Welt.

In Gesprächen mit meinen Eltern höre ich Lobeshymnen auf die guten alten Zeiten. Will ich da jetzt einstimmen? Eine offene Haltung, Gespräche mit jungen Menschen, im besonderen mit meinen Kindern und Enkeln, und meine besonnene Art zu handeln werden mir den Weg in neue Zeiten weisen. 

In nebligen Zeiten IV

Corona Tagebuch Woche 4

Nahrungsmittel und Hygiene Artikel nennen unsere Politiker systemrelevant. Für mich persönlich sind das auch Bücher und Blumen. Diskussionsbedarf.

Die Schlangen vor den Supermärkten und Drogerien zeugen in dieser Woche nicht von Hamsterkäufen sondern vom reglementierten Eintreten. Wir haben verstanden und uns überzeugen können, dass es keine Versorgungsengpässe gibt und geben wird. Auch weil die Berufsgruppen, die unsere tägliche Versorgung gewährleisten, die Kassiererinnen, die Lagermitarbeiter, die LKW Fahrer u.ä. ihren Job machen. 

Sollten diese Menschen nicht an ihrem Gehalt merken, das sie systemrelevant sind? Die großen Supermarkt- Ketten kündigen Bonuszahlungen für ihre Mitarbeiter an, steuerfrei sichert die Politik zu.

In New York hat in den 90ern ein Generalstreik der Müllabfuhr zu einem Umdenken geführt. Der damalige Bürgermeister sorgte dafür, das die Müllmänner jetzt bis zu 50.000$ im Jahr verdienen. Ihre Arbeit gewährleistet die Sauberkeit und Hygiene Standards für alle New Yorker. Was könnte systemrelevanter sein?

Setzen wir auf die Liste der noch zu diskutierenden Punkte.

Kultur, oder besser die Abwesenheit von Kultur ist ein großes Thema. Ich gehe gerne zu Lesungen oder ins Theater. Aus der ursprünglichen Verabredung mit meinem Freund, einmal monatlich eine Kulturveranstaltung zu besuchen, ist ein eher unregelmäßiger Rhythmus geworden. Aber allein der Umstand es zu können tut gut. Das Feuilleton, analog und digital, ist mein liebster Lesestoff, das Stapeln von ungelesene Büchern die Konsequenz und in Corona Zeiten meine Rettung.

Innerhalb weniger Tage haben Kulturschaffende das Netz für sich erobert. Autoren, die ihre Bücher schon nicht mehr auf der Leipziger Buchmesse vorstellen konnten, lesen aus ihren Neuerscheinungen. Musiker musizieren solo aus ihren Wohnzimmer oder als Orchester über Videochats.Theater und Konzerte spielen vor leeren Rängen und übertragen dies live im Netz. Verbunden ist damit ein Aufruf, diese Zeit zusammen gut zu überstehen. Künstler und Kreative werden es nur durch unsere Solidarität, auch nach der Krise, und den Soforthilfen der Regierung schaffen.

Leere Ränge auch in Sport- und Fußballstadien. Mein Mitgefühl haben all die Sportler die auf einen Wettkampf in 2020 trainiert haben. Die Trainingspläne sind auf genau einen Zeitpunkt optimiert. Für den Hobby Sportler, war ich auch schon, traurig, für die bezahlten Profis tragisch. Die Olympischen Spiele in Japan sind um ein Jahr verschoben. 

Apropos verschoben. Das Abitur sollte erst ausfallen, dann „notweise“ abgehalten werden und ist jetzt um zwei Wochen verschoben.  Die Abiturienten*innen sehen ihre Zukunftschancen gefährdet.

Der Unterricht für Schulkinder findet zur Zeit online statt. In jüngeren Jahrgängen werden wöchentlich Mappen mit Schulunterlagen verschickt, die zuhause bearbeitet und zurückgeschickt werden. Die Lehrer bzw. Schulbehörden befürchten andernfalls ein nicht nachzuholendes Defizit im Schulbetrieb. Ich höre und lese von Müttern, die sich mit der Aufgabe inhaltlich und zeitlich überfordert fühlen. „ Es gibt zur Zeit nichts Anspruchsvolleres als Homeoffice, Privatunterricht und Kinderbetreuung!“ lese ich im Blog einer Mutter eines achtjährigen Mädchens. 

