Der Zeitplan für unseren letzten, den Ankunftstag in Compostela, wird durch den Gottesdienst in La Cathedral bestimmt. Rückwärts geplant heißt das: 12.00 Messe, Compostela (Pilgerurkunde) abholen, Foto am Nullpunkt Praza do Obradairo, Frühstück in der besten Churreria der Stadt, geschätzte Laufzeit 5 Stunden Start in Pedrouzo um 04.30, Wecken um 04.00 Das geräuschlose Verlassen der Herberge am Morgen haben wir in den zurückliegenden Stationen schon mehrfach geübt. Mit mäßigem Erfolg. Heute ist es der Ernstfall: ein Teil unserer Gruppe bleibt schlafend zurück und auch die anderen Pilger sollen und wollen zu dieser frühen Stunde nicht geweckt werden. Sagen wir es war unser bester Versuch.
Ein paar erleuchtete Straßen später heißt es Stirnlampen an. Es regnet inzwischen wieder zunehmend und der Weg durch den Eukalyptuswald wird zum vertrauten Schlammpfad. „Aufpassen Salamander kreuzen!“ Knapp drei Stunden später ist es hell, wir im Zeitplan und unsere im Taxi vorgeschickte Kleingruppe hat sich zu uns gesellt. Der Jakobsweg wird nun mehrundmehr zum Fußweg, gesäumt von Straßen mit frühmorgendlichem Berufsverkehr. Wir nähern uns der Haupt-und größten Stadt Galiziens.
Vom Monte de Gozo dem Berg der Freude versuchen wir einen ersten Blick auf die Kathedrale, das Ziel der Reise, zu werfen. Ungemütlich ist es hier heute morgen. Der Wind pustet über die freie Wiese an deren Ende und Beginn des Waldes ein schlichtes filigranes Kreuz aufgestellt ist. „Ein Ort großer emotionaler Ergriffenheit.“ lese ich auf einer Infotafel. Wer am Monte de Gozo als erster einer Pilgergruppe ankam wurde von seinen Gefährten zum Pilgerkönig ernannt. Ab hier gingen einige Pilger barhäuptig und barfuß die verbleibenden 5km bis zur Kathedrale. Kaum vorstellbar das heute jemand auf diese Idee käme. Ein besinnliches Stück des Weges im Schweigen wäre schön.
Die Stadt mit ihren typischen Geräuschen bringt uns (zu) schnell ins Hierundjetzt. Besinnliche Freude stellt sich vor allem auf das Frühstück ein, ausgebackenes Spritzgebäck getaucht in dickflüssige heiße Schokolade, eine spanische Spezialität.
Nächster Programmpunkt: Ankunft auf dem Platz de Obradeiro zum Nullpunkt Foto. Jubelnde Pilger bestimmen das Bild vor der Kathedrale, unsere achtköpfige Gruppe kommt auch mit ein wenig „Koordinierung“ der Reiseleitung nicht in Freudentaumel. Wir umarmen uns nacheinander, im kleinen Kreis können ein paar Tränen fließen.
Unsere Hoffnung, das eine der anderen Pilgergruppen den Botafumeiro für den Pilger Gottesdienst in der Kathedrale gebucht hat, erfüllt sich nicht. Wie das Weihrauchfass, mit einem 66m langen Seil an der Decke befestigt von acht Priestern durch das Querschuff geschwungen wird, müssen wir uns nun auf youtube anschauen. Schade. Neben der religiösen Bedeutung des Weihrauch -Schwenken hatte dieses Ritual auch einen ganz praktischen Grund: das Neutralisieren des Geruch der Pilger, die nach ihrer Wallfahrt eine ganze Nacht wachend und betend in der Kirche verbracht haben. Heute ist es vor allem ein großartiges Schauspiel mit einem horrenden Preis, 450,-€. Wir lassen uns von dem imposanten HochAltar, der aufwendig restaurierten Kirche und nicht zuletzt von den vielen Pilgern die andächtig dem spanischensprachigen Gottesdienst lauschen beeindrucken. Die Sprache des Herzen ist multinational.
Was braucht es noch außer dem Segen der Pilgermesse? Richtig, die Pilgerurkunde. Die Dimension des Pilgerbüros ist ähnlich beeindruckend wie die der Kirche. Büro trifft es auf keinen Fall. Große Hallen mit zahlreichen PC‘s laden die Pilger zur Eingabe Ihrer persönlichen Daten auf, kurz Enter gedrückt und schon wird die farbenfrohe und edel anmutende Urkunde ausgedruckt. Ein netter Mitarbeiter hat derweil die eifrig gesammelten Stempel im Pilgerausweis kontrolliert und dem Papier den letzten amtlichen Stempel aufgedrückt. Ein bisschen Spannung darf schon sein.
Ein typisch spanisches Abendessen soll es zum Abschluß auf jeden Fall sein. Auf unserer Wanderung haben wir das Pilger Frühstück, Cafe con leche+ geröstetes Brot mit Marmelade und Pilger Menue mit u.a. Linsensuppe, Fisch oder Schweinefleisch, Dessert , Wein und Schnaps genossen. Typisch spanisch beginnt heute Abend mit der Uhrzeit 21.00. In einem schönen Restaurant in der Altsstadt werden uns als Tapas all´die Köstlichkeiten der galizischen Küche aufgetischt: Jambon Serrano +Chorizio+Pulpo a feira+ Empanada+Mariscada+Churasco und der Mandelkuchen Tarta de Santiago.
Ein schöner kulinarischer Ausklang und Abschied von Santiago de Compostela. Todmüde falle ich nach 19 Stunden in mein herrlich weiches Hotelbett, Blick auf die erleuchtete Karthedrale. Für einige von uns geht es morgen auf den weiteren Weg bis „ans Ende der Welt“, Finisterre. Ich freue mich auf die Rückkehr nach Hamburg.