Corona Tagebuch Woche 5
Ein Krankheitsfall macht es notwendig, das ich mit dem Auto zu meiner Familie nach Nordrhein-Westfalen fahre. Am Sonntag ist die Autobahn zwischen Hamburg und Bremen so leer, wie ich es aus den 80ern an einem LKW freien Sonntag kenne. Sportwagen Fahrer können ihre Pferdestärken heute richtig ausfahren. Ich genieße bei mäßigem Tempo das stressfreie Fahren ohne Überholmanöver und Konzentration auf den fließenden Verkehr. Prima zum Gedanken nachhängen: wie kann ich in den nächsten Tagen in der neuen häuslichen Situation mit Kontaktabstand und Infektionsschutz umgehen. Gerade in emotional schwierigen Zeiten tut eine innige Umarmung gut. Darauf möchte ich aber aus Sicherheitsgründen verzichten.
In der 100.000 Einwohner zählenden Stadt am Niederrhein sind die Straßen deutlich belebter als in Hamburg. Menschen flanieren bei schönem Wetter durch die Stadt und den angrenzenden Stadtpark. Beliebter Treffpunkt der Rosengarten. Vor dem Eiscafe stehen Menschen weniger in Form einer Schlange als in lockerem 50 cm Abstand. Da hätten die Hamburger protestiert: Abstand einhalten! Das gleiche Bild in den nächsten Tagen auch im Supermarkt. Ich merke, wie schnell ich mich in dieses Gefühl des „es ist doch nichts“ reinziehen lasse. In der häuslichen Situation meiner Familie versuche ich mit Desinfektionsspray meine Ängste in Schach zu halten. Nachts kreisen dann die Sorge um die Gesundheit meiner Lieben mit den Ängsten vor Covid 19 im Reigen.
Vor der Nachtruhe stellen wir uns in der SeniorenWohnAnlage alle an ein offenes Fenster um nach dem Glockengeläut der Kirche einer Dame und ihrer Blockflöte zu lauschen. Das Steigerlied, eine Hymne in dieser Bergbau Region, können fast alle mitsingen. Eine schöne Idee, berührend, und geklatscht wird zum Schluß genauso enthusiastisch wie im Eimsbütteler Quartier.
Außerhalb meines kleinen Kosmos beschäftigt sich die Welt in dieser Woche mit den wirtschaftlichen Folgen des Lockdown. Die Rede ist vom Maß und Mittel der Anordnungen, der Rechtmäßigkeit der Kontaktsperre, Virus gegen Freiheit, Ende der Globalisierung, Weltwirtschaftskrise.
Drei Wochen Konsumverzicht und die Welt scheint am Abgrund zu stehen. Mir ist bewußt, das die Folgen des Lockdown weit über diese drei Wochen hinausreichen werden. Die Prognose für das ewig gewünschte Wirtschaftswachstum muss nach unten korrigiert werden. Soll ich/ sollen wir jetzt doppelt soviel konsumieren damit diese Entwicklung gedämpft wird? Wollten wir nicht alle weniger konsumieren um die Umwelt zu schonen? In den fünf Wochen Corona habe ich auf wenig bis nichts verzichtet. Was also kaufe ich wenn die Läden geöffnet sind und warum?
Wenn man seinen Lebensunterhalt so wie wir im Einzelhandel verdient, hat die Antwort auch etwas mit der Parabel vom Glashaus, den Steinen und der Frage wer drinnen sitzt zu tun.
In einem interessanten Artikel lese ich von der Gemeinwohl-Ökonomie und Wirtschaft mit Haltung. Gedanken, die Hoffnung machen von jungen Menschen, die die Zukunft neu und anders denken.
Meine Woche endet mit ein bißchen Oster Konsum: Schokohasen mit Glöckchen, bunte Eier und Schokokuchen aus eigener Herstellung. Ein Kollege meines jüngsten Sohn ist Covid19 positiv getestet und Corona damit auch in unserem Leben angekommen. Unser Osterbrunch fällt aus, statt dessen gibt es eine große Tasche mit OsterKöstlichkeiten to go für meinen Sohn. Gesund bleiben!