Mein ältester Sohn macht mit seiner Frau und drei Kindern Homeoffice. Die Fotos, die mich fast täglich erreichen, zeigen eine entspannte und vor allem gesunde Familie. Ich bin froh, dass alle Kinder verantwortungsvoll mit der Situation umgehen, sich gegenseitig unterstützen und wir alle in gutem Kontakt miteinander sind. 

In nebligen Zeiten III

Corona Tagebuch Woche 3

Am Sonntagabend hat unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel eine zweite Ansprache im Fernsehen gehalten. Kommt nun die von vielen befürchtete und erwartete Ausgangssperre?

Ab Montag gilt eine Kontaktsperre für alle Bundesländer: Versammlungsverbot im öffentlichen und nicht öffentlichen Raum, physischer Kontakt mit nur einer Person ausgenommen Familien. Nur Bayern hat im Alleingang eine Ausgangssperre eingeführt. „Mir san mir“ ist im bayrischen Dialekt wohl die Grundlage dafür.

Nach einer anfänglich zeitlichen Begrenzung der Öffnungszeit von Lokalen und Cafés nun die komplette Schließung. Speisen zum Mitnehmen dürfen verkauft werden. Wir gehen selten auswärts Essen, aber wenn ich an die stets gut gefüllten Restaurants und Cafés hier im Stadtteil denke, ist das eine harte Maßnahme für die überwiegend jungen Städter. 

Am Samstag in eine gute Freundin im europäischen Ausland plötzlich und völlig unerwartet verstorben. Schnell wird uns bewußt, das wir weder zur Trauerfeier fliegen könnten, noch uns zu einer privaten Trauerfeier im engeren Freundeskreis hier in Hamburg zusammenfinden werden.  Welche Tragweite die Schutzmaßnahmen unserer Regierung haben, spüren wir jetzt allzu deutlich. In meiner Kirche verabschiede ich mich mit einem kleinen Ritual von meiner Freundin. In anderen Kirchenbänken sitzen vereinzelt Menschen im stillen Gebet. Ganz hinten höre ich ständiges „Geplapper“, zwei Verkäufer der Obdachlosen Zeitung HinzundKunz. Ich bin nicht in der Stimmung ein Heft zu kaufen. Schwere Zeiten für die zahlreichen Obdachlosen in dieser Stadt.

Das Wetter ist ja im kühlen, oft regnerischen Hamburg immer ein Thema. In dieser Woche, Mitte März, mit 12 grad ungewöhnlich warm und sonnig. Für die verhängte Kontaktsperre und den Aufruf zuhause zu bleiben kontraproduktiv. Die Parks und sonstigen Grünflächen sind nachgefragt, glücklich wer einen Balkon oder eigenen Garten hat. In den nahegelegenen Schrebergärten genießen Familien mit Kleinkindern ihr Idyll. Ich bin ein bißchen neidisch, genieße den Sonnenschein aber auch bei meinem Spaziergang. Der Serotonin Spiegel steigt, ein bißchen Hochgefühl das wir  alle gebrauchen können.

Das der Verlust von physischem Kontakt Auswirkungen hat kann man in dieser Woche spüren. Experten bestätigen das virtueller/digitaler Kontakt kein Ersatz ist. Meinungsverschiedenheiten im Freundeskreis und Auseinandersetzungen mit Nachbarn über Nichtigkeiten, auch über den Gartenzaun hinweg, zeigen wie schwierig die Kontaktlosigkeit für viele Menschen ist. Am Abend sind sich alle wieder einig in unserem Carré. Abendlicher Applaus und Jubel für die Menschen die unser tägliches Leben mit ihrer Arbeit aufrechterhalten.

Durch Zufall entdecke ich am Ende der Woche, das unsere favorisierte Eisdiele Eisliebe geöffnet hat. Mit einem Becher köstlichstem Eis mit Sahne spaziere ich durch den Stadtteil. „ Hat Eisliebe geöffnet? Das ist ja ein gutes Zeichen!“ werde ich von einer Dame angesprochen. Eine Begegnung in dieser Stadt wie ich sie sehr schätze, zugewandt und freundlich. Sie freut sich mit mir und sicher auch auf ihr Eis an diesem Nachmittag. 

In nebligen Zeiten II

Corona Tagebuch Woche 2

Shutdown! alle Geschäfte außer Supermärkten, Drogerien, Apotheken, Blumen, Friseuren, die unser alltägliches Leben versorgen, bleiben geschlossen. Wir schließen unseren Laden auch; besetzen abwechselnd das Büro und bleiben telefonisch und per Mail erreichbar.

Das WorldWideWeb funktioniert.

Wir kommunizieren in unseren sozialen Netzwerken, der Online Handel boomt. Ist das jetzt der Moment den Online Handel als Segen und Chance zu begreifen? Ich entscheide mich beim Buchhändler um die Ecke anzurufen. Schon am Nachmittag werden mir die bestellten Bücher per Bote gebracht. Den schon länger gewünschten Frühjahrs Mantel bestelle ich dann doch im Onlineshop des Herstellers. 

Mit meiner 5- jährigen Enkelin zu skypen und eine Live Übertragung aus dem Planetarium im Netz zu schauen ist neu und zugleich beglückend. „Schickst du mir mal wieder einen Brief?“ ist allerdings ihre drängendste Frage. Wie lange wir das noch machen werden, uns ganz analog per Post Texte schicken mit hübschen Bildern, bunten Sternchen und farbigem Glitzer Klebeband. Kleiner Nostalgie Abstecher.

In dieser Woche schließen die Kirchen, Fitness Clubs und alle Institute für Yoga, Pilates, Meditation und vieles mehr. Wie halten wir uns jetzt fit? Joggen ist die Antwort. Wir entscheiden uns schnell noch einen Hometrainer zu bestellen. 2:1 für den Online Handel. 

Schließung der Ländergrenzen innerhalb Europas, innerhalb Deutschlands und Reduzierung des Flugverkehrs schränken unserer Bewegungsfreiheit weiter ein. Unser geplanter Osterurlaub auf Sylt wird storniert. Zuhause zu bleiben ist der ausdrückliche Wunsch der Bundesregierung,  der durch Kampagnen vieler Prominenter  mit Songs, Videos unterstützt wird.  „Wir sind hier, bleibt ihr zuhause“ ist ein Aufruf der Ärzte und Pflegenden. Ich verhalte mich so, auch wegen meiner Vorerkrankung die mich zur Risikogruppe zählen läßt. Liebevolle Anfragen meiner Kinder nach einem möglichen Lagerkoller kann ich bis jetzt verneinen. Ein täglicher Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein hilft mir dabei.

Unsere wöchentliche Beschaffung von Lebensmittel haben wir in einen Supermarkt verlagert, der weniger Zulauf hat. Zusätzlich wird die Menge der Einkäufer begrenzt. Wir bilden draußen eine Schlange, 2m Abstand zum Vordermann. Einkaufswagen werden für jeden Kunden einzeln desinfiziert, Klebebänder auf dem Boden markieren Mindestabstände. Die Kassierer haben eine Plastikwand als Schutz vor Speicheltröpfchen. Bestimmte Waren sind auch in dieser Woche ausverkauft. Die Einkaufsmenge pro Artikel / Person ist begrenzt und wird an der Kasse kontrolliert und einbehalten. Wie sagte jemand so treffend: „Hamstern rückwärts.“

In dieser Woche haben wir einen Geheim – Tipp entdeckt: ein Delikatessen und Großhandel für Lebensmittel am Fischmarkt. Nudeln ohne Ende und viele Leckereien mehr. Der Name Frische Paradies könnte nicht treffender sein in diesen Tagen.

In nebelige Zeiten I

Corona Tagebuch – Woche 1

In den ersten unklaren Tagen der Ankunft Corona in Deutschland wird mein fünftes Enkelkind geboren. Einschränkungen im Krankenhaus gibt es noch nicht. Ich fahre nochmal nach Berlin um den neuen Erdenbürger und die vier anderen Enkel zu sehen. 

Husten, Nase laufen, Niessen? Bloß nicht, alles ganz unpassend jetzt.  

Drei Tage später auf der Rückfahrt, im RBB die Gewissheit: Schul- und Kita Schließung, Theater und Kinos geschlossen, Konzerte werden abgesagt. Am Nachmittag das gleiche Szenario für Hamburg. Auf der Autobahn zwischen Berlin und Hamburg ist meine Welt noch in Ordnung, der Wagen schnurrt dahin, die Musik ist nach meinem Geschmack, und Corona wohl auf einem anderen Stern.

Seit Anfang der Woche geht dieses verrückte Gerücht mit dem Klopapier und den Nudeln um. Wir überzeugen uns am Abend selber: diese Regale sind leer. Wochenendeinkauf ist unser Plan oder darf es noch etwas mehr sein? Ich kann mich dem Gedanken, was wir im Notfall, was immer das 2020 in Mitteleuropa bedeuten mag, brauchen nicht entziehen. So landen Obst im Glas, Toast, Käse und Wurst mit Ablauf Mai, muss man drauf achten:)  in größeren Mengen auch im Wagen. Stehen Chips und Schokolade auch auf der Liste vom Bundesministerium für Ernährung? 

„ Ich lege doch jetzt keinen Hamstervorrat an“, nein zu denen möchte ich nicht gehören. Nur das Notwendige funktioniert aber auch nicht. Wohl überlegt sollte es auch sein, kopflos gestatte ich mir nicht. Was da so alles los ist zwischen Sorgen-losigkeit, Sinnvoll-los, Un-solidarisch. 

Ähnliche Gedanken meine ich auch bei anderen Einkäufern zu erkennen. Denen die nur 3 Dinge mit Leichtigkeit zur Kasse schieben, denen die offen über die Hamsterkäufer lästern und wütend die leergekauften Regale absuchen und alles dazwischen.

Lebensmittelvorräte anlegen ist das Gebot der Stunde. Das Medikamente auch gehamstert werden ist mir heute noch nicht klar. Desinfektionsmittel sind schon seit einer Woche ausverkauft. Ich bin noch zuversichtlich das Nachschub kommt. 

Am Freitag dieser Woche fühlen wir uns mit gut gefülltem Kühlschrank und zwei kleinen Flaschen Handdesinfektion gut gewappnet. 

Fernsehen, Radio, Internet, Zeitung egal welches Medium ich an diesem beginnenden Woche bemühe, Corona ist allgegenwärtig. Keinen Nachrichten vom immer noch andauernden 3-jährigen Krieg in Syrien, keine Meldungen vom Flüchtlingsstrom der an der europäischen Grenze in Griechenland festsitzt. Die Bilder und Zahlen aus China, dem ersten und Ausgangsland der Epidemie, schockieren und lassen uns mutmaßen wie und wie schnell die Verbreitung in Europa sein wird.

Am Samstag rechnen wir in unserem Geschäft mit wenigen Kunden und der Entscheidung der Bundesregierung, alle Geschäfte zu schließen. Beides erweist sich mehr als berechtigt. 

fraglich fromm, gewiß frei

1968 starben innerhalb von zwei Jahren eine Millionen Menschen während  einer Grippepandemie. 2002 /2003 war die erste Pandemie des 21. Jahrhunderts.

In meinem Tagebuch möchte ich die Ereignisse im März/ April 2020 für meine Enkelkinder festhalten. Ich bin sicher, das sie alle Informationen über die Corona Grippepandemie im Jahr 2020 zukünftig in einer News cloud nachlesen können. Mein Tagebuch erzählt davon was Zahlen, Daten und Fakten nicht können: wie ich/ wir diese Zeit erleben.